Wir blicken wieder zurück auf den Vormonat und fischen für euch aus der großen Menge der Neuerscheinungen die interessantesten Comic-Titel aus allen Genres und Stilrichtungen heraus. Hier sind die wichtigsten Novitäten im November 2013:
HIGHLIGHT DES MONATS
Der Comic Blau ist eine warme Farbe von Julie Maroh erschien in Frankreich im Jahr 2010, landete im Folgejahr auf der Auswahlliste des Festivals von Angoulême und gewann dort den „Prix du public Fnac-SNCF“. In diesem Jahr sorgte die Verfilmung des Stoffes, der die intensive Liebesgeschichte zwischen der 16-jährigen Clementine und der vier Jahre älteren Emma erzählt, für Furore beim Filmfestival in Cannes, wo er den Hauptpreis, die Goldene Palme gewann. Diese wurde erstmals aufgeteilt und ging an den Regisseur Abdellatif Kechiche sowie die beiden Hauptdarstellerinnen). Kurz vor dem Kinostart in Deutschland erschien bei Splitter die Comicvorlage, deren Autorin dem Film eher kritisch gegenüber steht, vor allem was die in ihren Augen falsche Darstellung von lesbischem Sex angeht. [Leseprobe]
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EIGENPRODUKTIONEN
Captain Berlin heißt eine Schöpfung von Filmemacher Jörg Buttgereit, die schon in mehreren Inkarnationen zu erleben war: als Kurzfilm im Jahr 1982, als Hörspiel und schließlich 2007 in einer Bühnenrevue, deren Mitschnitt auch auf DVD erhältlich ist. Buttgereit verrührt darin Superheldenklischees und Trashzutaten mit dem Schauplatz Deutschland, wenn er seinen Helden in den 1970er Jahren gegen einen wiederbelebten Hitler antreten lässt, der sich mit Graf Dracula verbündet hat. Das Cover zur DVD stammte von Rainer F. Engel, der gemeinsam mit Levin Kurio einen Captain-Berlin-Comic zum Booklet beisteuerte. Diesen gibt es nun, gemeinsam mit einer weiteren Story von Martin Trafford und Buttgereit persönlich, als Weissblech-Heft Captain Berlin #1. [Leseprobe]
Dann schwingen wir uns mal eben auf der E-zu-U-Skala zum anderen Ende des kulturellen Spektrums: Zu Der Mann ohne Eigenschaften, dem unvollendeten Großwerk von Robert Musil, das als einer der wichtigsten deutschsprachigen Romane des letzten Jahrhunderts gilt. Als Comic adaptiert, variiert und eingedampft (von 1000 Roman- auf 156 Comicseiten) wurde das Werk von Nicolas Mahler, der damit bereits seinen dritten Comic in der noch jungen Graphic-Novel-Schiene des Suhrkamp Verlags vorlegt. Für Thomas Hummitzsch ist Mahler hiermit „sein bislang dreistester Coup gelungen“ [Leseprobe]
Eine ganz andere, eher klassische Form der Romanadaption, ist beim Splitter Verlag zu finden, wo man nach Kai Meyer einen weiteren deutschen Bestsellerautor aus dem Fantasygenre gewinnen konnte, um dessen Werke zu Comics zu machen: Der erste Roman der sehr erfolgreichen Reihe Die Zwerge von Markus Heitz wird in vier Comicalben neu erzählt. Die Adaption besorgt abermals Yann Krehl, der schon zahlreiche Genreromane als Comic umsetzte. Die Zeichnungen kommen von Che Rossié, der bislang vor allem als Illustrator für Rollenspiele tätig war. [Leseprobe]
In der Reihe Unheimlich – Lovecraftian Horror gab es vor ein paar Jahren einige Hefte mit Horrorgeschichten sowie eine Spin-Off-Reihe im Manga-Stil unter dem Titel Unheimlich: Asiatisch. Von diesem Spin-Off gibt es nach drei Ausgaben im Heftformat nun ein dickes Taschenbuch mit dem Untertitel Asia Lovecraftian Horror Mix. Die Anthologie enthält 12 Kurzgeschichten von Mitgliedern der Animexx-Plattform, teils in westlicher, teils in asiatischer Leserichtung. Bestellen kann man den Band auf lovecrafts.de.
Das Oh Magazin war mit seiner ersten Ausgabe 2012 der Sieger des großen Indiecomic-Wettbewerbs Comic Clash. Darin erzählten die Zeichnerinnen Lew Bridcoe, Caroline Ring und Asja Wiegand eine dreiteilige Geschichte von Autor Christoph Mathieu. Etwas später erschien die kleinere Ausgabe 1½ und im Sommer 2013 die Ausgabe 2, beide mit dem gleichen Konzept. Fürs dritte Heft wird man sich mit dem Zwerchfell Verlag zusammentun, der sich um Druck und Vertrieb kümmern wird. Vorher bringt Zwerchfell aber noch eine „Integral-Ausgabe“ von Oh Magazin 1 und 1½ auf den Markt. [Leseprobe]
Der Hannoveraner Zeichner Bernd Natke (Der kleine Tod) bringt in seinem Eigenverlag „Unser Verlag“ die Albenreihe Die Mooneys heraus, in der er humorige Geschichten mit einer Menge kleiner grüner Männchen erzählt, die auf dem Mond leben. Im November erschien der zweite Band „Mooneymania“, worin ein großes Rockmusikfieber ausbricht und jede Menge Beatles-Anspielungen gemacht werden. [Leseprobe]
Als „ersten Typo-Comic“ bezeichnet der Mainzer Fachverlag Hermann Schmidt das Buch Mr. Typo & der Schatz der Gestaltung von Alessio Leonardi. Der Autor ist Schriftgestalter und Designer und lehrt als Professor für Visuelle Kommunikation an der HAWK in Hildesheim. Sein Sachcomic vermittelt Grundlagen der Typografie auf unterhaltsame Art. [Leseprobe]
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AUS SPANIEN
In der enormen Masse von Comics, die Panini allwöchentlich auf den Markt wirft, drohen sie ein wenig unterzugehen, aber auch dieser Verlag hat gute, relevante, anständig produzierte, hoch-interessante Comics, die neuartig oder vielleicht einfach lesenswert sind, im Programm. Zu diesem Segment gehört Entführt, geschrieben vom Spanier Hernán Migoya und gezeichnet von Joan Marín. Migoya erzählt darin die wahre Geschichte seiner heutigen Ehefrau, einer Peruanerin die vor 16 Jahren als Studentin in Lima entführt wurde, um ein Lösegeld zu erpressen. Laut Verlag ist das Buch „eine Mischung aus klassischer Comic-Reportage und autobiographischer Fiktion“. [span. Leseprobe]
Vom spanischen Verlag Diábolo Comics, der seit etwa einem Jahr einige Titel in deutscher Sprache vertreibt, kommt die Horror-Kurzgeschichtensammlung Various Horror Visions von Santipérez. Der Band enthält sechs „Erzählungen vom alltäglichen Grauen“ (so der Untertitel). [Leseprobe]
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AUS GROSSBRITANNIEN
Bei den noch jungen British Comic Awards ging der Young People’s Comic Award (für Comics für Kinder und Jugendliche) in diesem Jahr an Garen Ewing für den ersten Zyklus seiner Serie The Adventures of Julius Chancer. Die in den 1920er Jahren spielende Entdecker- und Abenteurergeschichte ist im Stil der Ligne Claire gezeichnet, als Vorbilder nennt Ewing die Autoren H. Rider Haggard, Arthur Conan Doyle und Jules Verne sowie die Comiczeichner Edgar P. Jacobs und Hergé. Die Abenteuer von Julius Chancer 1: Die Regenbogenorchidee erscheint auf Deutsch bei Salleck Publications. [Leseprobe]
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AUS FRANKREICH UND BELGIEN
Beim Avant-Verlag erschien endlich der lange angekündigte dicke Sammelband von Joan Sfars Vampir-Geschichten, bestehend aus den ersten vier Alben der Serie Grand Vampire plus Zusatzmaterial. Der „große Vampir“ spielt in der gleichen Welt wie Sfars Kindercomicreihe Desmodus, der Vampir, richtet sich aber an erwachsene Leser. Trotzdem ist das hier kein Horror-Comic, sondern eine Sfar-typische, humorvolle und tiefgründige Genre-Spielerei. [Leseprobe]
Neu bei Carlsen ist der Band Der arabische Frühling von Jean-Pierre Filiu. Der Autor ist Wissenschaftler, Diplomat und Berater hochrangiger französischer Politiker, die Zeichnungen kommen von Cyrille Pomes. Ihr dokumentarischer Sachcomic berichtet von den Protestbewegungen in Tunesien, Libyen und Ägypten, die ab Ende 2010 weltweit für Aufsehen sorgten, und stellt wichtige Persönlichkeiten der Bewegung vor. [frz. Leseprobe]
Der Schweizer Verlag Virtual Graphics von David Boller, wo bislang hauptsächlich dessen eigene Comics erschienen sind, bringt mit In der Sekte von Pierre Guillon und Louis Alloing einen Comic, der sich – basierend auf einer wahren Begebenheit – mit einer Frau beschäftigt, die versucht, bei Scientology auszusteigen. [Leseprobe]
Zeitreisen im Semi-Funny-Stil gibt es in der neuen Serie Die Zeitbrigade beim All Verlag. In dem Comic aus dem belgischen Spirou-Magazin von Szenarist Kris (Die Welt von Lucie) und Zeichner Bruno Duhamel müssen die Agenten der Zeitbrigade in die Vergangenheit reisen, um gravierende Veränderungen der Geschichte zu verhindern. Im ersten Band geht es ins zurück ins 15. Jahrhundert, als Christoph Columbus Amerika entdeckte. [Leseprobe]
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Jean-Claude Denis (Luc Lamarc) erzählt in Auf nach Matha von junger Liebe und jugendlicher Rebellion in den 60er Jahren. Salleck Publications bringt den autobiographischen Zweiteiler in einem Band auf Deutsch. (Ob man das dann gleich „Gesamtausgabe“ nennen muss, sei mal dahingestellt.) [Leseprobe]
Michael Moorcocks Antiheld Elric gehört zu jenen Klassikern der Fantasy, die schon mehrfach in Comicform adaptiert wurden. Die französische Adaption von Julien Blondel, die bei Splitter in vier Teilen erscheint, will dem Original von Moorcock treuer bleiben als andere Comicfassungen. Die Zeichnungen kommen dabei von einem Trio (Didier Poli, Robin Recht und Jean Bastide), das die Seiten arbeitsteilig erstellt. [Leseprobe]
Noch viel öfter erzählt, weil so schön mysteriös, ist die Geschichte von Jack the Ripper, jenem Serienmörder, der 1888 in London sein Unwesen trieb. Der Alben-Zweiteiler von Francois Debois und Jean-Charles Poupard, der als „Splitter Double“ in einem Band erscheint, stellt die Frage, ob nicht Chefermittler Inspektor Abberline der Mörder gewesen sein könnte. [Leseprobe]
Außerdem starteten bei Splitter Universal War Two [Leseprobe], die Fortsetzung der erfolgreichen SF-Serie Universal War One von Denis Bajram, sowie ein Spin-Off zur Science-Fiction-Reihe Orbital mit dem Titel Orbital – Aufzeichnungen, in dem Autor Sylvain Runberg mit verschiedenen Zeichnern Kurzgeschichten aus seinem Universum erzählt. [Leseprobe]
Mit Rückkehr in den Kongo erscheint bei Kult Editionen ein weiterer Comic vom Duo Yves H. und Hermann. Die Kriminalgeschichte spielt in den 1920er Jahren im Kongo, das damals noch belgische Kolonie war. [Leseprobe]
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AUS DEN USA
Bei Egmont Graphic Novel erschien Sailor Twain oder Die Meerjungfrau im Hudson von Mark Siegel. Darin gerät die Crew eines Dampfschiffs, das 1887 auf dem Hudson River unterwegs ist, in den Bann einer Meerjungfrau. Der Comic wurde zunächst online als Webcomic veröffentlicht und erschien später als Buch beim Verlag First Second, dessen Programmleiter Siegel ist. [US-Leseprobe]
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Richtig groß war die Serie Mister X von Dean Motter nie, aber unter Kennern genießt sie großes Ansehen. Die in den 80er Jahren erschienenen Geschichten Noir-Krimigeschichten legen sehr viel Wert auf Design und Architektur des Schauplatzes, der fiktiven Großstadt Radiant City. Bei Schreiber & Leser gibt es nun einen dicken Sammelband der Serie, für die hochrangige Künstler wie Seth Dave McKean und Hernandez-Brüder gearbeitet haben. [Leseprobe]
Der Dauerbrenner bei Cross Cult ist Robert Kirkmans Zombieserie The Walking Dead, die mittlerweile bei Band 19 angelangt ist. Wer preisgünstig einsteigen will, liegt mit dem ersten Walking Dead Kompendium richtig, einem Taschenbuch im Ziegelsteinformat, das für 50 Euro auf 1050 Seiten (!) die ersten acht Sammelbände der Serie in einem dicken Klotz versammelt. [Leseprobe]
Mit Secret Service gibt es bei Panini schon wieder etwas neues von Mark Millar. Diesmal widmet er sich dem Agentengenre und hat sich dafür keinen geringeren als Watchmen-Zeichner Dave Gibbons an Bord geholt. Kick-Ass-Regisseur Matthew Vaughn, der einen Credit als „Co-Plotter“ bekommen hat, wird den Comic mit Michael Caine und Colin Firth in den Hauptrollen verfilmen. [Leseprobe]
Im November gab’s bei Panini zwei weitere Serienneustarts unter dem Label „Marvel Now!“ im Paperbackformat: In Secret Avengers von Nick Spencer und Luke Ross steht ein streng geheimes Avengers-Spezialteam unter Leitung von Nick Fury, Hawkeye und Black Widow im Mittelpunkt [Leseprobe]. Und Uncanny X-Men ist neben den All-New X-Men (die bei Panini als Heftserie erscheinen) die zweite X-Serie, die von Brian Bendis geschrieben wird – beide zusammen münden in Kürze in das Crossover „Battle of the Atom“. [Leseprobe]
Das letzte große Marvel-Crossover Avengers vs. X-Men, das Panini in der ersten Jahreshälfte in Heftform veröffentlicht hat, erschien nun nochmal als Sammelband [Leseprobe]. Und wer die ersten Bände der Marvel Zombies von Robert Kirkman und Sean Phillips (2007/2008) verpasst hat, kann jetzt zur Marvel Zombies Collection greifen.
Paninis DC-Comics-Sparte bekommt eine sechste Heftserie: Justice League of America erscheint im Zweimonatsrhythmus und enthält die Serie von Geoff Johns und David Finch, in der neben der bekannten Justice League (mit Superman, Wonder Woman und Co.) ein offizielles Heldenteam der US-Regierung gegründet wird. In den USA gab es für das erste Heft der neuen Serie 52 verschiedene Cover-Varianten (für jeden Bundesstaat eine), damit erreichte das Heft Platz 2 der Comic-Bestseller des Jahres. [Leseprobe]
Mit Kingdom Come legt Panini einen Superhelden-Klassiker neu auf. Die „Elseworlds“-Geschichte von Mark Waid und Alex Ross aus dem Jahr 1996, in der ein großer Konflikt zwischen den Helden des DC-Universums beschrieben wird, kommt als Sammelband mit mehr als 100 Seiten Bonusmaterial.
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AUS ASIEN
Im neuen Action-Manga Btooom! von Junya Inoue (Tokypop) geht es um einen jungen Mann, der sehr erfolgreich ein Online-Kampfspiel am PC spielt, bis er eines Tages tatsächlich in die Welt des Spiels versetzt wird und dort ums Überleben kämpfen muss. [Leseprobe]
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Hyouka von Honobu Yonezawa ist eine Mysteryserie um einen jugendlichen Rätselclub. Ursprünglich als Romanserie entstanden, gibt es nun auch eine Anime- und eine Mangafassung. Letztere erscheint auf Deutsch bei Tokyopop. [Leseprobe]
Soul Eater Not! ist ein Ableger der erfolgreichen Action-Fantasy-Serie Soul Eater. Hier geht es um junge Nachwuchskämpfer, die noch in der Unterstufe der „Schule für Waffenmeister“ stecken.
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SEKUNDÄRLITERATUR
Der Interessenverband Comic hat wieder sein sehr empfehlenswertes Comic! Jahrbuch vorgelegt. Die Ausgabe für 2014 hat, passend zur Weltmeisterschaft, einen Themenschwerpunkt „Comics und Fußball“, bietet aber auch viele weitere interessante Artikel und wie üblich ausführliche Interviews mit den Gewinnern des ICOM Independent Comic Preis. [Leseprobe]
Auch vom Jahrbuch Deutsche Comicforschung ist eine neue Ausgabe erschienen. Unter anderem geht es um Propaganda-Bildgeschichten im Ersten Weltkrieg, um „Film-Bild-Romane“ und den Werdegang von Rolf Kauka [Infos zum Inhalt]
Für Sammler und Spezialisten könnte die Sheriff Klassiker Chronik (Edition Comicographie) interessant sein. Hier findet man akribische Inhaltsangaben und Artikel zu den ersten Jahrgängen der Serie Sheriff Klassiker, die in den 60er Jahren beim Bildschriftenverlag erschien und Material aus verschiedenen amerikanischen Westerncomics abdruckte. [Leseprobe]