Der Kri-Ticker

Der Kri-Ticker #58


Diesmal mit dabei: Wut im Bauch 2, Shenzhen, Dipperz 3, 300, Selbstunfall, Hammerharte Horrorschocker 10, White Trash Girls 1 , Didi & Stulle 5 und 5 1/2, Unheimlich Sonderheft 1: Heinweh, Der Tod und Das Mädchen 2, Luna 1, Lost at Sea, Ganz großes Kino, Asanghia 1, Spartaco und Meister Lampe
Besprochen von Thomas Kögel (tk), Benjamin Vogt (bv), Jan Dinter (jd) und Frauke Pfeiffer (fp).

WUT IM BAUCH 2
Edition 52

Warum sieht man Barus Titelhelden Anton Witkowski in Rückblenden immer wieder vor Gericht stehen? Wie verlief seine Boxerkarriere bis zu jenem Zeitpunkt und wie geht die ganze Geschichte nach dem Prozess weiter?
All das kann man jetzt im zweiten Band von Wut im Bauch lesen. Baru verknüpft die Elemente darin sehr überzeugend, skizziert nicht nur die optische Entwicklung der Hauptperson. Die Figuren bleiben knallhart und kantig, wenn gleich Anton Witkowski, der halbtragische Boxchampion, im zweiten Teil durchaus bodenständiger wird und damit, ohne den innerlichen Selbstanspruch zu verlieren, zusätzlich an Sympathie gewinnt. So versöhnt er sich unter anderem mit seinem besten Freund und kehrt in seine alte Siedlung zurück. Zwei Fixpunkte seiner Vergangenheit, die sich aufgrund seines Ruhmes und Erfolges verloren.
Baru, der wieder unheimlich schöne Bilder und Emotionen darzustellen weiß, hört jedoch bei der Vorantreibung Witkowskis und den Abschluss der Erzählung nicht auf. Seine Leistung in diesem Band erstreckt sich mithilfe des weiterführenden Epilogs auf das sozialkritische Abbild einer aufgewühlten französischen Gesellschaft. Dies, sicher auch in Hinblick auf aktuelle reale Ereignisse in Frankreich, und den daraus resultierenden Effekt mit in die Handlungsebene einzubauen, ist der große Verdienst von Baru, der mit Wut im Bauch nicht nur der Karriere seiner Figur Anton Witkowski, sondern auch seiner eigenen comickünstlerischen einen Glanzpunkt verleiht. bv

SHENZHEN
Reprodukt

Guy Delisle, geboren und aufgewachsen in Québec und inzwischen in Frankreich zu Hause, hat viel für Trickfilmstudios gearbeitet. Für einige Monate verschlug es ihn nach China, wo er die Produktion eines dortigen Studios überwachen sollte. Er landete in Shenzhen, einer der chinesischen Sonderwirtschaftszonen, wo Kapitalismus und Kommunismus sich die Hand geben und rasend schnell wachsende Boomtowns entstehen.
Delisle war völlig fremd in dieser Stadt, in diesem Kulturkreis, und die Sprache beherrschte er natürlich auch nicht. Seine vielfältigen Eindrücke von diesem Aufenthalt sind in diesem Band festgehalten – nicht als durchgehende Geschichte, eher tagebuchartig als kleine Episoden und Anekdoten. Shenzhen ist zwar autobiographisch angelegt und Delisle erzählt viel von sich selbst, dennoch ist das Buch kein Seelenstriptease, der viele intime Details offenbart. Delisle beschreibt eher kleine Alltagsszenen, Erlebnisse am Arbeitsplatz, kurze Begegnungen. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich nicht besonders wohl fühlt in dieser Stadt und recht erleichtert ist, wenn er wieder abreisen darf. Und trotzdem sind seine Erinnerungen nicht voller Frust, sondern strahlen Neugier und Interesse für eine andere Lebensweise aus. Vor allem aber lebt Shenzhen von einem leisen, sehr charmanten Humor. Delisle lacht über vieles, was er in China erlebt, aber er macht sich nicht lustig darüber. Shenzhen ist gleichzeitig eine hochinteressante und sehr amüsante Lektüre, und man darf sich jetzt schon darüber freuen, dass Delisle auch im nordkoreanischen Pjöngjang war und auch daraus einen Comic gemacht hat. tk
Guy Delisle berichtet von seinem Aufenthalt in Shenzhen, einer Küstenstadt in China, in der er die Leitung einer Zeichentrickproduktion übernahm. Delisles Schilderung seiner Erlebnisse und insbesondere seines monotonen Alltags skizzieren dabei ein nachvollziehbares Bild des kulturellen Schockes beim Einleben in die asiatische Lebensweise. Ein wenig an Craig Thompsons autobiografischen Comicbericht Tagebuch einer Reise (ebenfalls bei Reprodukt erhältlich) erinnernd, sammelt der Künstler alle möglichen Kleinigkeiten und verarbeitet sie in witziger Weise. Dass der Kanadier nicht nur zeichnerisches Wissen, sondern auch ein gutes Auge für surreale chinesische Gepflogenheiten besitzt, beweist er auf überragende darstellerische Weise. Immer wieder staunt und lacht der Leser dabei mit dem Autor über sich stetig wiederholende Themen, die ihn in Shenzhen beschäftigen, wie das Essen, die chinesische Auffassung von Arbeit und Freizeit und das sprachliche Missverständnis. Ebenso wie Craig Thompson beschreibt Guy Delisle sowohl die Menschen in seiner direkten Umgebung als auch die Bevölkerung an sich und schweift zudem in eine Beschreibung der für ihn im Blickfeld befindlichen Lokalitäten ab. Was den Band schließlich so unheimlich angenehm zu lesen macht, ist die nie langweilig werdende Schreibweise über viele verschiedene Aspekte des Aufenthaltes, gerade weil der Schreiber seine subjektive Wahrnehmung einzelner Abschnitte auf erfrischender Art und Weise zu vermitteln weiß. Und nebenbei darf „Shenzen“ wohl auch als einer der witzigsten autobiografischen Comics der letzten Jahre gelten. Nach dieser Lektüre ist es doch schön zu wissen, dass Reprodukt bereits weitere Bänden von Guy Delisle plant. bv

DIPPERZ 3
1982: GRÜNE HÖLLE – BLANKAS WEG
Dipperz 3Schwarzer Turm
Endlich mal wieder ein Comic, der eine grundsolide Geschichte erzählt! Keine Fantasy, nichts Autobiografisches, sondern eine – einfach erscheinende – Erzählung über vier Männer, die sich vorher nicht kannten, sich aber auf eine gemeinsame Suche machen. Sie wollen herauszufinden, was mit der über einem Dschungel abgestürzten Pilotin Blanka passiert ist, die ihnen allen etwas bedeutet hat, sei es als Ehefrau oder ehemalige Geliebte. Dabei kommt allerdings durch das etwas abgekaute Stilmittel „Tagebuch“, das sie im Wald finden, einiges an Licht, was manchen Dingen in ihrem Leben eine völlig neue Bedeutung verleiht …
Mit diesem Band, der eigentlich schon deutlich früher erscheinen sollte, wird die zweiteilige Miniserie „Grüne Hölle“ abgeschlossen (erster Teil in Dipperz 2). Andi Drudes Zeichnungen können auf ganzer Linie überzeugen. Sein geradliniger Stil wirkt nie aufdringlich, und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sind die Seiten wunderschön anzusehen.
Es mag sein, dass Robi sich bei Dipperz 3 schon warm geschrieben hatte, auf jeden Fall überzeugt diese Geschichte inhaltlich deutlich mehr als der erste Band von Luna. Zu erwähnen ist auch die schöne Aufmachung: außen laminiert, innen ein edler braun-weißer Druck auf mattem Papier.
Dipperz gehört wohl zu den Serien, die etwas untergehen in dem Wust der Neuerscheinungen. Dabei hätte sie deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Kaufempfehlung! fp

Dipperz 3 im Freibeutershop bestellen

300
Cross Cult

König Leonidas und seine spartanische, 300 Mann starke Leibgarde machen sich 480 v. Chr. Auf den Weg zum Thermophylen-Pass, um die feindlichen Perser abzuwehren. Sich in hoffnungsloser Unterzahl vorfindend, wird die Überlieferung der tapferen Mannen in der historischen Schlacht schnell zum Mythos. Frank Miller greift bei seiner Comicumsetzung des historischen Stoffes auf ein Erzählweise zurück, die, obwohl sie ein ganz anderes Setting aufweist, sehr mit dem seiner Serie Sin City zu vergleichen ist. Seine Spartaner stellt er als wagemutige Helden dar, denen Ehre und Pathos über alles geht. Ihre Kämpfe sind blutig und ihre Entschlossenheit spürbar. Sowohl Millers Bildkomposition als auch seine kernige, klare Schreibweise ist wohl durchdacht und als großes Szenario angelegt. Die Zeichnungen sind, wie vom US-Künstler gewohnt, nicht immer perfekt, dafür in jeder einzelnen Szenen überzeugend vermittelt, so dass sie ihre Wirkung auf den Leser brillant entfalten können. Lynn Varleys Kolorierung leistet ihr Übriges, mit erdigen Farben umschmeichelt sie dezent wie stimmungsvoll die Krieger und Schlachten. In Verbindung mit der reißerischen Darstellung zusammengerotteter Soldaten und der Nutzbarkeit des Widescreensformates (der Band erscheint im Querformat), ist somit einer Werk Frank Millers entstanden, das gerade zu nach einer Verfilmung schrie. 2007 soll es dann auch schließlich soweit sein und wenn die Adaption ähnlich detailgetreu und unverändert wie die von Robert Rodriguez Sin City vonstatten geht, kann man sicherlich viel erwarten. Der Comic und die klasse aufgemachte Neuausgabe von Cross Cult sind jedenfalls schon jetzt Klassiker. bv

SELBSTUNFALL
Selbstunfall (Moritz von Wolzogen)Amigo Press
Obwohl „Selbstunfall“ eins dieser netten deutschen Wörter ist, die es scheins nur in der Schweiz gibt, stammt der verursachende Künstler Moritz von Wolzogen aus Frankfurt/Main. Er hat eine Art Fanzine (oder besser Egozine) zusammengestellt, in dem er auf 28 Seiten acht seiner Geschichten und diverse Skizzen präsentiert, sehr unterschiedlich vom Fertigstellungsgrad. Da gibt es von Bleistiftzeichnungen (Ghostbusters), hingerotzten Seiten (Bookfair) bis hin zu fertig geinkten und ordentlich geletterten Beiträgen (Tram) alles, was man braucht, um den Zeichner beurteilen zu können: Moritz hat großes Talent; mit einem dynamischen, lockeren Strich setzt er seine Themen, in denen es oft um überbordende Fantasie im Alltag geht, unterhaltsam um. Dabei hat er sich schon einen deutlich eigenen Stil angelegt, der an so manchen Stellen recht elegant wirkt. Sehr viel versprechend. Arbeiten muss er noch an einigen überfrachteten Panels, die von den Zeichnungen her schwierig zu lesen sind, und am Lettering, das an vielen Stellen im wahrsten Sinne des Wortes unleserlich wird. Schön wäre es gewesen, in einem Vorwort ein wenig über den Künstler und die Intention dieses Zusammenstellung zu erfahren. 
Selbstunfall ist bereits knapp anderthalb Jahre alt, es findet seinen Weg in diesen Kri-Ticker, weil ich es auf diesem Salon erhalten habe. Vielleicht ist in der Zwischenzeit schon eine zweite Ausgabe in Vorbereitung? Es wäre zu wünschen. Dann aber besser mit einem Cover, das mehr zieht und sein Talent deutlicher darstellt.
Soviel ich weiß hat er keine Homepage, deshalb hier der Link zu seinem Thread im Comicforum. fp

Selbstunfall kann direkt bei Moritz für 3,- Euro bestellt werden ( moritzvonwolzogen (at) iesy.de ).

HAMMERHARTE HORRORSCHOCKER 10:
DIE TODESKICKER VOM FC MORD
Hammerharte Horrorschocker 10Weißblech Comics
Die Horrorserie von Weißblech, in der in jeder 30-seitigen Ausgabe zwei bis vier unheimliche Geschichten präsentiert werden, feiert ihr erstes Jubiläum. Besser als mit dieser Ausgabe konnten sie ihr zehntes Heft kaum begehen. Zwar wurde mit Cover und „Das Derby von Hadingen“ auf einen WM-Bezug nicht verzichtet, aber Klaus Scherwinski überzeugt zeichnerisch mit lockerem Strich – auch wenn es an manchen Stellen etwas zu hingehuscht aussieht. Schöne Inke/Farben. Anstatt sie vollständig zu erklären, hätte eine nur angedeutete Pointe der Story den letzten Pfiff gegeben. Begeistert bin ich von „Der schwarze Mann“. Hier regiert weniger Horror als ein Hausgeist, wunderschön detailreich und farbgewaltig umgesetzt von Carsten Dörr. Als einziges Manko fällt mir manch verschobene Perspektive auf. Weißblech-Hausherr Levin Kurio steuert nicht nur das Skript zum schwarzen Manne bei, sondern zeichnet sich dazu noch als Texter und Zeichner der Mafia-Erzählung „Nur ein Schlüssel“, die für mich im Vergleich die schwächste Geschichte ist, und das sehr interessante „Auf verlorenem Posten“ über einen Glaubenskonflikt zu Römerzeiten verantwortlich. Mit den dicken bzw. zahlreichen Tuschelinien kann ich mich aber einfach nicht bei Levins Zeichnungen anfreunden, egal ob sie von ihm oder im letzteren Fall von Heiner Stiller stammen. fp

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WHITE TRASH GIRLS 1
Schwarzer Turm

Nach längerer Ankündigung hat Schwarzer Turm zum Comic-Salon Erlangen endlich den ersten Comic von Verlagsneuzugang Benjamin „Benem“ Marquardt herausgebracht: White Trash Girls. Falls jemandem der Ausdruck nicht geläufig sein sollte; hinter der Formulierung „White Trash“ verbirgt sich die amerikanische Beschreibung des (a-)sozialen Bodensatzes, den man auch schon gerne mal mit Nettigkeiten wie Alkoholismus, Bildungsarmut, Kretinismus und Inzest assoziiert. Derart geschult folgen wir den drei sowohl familiär als auch sozial vernachlässigten Mädchen Annie, Katie und Melanie, die wir der Legalität halber mal achtzehn sein lassen wollen, durch ihren Alltag, der sich hauptsächlich durch Konsolenzocken, exzessiven Drogenkonsum und äußerst derben Sexspielereien zusammensetzt. Und damit wären wir auch schon mitten drin in der Hardcore-Sexunterhaltung, für die wir den Schwarzen Turm so lieben.
Dennoch ist White Trash Girls keines der üblichen Animierhefte zur Selbstbefleckung. Statt uns nämlich erotische Szenen mit liebreizenden Schönheiten vorzulegen, präsentiert Benem eine Mischung aus Sex und Gewalt, aus Körperöffnungen und Bierflaschen, die einem gewissen Prozentsatz der Leserschaft vielleicht anregend erscheinen mag, bei einem großen Teil jedoch eher mit dem Adjektiv „abartig“ abgehakt werden dürfte. Und genau hier gelingt Marquardt ein kleines Kunststück, denn seine schonungslos krassen Darstellungen, die über die Hälfte des Comics ausmachen, lassen keinen Platz für sinnliche Träumereien. Stattdessen führen sie rasch dazu, dass der Leser sich die Frage stellt, wie denn so etwas überhaupt sein kann, wodurch man Zugang zu der zerrütteten Psyche der Protagonistinnen erhält und sich stellenweise sogar Mitleid für diese gebrochenen Seelen regt. Prostitution zur Drogenbeschaffung ist nun mal nicht wirklich antörnend.
Leider ist die #1 von White Trash Girls mit ihren 28 vierfarbigen Seiten etwas knapp geraten (ein Eindruck, der von zwei transparenten Schmuckseiten und dem großen Format noch verstärkt wird), sodass man die angekündigte Sex ´n Crime-Story fürs Erste nur erahnen kann und sich mit einem Atmosphäre bildenden Einstieg zufrieden geben muss. Dieser lohnt sich aber allemal, denn Benems großartiger Acrylstil, der einen Vergleich mit Tanino Liberatore nicht zu scheuen braucht und hier trefflich sowohl innere als auch äußere Hässlich- und Zerbrechlichkeit ausdrückt, gehört mit zum Besten, was man derzeit unter gemalten Comics finden kann. Bleibt zu hoffen, dass die Startverzögerung dieses Comic-Debüts kein Vorzeichen für einen vorzeitigen Abbruch der Serie ist, denn dazu macht die Ausgabe trotz ihrer Unappetitlichkeiten zu viel Lust auf mehr. jd

Drei junge Mädchen führen ein ungezügeltes Leben, hauptsächlich bestehend aus Sex, Drogen und Kanonen. Auf 32 Seiten dokumentiert Benjamin Marquardt anhand seiner drei Girls den Verlust sozialer Hemmungen und präsentiert damit einhergehend die schonungslose Zügellosigkeit einer ganzen Generation.
Zumindest würde ich so oder so ähnlich das Grundkonzept von White Trash Girls beschreiben, wobei dann beim Lesen sehr schnell klar wird, dass dieses eher dem vorderen Schein dient. Das erste Heft macht mir zwar Spaß, schließlich kann man sich dem munteren Treiben dreier sexy Frauen als Mann einfach nicht entziehen. Dennoch bleibt die Erzählung lediglich ein Konstrukt mehrerer aneinander gereihter Szenen, die oftmals zu unvermittelt fortgeführt werden. Benjamin Marquardts Artwork, ein erfrischend malerischer Stil, der an den eines John Bolton oder Scott Hampton erinnert, nur mit etwas kräftigeren Farben. Diese beinahe schon verboten anregenden Bilder lassen der nicht jugendfreien Thematik genug Raum zur expliziten Darstellung. Bis auf ganz wenige Ausnahmen klappt das auch überraschend gut für einen Comicneuling.
Am optischen Eindruck gibts also kaum etwas zu bemängeln, der Schwachpunkt ist für mich persönlich der zu pornografische Schwerpunkt dieser Ausgabe. Die sollte man bei solch bitterbösen und süßen Mädels freilich nicht ganz ausblenden, aber so übertrieben wirkt es leicht billig. Ein bisschen mehr Inhalt als nur Story zum Zweck (dem Porno) wie bei verlagsverwandten Produkten hatte ich mir eigentlich schon erhofft. Trotzdem im Gesamten eine interessante erste Ausgabe, die aber bevorzugt von den Zeichnungen her überzeugt. bv

White Trash Girls 1 im Freibeutershop bestellen

DIDI & STULLE 5 UND 5 1/2
Didi & Stulle 5Reprodukt

Lange Zeit gab es keine neuen Didi & Stulle-Alben, doch jetzt legt Reprodukt nur wenige Monate nach dem vierten Band gleich zwei neue Alben vor. Der fünfte Band, „Die Galgenvögel von St. Tropez“, sammelt
wieder Comics, die in der Berliner „zitty“ erschienen sind. Teilweise ist das schon ein paar Jahre her und der aktuelle Bezug in den Strips, etwa Comedy à la Erkan und Stefan, oder die Boulevard-Eskapaden von Shawne Borer-Fielding wirkt schon ziemlich angegraut. Fils Comics sind in diesem Band manchmal noch eine Spur derber als gewohnt (manch einer würde auch sagen: geschmackloser), doch am stärksten sind die Strips immer dann, wenn Fil Themen aufgreift, die sonst eher in den Feuilletons und bei Sabine Christiansen behandelt werden. Wenn Stulle auf die Generationsgerechtigkeitsliga™ trifft, wenn sich der Alt-68er Rainer gegen eine Horde Skinheads verteidigt, und das wie immer im schnoddrigen Berliner Dialekt, dann ist das einfach nur erfrischend und wahnsinnig komisch. tk

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Didi & Stulle fünfeinhalbNoch mehr Berliner Wahnsinn gibt es im fünfeinhalbten Band. Der ist schwarzweiß, hat ein kleineres Format und wurde von Fil (mit Hilfe von ein paar Kollegen) in nur zwölf Stunden während der Langen Buchnacht im Schaufenster des Comicladens Modern Graphics gezeichnet. Die Gags fallen hier etwas flacher aus als in den regulären Strips, die Zeichnungen noch ein wenig grober, aber für Fans von Didi & Stulle ist auch dieser Band ein Muss, allein schon wegen der schönen Geschichte mit dem Magic Dragon. tk

UNHEIMLICH SONDERHEFT 1: HEIMWEH
GComic bei Edition 52

Alex Fechner versüßt uns die Wartezeiten auf das zweite „richtige“ Heft der neuen ambitionierten neuen Comicserie Unheimlich – Lovecraftian Horror mit einer von ihm gestalteten Kurzgeschichte. Diese führt mit Alrik dem Wikinger einen neuen Protagonisten ein und verleiht mit dieser groben, kriegerischen Hauptfigur Fechners neuestem Werk gleichsam den mythologischen Charme längst vergangener Tage. Die Story ist kurz gehalten und prägnant erzählt. Der schlichte Titel „Heimweh“ zeugt ebenso wie „Unheimlich“ von einer einfachen Nachvollziehbarkeit des mit einer solchen Namensgebung bezweckten Stimmung. Fechners Wikinger spricht in ebenso knappen Worten, die Suche nach seinem Heimatdorf wird zum Grundthema, das den Schockern in der Rückblende und der Auflösung am Ende zu Grunde liegt. Alriks geführter Monolog, der sich durchs ganze Hefte zieht, wirkt an mancherlei Stelle zu hölzern, darum ein kleiner Minuspunkt in der textlichen Ausführung. Aber gerade was die zeichnerische Ebene angeht, so kann man nur sagen, dass Alex Fechner sich zunehmend noch besser präsentiert: Dichte, detailreiche Bilder wissen auf wenigen Seiten zu faszinieren. Freilich immer noch stark an Mignola erinnernd, aber mit ganz gutem Gespür für die Platzierung der Panels und dynamisches Storytelling. bv

DER TOD UND DAS MÄDCHEN 2
Die Biblyothek
Vor etwas über einem halben Jahr wurde das erste Drittel des 1. Teils der Geschichte über den personifizierten Tod und das Mädchen, das ihm von der Schippe gesprungen ist und das er jetzt verfolgt, um sie ihrem Schicksal zuzuführen, veröffentlicht (wir berichteten ausführlich). Nun ist also der zweite Band erschien, der dritte ist für den Herbst angekündigt.
Dabei basiert diese Serie auf einem Webcomic, der sehr erfolgreich auf dem Comickanal des ORF online lief, bis dieser Bereich eingestampft wurde. Nina Ruzicka entschloss sich, die Strips (die sich von anfangs eher funny allmählich zu einer ernsteren Geschichte entwickeln, in der nicht jedes drittes Panel eine Pointe bieten muss) im Print zu veröffentlichen. Dabei bietet jeder Band eine immense Anzahl an exklusiven Strips, die es nicht online zu lesen gibt. Außerdem gibt sie Hintergrundinformationen zu diversen geschichtlichen oder kulturellen Bezügen, die sie in ihrer Erzählung aufgreift.
Ein sehr interessantes und ungewöhnliches Projekt, das uneingeschränkt weiter zu empfehlen ist für Leute, denen der Gedanke an eine Romanze zwischen dem cholerischen Tod in Person und einer harte-Schale-weicher-Kern-Zicke nicht völlig abstrus vorkommt. fp

Eine zweite Rezension zu diesem Band findet Ihr hier. bv

ACHTUNG: wir verlosen je einen Band von Der Tod und das Mädchen 1 und 2! Einsendeschluss ist jeweils der 6. August 2006. Ihr könnt nur an einer der zwei Verlosungen teilnehmen.

Für Band 1: Schickt eine mail mit dem Betreff TuM 1 mit der Antwort auf „Wo wohnt Nina Ruzicka?“ und Eure Postadresse an gewinnen (at) comicgate.de
Für Band 2: Schickt eine mail mit dem Betreff TuM 2 mit der Antwort auf „Wie lautet der Name des Mädchens?“ und Eure Postadresse an gewinnen (at) comicgate.de

Auf der Seite von Nina kommt Ihr den Lösungen bestimmt näher.

Der Tod und das Mädchen 2 bestellen

LUNA 1
Schwarzer Turm

Respekt für Robi und Toni Greis (das Erfolgsteam von Alraune) für die Idee eine Science-Fiction-Serie. Man merkt schon nach sehr wenigen Seiten, dass sich hinter dem bezaubernden Titelbild der Beginn einer ausgefeilten, intergalaktischen Eigenwelt verbirgt. Obwohl die Geschichte mit vielen, leicht überambitioniert angebrachten, Details aufwartet, ist sie andererseits recht unbefriedigend. Lediglich oberflächlich bleibt die geschichtliche Einführung und die Charakterisierung der Personen, die dank den Zeichnungen von Toni Greis wunderhübsch anzusehen sind, deren immer wieder dargestellte Freizügigkeit aber an gleich mehr als einer Stelle deplatziert und gezwungen wirkt. Auch das bisher zu sehende Konzept der Serie löst bei mir eher Stirnrunzeln aus, bietet die Idee einer von Frauen regierten und Männer unterdrückenden Zivilisation doch wenig Neues und die Handlung springt zu oft und zu wenig nachvollziehbar zwischen mehreren Situationen.
Letztlich ist Luna vor allen Dingen ein nett anzusehender Comic, der einen Toni Greis auch in einem neuen Gebiet sehr gut aussehen lässt, der aber nach einer Ausgabe storytechnisch deutlich zu seicht daherkommt. bv

Eine zweite Rezension zu Luna findet sich hier bei den ausführlichen Besprechungen. fp

LOST AT SEA
Modern Tales
Lost at Sea
ist nach Breakfast at Noon der zweite Comic, den das neue Unterlabel von eidalon, Modern Tales, herausbringt. MT wendet sich dabei an das erwachsenere oder zuweilen auch an das erwachsen werdende Publikum. Letzteres wird von dieser Geschichte anvisiert. In einer Art Roadmovie/-comic wird von der 18-jährigen Raleigh erzählt, die mit ein paar Schulkameraden unterwegs ist, aber gar nicht wirklich weiß, warum. Eigentlich ist sie auf der Suche nach ihrer Seele. Sie ist sich sicher, dass sie von einer Katze geraubt wurde, die Viecher sieht sie nämlich überall. Nur schwierig kommt sie mit den anderen ins Gespräch, welche eigentlich auf ihrem „Schulabschluss-Selbstfindungstrip“ sind und Raleigh eher zufällig aufgegabelt haben. Das Mädchen flüchtet sich während der Fahrt – wie schon ihr Leben lang – in Tagträume und Vergangenes, und nur langsam kommt es zu einer Interaktion mit den anderen dreien und schließlich zu einem versöhnlichen Ende.
Es passiert eigentlich nicht viel in dem schön reduziert illustrierten Lost at Sea, und trotzdem jede Menge. Die Teens lernen aufgrund einer quasi Zwangssituation mit der Andersartigkeit der anderen umzugehen und erfahren dadurch auch mehr über sich selbst. Die Selbstzweifel und die Verwirrtheit über diese komische Welt da draußen hat sicher jeder beim Erwachsenwerden kennen gelernt, und auch ein paar tröstliche Weisheiten kommen einem auf angenehme Art und Weise bekannt vor. Allerdings ist mir der Comic an manchen Stellen schon zu verschwurbelt und pseudophilosophisch. Wie nun mal viele 18-Jährige so sind (Rezensenten nicht ausgeschlossen). fp

GANZ GROSSES KINO
Toonlight
14 (größtenteils ambitionierte Hobby-) Cartoonzeichner haben sich zusammengetan, um im Eigenverlag Cartoons rund ums Thema Kino und Filme zu sammeln. Dabei sind die meisten extra für diesen Band gezeichnet wurden, so dass hier kaum „Zweitverwertung“ betrieben wird.
Herausgekommen ist ein buntes Sammelsurium von Cartoons, von bitterböse über saukomisch bis hin zu geschmacklos ist alles dabei. Sicherlich ein schönes Mitbringsel, aber der Beschenkte sollte schon Kinofan sein, sonst wird er den Band nach zehn Seiten frustriert zur Seite legen. Etwas chaotisch erschien mir die thematische Zusammenstellung der Cartoons. Mal waren ein paar gebündelt zum selben Film, dann kamen ein paar wahllose Beiträge, nur um dann wieder zurückzuschwenken auf den bereits abgehandelten Streifen.
Nettes Gimmick: über einen Code aus dem Band erhält man über die Website noch Zugang zu Extras.
Was einen großen Reiz ausmacht, ist gleichzeitig auch ein großes Problem: So viele Zeichner zum selben Thema ist an sich eine interessante Sache. Aber sowohl das zeichnerische als auch das inhaltliche Niveau schwankt doch erheblich, und selbst von ein und demselben Cartoonisten bekommt man auf der einen Seite einen Brüllerwitz und auf der nächsten ein laues Lüftchen geliefert. Eine Vorauswahl und der Mut, auch mal „nein, das kannst Du besser“ zu sagen, täten dem Projekt gut. Dann steht weiteren erfolgreichen Veröffentlichungen nichts im Wege. fp

ASANGHIA 1 – DER VORLESER DER VAM-PYRÄI
Epsilon
Epsilon wartet nach A.K.A. mit einer neuen Eigenproduktion auf, die im Gegensatz zum o.a. Band eher das gestandenere Publikum ansprechen dürfte. Im frankobelgisch angehauchten Stil erzählt Martin Frei eine klassische, abgeschlossene Abenteuergeschichte um die zivilisierte Vampirin Asanghia, die in der Minensiedlung Doathan auf dem Planeten Gharan lebt und dort mehr geduldet denn als gleichwertig angesehen wird. Ihre „wilden“ Artgenossen (und die sind eine der Überraschungen des Bandes) bereiten sich zum Angriff auf die Siedlung vor. Doch einer der Wilden wechselt die Seite, verschafft dadurch den Belagerten einen Vorteil und unversehens muss sich sich Asanghia als Kämpferin für die Menschen erweisen…
Frei ist Profi, zeichnerisch gibt es deshalb nix zu bemängeln, obwohl ich meine persönliche Abneigung gegen die aufgespritzten pinkfarbenen Lippen der Dame äußern muss. Wirklich mitreißen tun mich seine Bilder aber auch nicht, etwas mehr Dynamik ab und zu wäre nicht schlecht. 
Das Story-Grundkonzept klingt wenn nicht neu, dann trotzdem interessant genug. Allerdings kann mein Interesse nicht so richtig aufrecht erhalten werden. Es ist zugegebenermaßen nicht einfach, eine komplette neue Welt inklusive funktionierender Handlung auf 48 Seiten unterzubringen, da müssen storytechnisch ein paar Opfer gebracht werden. Trotzdem sollte man den Protagonisten besser in die Geschichte einbringen können. Obwohl man Asanghia auf vielen Seiten sieht, bleibt sie eine blasse, matt wirkende Hauptfigur, mit der man nicht wirklich warm wird. Die mitunter durchblitzende altbackene Moral und ein naseweiser Zwerg, der schon bei Feldhoff/Schulz in Berlin 2323 nicht lustig war, komplettieren den Eindruck, um zu sagen: sorry, nicht mein Fall. fp

SPARTACO – REISEN EINES EPIZENTRIKERS
Edition 52
Bereits 1982 erschuf Lorenzo Mattotti Il Signor Spartaco, in dem ein Zugreisender wegdöst und in eine Traumwelt hineingleitet. Seine Kindheit vermischt sich mit Ängsten und Gedanken, und in einer beeindruckend farben- und formenprächtigen Welt erlebt Herr Spartaco sein inneres Selbst.
Zum Comic-Salon 2006 hat Edition 52 diesen Klassiker auf schwerem hochwertigem Papier neu aufgelegt und ihn mit Skizzen und einem Vorwort von Marc Voline liebevoll gestaltet.
Dabei ist dieser Comic sicherlich nur etwas für ein kleineres Publikum; zu sehr geht er schon in die künstlerische Richtung, die nicht mehr eine einfache Erzählung in den Vordergrund stellt, sondern sich statt dessen hauptsächlich durch Formen und Farben ausdrückt.
Von dem Cover sollte man sich nicht abschrecken lassen – Mattotti weiß durchaus Menschen als Menschen zu zeichnen; das Titelbild zeigt Spartaco mit einer afrikanischen Maske, wie sie für eine Zeitlang im Comic vorkommt. fp

MEISTER LAMPE
Reprodukt

Meister Lampe ist ein Hase – und er ist Elektriker. Er heuert bei einer kleinen Firma an und ist dort der Spezialist für alles, was Strom braucht. Leider hat Meister Lampe eine sehr ungünstige Eigenschaft: Immer, wenn er in der Nähe ist, geben sämtliche technische Geräte den Geist auf oder fangen an zu spinnen. Ob Kopierer, Computer oder Rolltreppen: nichts bleibt heil.
Wie man aus dieser recht simplen Grundidee einen höchst amüsanten Zeitungsstrip machen kann, beweist Mawil mit diesem kleinformatigen Bändchen (das etwa doppelte Kreditkartengröße hat). Die

Meister-Lampe-Strips, zunächst erschienen in der Tageszeitung Welt Kompakt, erzählen kleine Gags in jeweils vier Panels, ergeben aber am Stück gelesen auch längere, fortlaufende Geschichten. Zum Beispiel die unheilvolle Dienstreise nach Japan, die in einem unfreiwilligen Urlaub auf Mallorca endet. Meister Lampe stolpert unbeholfen durchs Leben, seine Sätze sind eher gestammelt als gesprochen, und diese tapsige Art führt dazu, dass ihm niemand böse sein kann. Weder sein Chef noch die süßen, minirocktragenden Büroangestellten und schon gar nicht der Leser. Der hat nämlich eine Menge Spaß mit dem ganzen Chaos. tk

Bildquellen: comiccombo.de, reprodukt.com, freibeutershop.de, ganzgrosseskino-buch.de

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