Das Comicjahr 2013 beginnt ohne ganz große Highlights, aber mit zahlreichen interessanten Neuheiten, unter denen auch einige Titel für junge Leser sind. Außerdem ging eine Sammelreihe mit Marvel-Comics an den Start, die vielleicht ein neues, breiteres Publikum für Superheldencomics erschließen könnte. Hier ist unser Überblick über die wichtigsten Novitäten des vergangenen Monats:
HIGHLIGHT DES MONATS
Bei Reprodukt erscheint mal wieder ein Debüt eines jungen deutschen Zeichners: Vakuum ist der erste buchlange Comic von Lukas Jüliger, Illustrationsstudent an der HAW Hamburg. Seine Coming-of-Age-Geschichte erzählt von der seltsamen Zeit, wenn die Schule endet und das Erwachsenenleben noch nicht angefangen hat, allerdings mit übernatürlichen Elementen. Anders als bei einigen seiner Kollegen handelt es sich bei dem Comic nicht um seine Abschlussarbeit, vielmehr hat er sein Studium für zwei Jahre unterbrochen, um an Vakuum zu arbeiten. Sieht, der Leseprobe nach zu urteilen, aus, als habe es sich gelohnt.
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EIGENPRODUKTIONEN
A propos HAW, a propos Abschluss: Ein solcher ist die zehnte Ausgabe der Anthologie Orang, die 2003 von Sascha Hommer als studentisches Projekt an der HAW gegründet wurde. Orang X wird die letzte Ausgabe sein (mehr dazu im Tagesspiegel–Interview mit Hommer) und steht unter dem Motto „Heavy Metal“. Eine Vorschau gibt es auf orang-magazin.net.
Flix und Ralph Ruthe sind in der Regel Zeichner und Autor in Personalunion. Dass sie auch arbeitsteilig werkeln können, zeigt ihre Koproduktion Ferdinand, bei der Ruthe als Texter und Flix als Zeichner fungiert. Ferdinand ist ein kleiner, gelber Reporterhund, den die beiden für das Kindermagazin Dein Spiegel erschaffen haben, wo seit Herbst 2009 jeden Monat ein One-Pager erscheint. Bei Carlsen gibt es nun den ersten Sammelband mit Ferdinand-Geschichten. Und damit Beweisstück 1 für die These, dass 2013 ein sehr gutes Jahr für Kindercomics werden könnte. Hier eine Episode in der animierten Version:
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Beim Schwarzen Turm gibt es einen neuen erotischen Manga unter dem Label „Hentai Hearts“: Der erste Band von Lieben$wert der Zeichnerin Sami06 wurde vorab bereits online in der Dojinshi-Sektion bei Animexx veröffentlicht, außerdem erscheint der Comic kapitelweise im Magazin COMIX.
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AUS DEN USA
Robert Venditti ist der Autor des Überraschungserfolgs The Surrogates, das 2009 mit Bruce Willis verfilmt wurde. 2011 legte er die Graphic Novel The Homeland Directive vor, gezeichnet von Mike Huddleston (Butcher Baker, the Righteous Maker), die nun auf Deutsch bei Carlsen erscheint. Der Polit-Thriller dreht sich um tödliche Seuchen, Mord und Verschwörung innerhalb amerikanischer Regierungsbehörden. Eine Leseprobe des Originals gibt es beim US-Verlag Top Shelf.
Der kanadische Autor und Zeichner Jeff Lemire (Essex County, Sweet Tooth) befindet sich gerade auf dem Weg vom Geheimtipp zum Starautor. Eben hat er bei DC die Serie Green Arrow übernommen und wird hoffentlich nicht vom Superhelden-Mainstream verheizt. Bei Panini erschienen im Januar gleich zwei Comics von ihm: Die Graphic Novel The Nobody (im Original bei Vertigo) als schicker Hardcoverband, der eine moderne Variation von H.G. Wells‘ Klassiker Der Unsichtbare erzählt und in Schwarz, Weiß und Hellblau gehalten ist (myComics-Leseprobe).
Während The Nobody auch von Lemires unverwechselbarem Zeichenstil lebt, ist er bei Superagent Frankenstein nur der Autor, die Zeichnungen stammen von Alberto Ponticelli. Die Serie gehört zu den originelleren Neustarts im Rahmen von DCs „New 52“-Aktion und könnte als eine Art „Hellboy im DC-Universum“ bezeichnet werden. Jedenfalls gibt es ordentliche Kloppereien zwischen allerlei monströsen Gestalten. Das erste Kapitel kann man bei myComics lesen.
Die großen Crossover-Events von DC und Marvel veröffentlicht Panini in der Regel zunächst in Heftform am Kiosk und bringt dann später noch einmal einen Sammelband. So auch bei Flashpoint, der Miniserie von Geoff Johns, in deren Anschluss dann der komplette DC-Neustart folgte (Leseprobe der Heftausgabe).
Eine unerwartete Perle verbirgt sich hinter dem Sammelband Thor: Der mächtige Rächer. Der enthält alle erschienenen Hefte der Reihe Thor: The Mighty Avenger von Roger Langridge (The Muppet Show) und Chris Samnee. Die Serie, die den Donnergott in seinen Jugendjahren zeigt und teilweise auch eine romantische Liebesgeschichte ist, erhielt durch die Bank sehr positive Kritiken, verkaufte sich jedoch eher schlecht – nicht zuletzt, weil Marvel um 2010 herum ein ganzes Bündel von Thor-Serien auf den Markt warf, um vom erfolgreichen Kinofilm zu profitieren. Nach nur acht Ausgaben wurde die Serie wieder eingestellt. Umso erfreulicher, dass sie nun trotzdem auf Deutsch erscheint. Kapitel 1 gibt’s bei myComics.
Es gehört zu den Grundbedürfnissen der großen Superhelden-Verlage, die Ursprungsgeschichten ihrer Superhelden immer und immer wieder neu zu erzählen. Marvel betreibt dies zur Zeit mit Comics unter dem Titel Season One, die nicht als Heftchen, sondern direkt als „Graphic Novel“ in Buchform aufgelegt werden und auch im klassischen Buchhandel Leser finden sollen. Auf deutsch erschienen bei Panini bereits die „Season One“-Geschichten von Spider-Man, den Fantastic Four, den X-Men und dem Hulk. Im Januar war der blinde Held Daredevil an der Reihe, dessen Origin-Story hier von Antony Johnston (Wasteland) und Wellington Alves neu interpretiert wird (Leseprobe).
„Für alle Fans von Ben Reilly und der KLON-SAGA!“ schreit Panini im Ankündigungstext zum ersten Band der neuen Reihe Scarlet Spider von Chris Yost und Ryan Stegman. Mal sehen, ob es die tatsächlich gibt. Die Serie ist jedenfalls ein Seitenprojekt zu Spider-Man und handelt von Peter Parkers Klon Kaine, der ebenfalls im Spinnenkostüm herumturnt, allerdings nicht in New York, sondern in Houston, Texas (Leseprobe).
Der französische Verlag Hachette ist ein Spezialist für sogenannte „Partworks“, der diverse Sammelobjekte in Serienform am Kiosk veröffentlicht. Das können Modellautos, Schiffsbausätze, Taschenuhren, DVD-Reihen oder das Gallische Dorf von Asterix sein – nun gibt es auch eine Reihe mit insgesamt 60 Comicbänden: Die offizielle Marvel-Comic-Sammlung erscheint alle 14 Tage und enthält jeweils eine gesammelte Storyline in einem Hardcover-Band. Die Serie dürfte zu den ganz wenigen Comics gehören, die aktuell mit Werbespots im Fernsehen beworben werden. Die erste Ausgabe (Spider-Man: Heimkehr von Straczynski und Romita Jr.) gab es zum Einstiegspreis von 3,99 Euro, die zweite (Astonishing X-Men: Begabt von Whedon und Cassaday) für 8,99. Ab Nummer 3 (Iron Man: Extremis von Warren Ellis und Adi Granov), die heute erscheint, kosten alle Bände 12,99 Euro. Panini ist als Kooperationspartner mit im Boot und steuert Übersetzungen und Bonusmaterial bei. Wenn sich die deutsche Ausgabe an der Hachette-Reihe orientiert, die seit einem Jahr in Großbritannien läuft, erwarten uns noch einige empfehlenswerte Klassiker wie Frank Millers Daredevil: Born Again oder Kurt Busieks Marvels. Infos und Abomöglichkeiten unter zeit-fuer-superhelden.de, die Kollegen von Splashcomics haben Hintergründe zu dem Projekt gesammelt.
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AUS FRANKREICH UND BELGIEN
Die Noir-Reihe von Schreiber & Leser bekommt wieder Zuwachs: Mit Marilyn the Wild adaptiert der Franzose Frederic Rebena einen Krimi von Jerome Charyn aus den Siebziger Jahren, dessen Held Isaac Sidel ein Polizist der besonders hartgesottenen Sorte ist. Eine Kostprobe gibt’s hier.
Und hier kommt Beweisstück 2 für die These, dass 2013 ein sehr gutes Jahr für Kindercomics werden könnte: Benni Bärenstark, geschaffen von Schlümpfe-Erfinder Peyo, kehrt zurück. 1971 kam er in Fix & Foxi erstmals nach Deutschland, zwischen 1980 und 2004 gab es zwölf Alben bei Carlsen, nur das 13. und bislang letzte ist bisher bei uns nicht erschienen. Nun übernimmt Toonfish, Splitters Label für Kinder- und Funny-Comics, und bringt zeitgleich sowohl den 13. Band als auch eine Neuauflage des ersten Albums. Die Teile 2 bis 12, alle neu koloriertund neu übersetzt, folgen in den nächsten Monaten. (Leseproben zu Band 1 und Band 13)
Zum 75. Geburtstag von Spirou, der 1938 seinen ersten Comic-Auftritt hatte, legt Carlsen eine schöne Spezialausgabe auf: Das sehr empfehlenswerte Spirou-Album Porträt eines Helden als junger Tor von Emile Bravo aus dem Jahr 2009 (unsere Rezension) in einem Jubiläumsschuber, der zwei Hardcover enthält: einmal den fertigen Comic und zusätzlich eine Skizzenversion der kompletten Geschichte.
Ein Shonen-Manga made in France ist die Serie Dreamland von Reno Lemaire. Es geht um einen Jungen, der zwischen der realen und der Welt der Träume hin- und herreisen kann und bietet eine genretypische Mischung aus Action und klamaukigem Humor. In Frankreich ist die Reihe ein Bestseller mit fünfstelligen Auflagen. Auf der Tokyopop-Website gibt es dazu nicht nur eine ausführliche Leseprobe, sondern auch ein großes Gewinnspiel.
Die Ehapa Comic Collection veröffentlicht wieder eine französische Albenreihe komplett im All-in-One-Format: Das Grab Alexanders des Großen von Isabelle Dethan und Julien Maffre ist eine Abenteuergeschichte um rivalisierende Archäologen, die im ahr 1858 in Ägypten auf der Suche nach dem Grabmal von Alexander dem Großen sind (PDF-Leseprobe).
Eine dreiteilige Adaption des Klassikers Der Glöckner von Notre Dame erscheint beim Splitter Verlag. Robin Recht und Zeichner Jean Bastide adaptieren Victor Hugos berühmten Roman in einem sehr gefälligen Semi-Funny-Stil (Leseprobe).
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AUS ENTENHAUSEN
An den Kiosken bringt Egmont Ehapa die neue sechsbändige Reihe Lustiges Taschenbuch Fantasy, die im Zweimonatsrhythmus erscheint. Der erste Band enthält neun italienische Duck-Stories, die alle mit Elementen des Fantasygenres spielen. Die vier langen Geschichten darin sind Nachdrucke aus alten LTB-Ausgaben, dazu gibt es einige Einseiter und kurze Gagstories als Erstveröffentlichungen.
Auch der Verlagsbruder Ehapa Comic Collection, der für den Buch- und Comichandel zuständig ist, legt bekanntlich immer wieder neue Variationen von Disney-Comics auf. Im Januar war das der erste von zwei Fähnlein Fieselschweif-Bänden, die alle Geschichten aus der Feder von Carl Barks enthalten, die sich um die Pfadfindergruppe von Tick.Trick und Track drehen. Die Hardcover-Reihe Enthologien ist mittlerweile bei Band 16 angekommen, besteht mittlerweile aber nur noch aus identischen Nachdrucken der Reihe Lustiges Taschenbuch Spezial. Der 16. Enthologien-Band „Der Duck der Dinge“ entspricht inhaltlich dem LTB Spezial 9 „Sagenhaftes Entenhausen“ von 2003.
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AUS ASIEN
Carlsen Manga startete im Januar die Serie Devils and Realist von Utako Yukihiro und Madoka Takadono. Der Manga, zu dem gerade auch eine Anime-Umsetzung angekündigt wurde, dreht sich um den Sprössling einer reichen Familie, der im Keller des elterlichen Anwesens auf einen Dämon trifft, der direkt aus der Hölle kommt – und dort herrscht gerade ein Wahlkampf, in dem zahlreiche Dämonen versuchen, Luzifers Stellvertreter zu werden.
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SEKUNDÄRLITERATUR
Der Taschen Verlag glänzte im vorletzten Jahr mit dem wuchtigen Coffee-Table-Book 75 Years of DC Comics von Paul Levitz (unsere Rezension). Nun legt man noch einmal mit einer weiteren Edition nach, die auf dem voluminösen Werk basiert, aber über weitaus mehr Bilder und teilweise erweiterte Texte verfügt. Die Reihe besteht aus fünf Einzelbänden, die die Geschichte von DC Comics chronologisch abhandeln, und beginnt mit The Golden Age of DC Comics, das die Zeit von 1935 bis 1956 abdeckt. Die Bücher sind im Format kleiner und handlicher und im Preis erschwinglicher (wobei alle fünf Bände zusammen letztlich noch mehr kosten als die 150 Euro, die für den Großband fällig werden). Einige Beispielseiten sind hier zu sehen.