Diesmal mit dabei: Insomnia 1, A.L.I.E.E.N., Das Malträtieren unvollkommener Automaten, Honey Talks!, Der Tod und Das Mädchen 2, Marvel Monster Edition 12: Captain America, Die Unschuldigen, Elbschock! 1, The Doom Patrol Vol. 1: Crawling From The Wreckage, Monipodio! 2: Turris Babel, Aria – The Uses Of Enchantment, Tonto 8: Stormy, Reinventing Comics und Die Katze des Rabbiners 4: Das Irdische Paradies.
Besprochen von Jens Häuser (jh) und Benjamin Vogt (bv).
INSOMNIA 1
Avant-Verlag/Kollektion Ignatz
Treffen sich vier Skelette zum Skatspielen… Hört sich an wie ein Beginn eines Witzes, gereicht aber auch durchaus zur recht lockeren Einführung einer undurchsichtigen Comicreihe. Einer solchen bedient sich der Amerikaner Matt Broersma im ersten Band seiner Ignatz-Publikation Insomnia. Die Herrenrunde zu Beginn fungiert dabei, soweit Broersmas Werk überhaupt in der Gesamtheit interpretierbar bleibt, als Geschichtenerzähler, also als verlängerter Arm des Autors. Auf den darauf folgenden Seiten: Die Erzählung von Marco Clay, der sich auf der Flucht befindet.
Der leicht verschwommene Zeichenstil wirkt ungewohnt, hat aber einen gewissen Charme. So passen die ungeraden Striche vor blau-mattiertem Hintergrund sehr gut zur langsamen und ziemlich freien Erzählung. Diese lässt zwar bislang einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen kaum erahnen, fasziniert aber aufgrund der wirren Idee und der Undurchsichtigkeit. Matt Broersma, ein in Deutschland zuvor unbekannter Künstler, legt mit Insomnia weder einen einschläfernden Comic vor, noch löst er eine schlaflose Nacht aus. bv
A.L.I.E.E.N.
Reprodukt
Mit dem Erwerb dieses Comicbandes hält man nicht mehr und nicht weniger als eine Sensation in den Händen. Denn es handelt sich um den ersten Comic für außerirdische Kinder, den Lewis Trondheim zufällig bei einem Picknick fand und alsbald seinem Verlag zum originalgetreuen Abdruck vorschlug. Zumindest will uns das der Franzose tatsächlich weismachen. Auf den Seiten tummeln sich allerhand unspezifische Wesen, die irgendwie auf eine für Menschen unbegreifliche Weise miteinander zu interagieren scheinen. Hin und wieder bedienen sie sich auch sprachlicher Mittel, an deren Interpretationsversuch man als menschlicher Leser aber schnell scheitert. Die Welt von A.L.I.E.E.N. ist aber auch sowas wie der Mix aus oberflächlicher Niedlichkeit und unerwarteter (und sinnfreier) Brutalität à la Happy Tree Friends. Auch deshalb ist man auf jeder Seite aufs Neue versucht, die Frage nach Sinn und Unsinn zu stellen. Wollte der Macher dieses außerirdischen Comicabenteuers seiner Leserschaft etwa gewollt eine willkürliche Erzählweise vorsetzen? So recht glaub ich am Ende dann doch nicht daran. Wiederholen sich doch bestimmte Figuren in allen Teilabschnitten wieder und lassen sich sogar Ansätze eines moralischen Konstrukts innerhalb der Aliengesellschaft ausfindig machen.
Schlussendlich ist der von Trondheim gefundene Comic weder kindertauglich noch so ganz ernst zu nehmen, aber vor allem eins: verwirrend. Verblüffend ist aber mitunter auch, das der extraterrestrische Comiczeichner, der für dieses Heft verantwortlich ist, mit seinem Zeichenstil und ruhigen Art des Humor-/Gewalteinsatzes schon sein ein bisschen trondheimerisch wirkt. bv
DAS MALTRÄTIEREN UNVOLLKOMMENER AUTOMATEN
Rowohlt
Das neue Werk vom Dreamteam Max Goldt und Stephan Katz überrascht kaum. Aber das ist gar nicht negativ gemeint. Man kennt das ja von den Zweien, diese widerborstigen Cartoons, die von bekloppten One-Pagern bis zu hintersinnigen Kurzgeschichten reichen. Das beginnt schon beim merkwürdigen Titel des Buches, der in tief verbundener Tradition wortwitzreicher Publikationen wie Das Salz in der Las-Vegas-Eule oder Oh Schlagsahne! Hier müssen Menschen sein steht, und reicht bis zum nicht ganz leicht zu verdauenden Inhalt. Aber trotzdem macht’s Spaß. Offenbar auch den Juroren des Max-und-Moritz-Preises diesen Jahres, die „Das Malträtieren unvollkommener Automaten“ in gleich zwei Kategorien vertreten wissen wollte. Max Goldt wurde als „Bester Szenarist“ ausgezeichnet, außerdem war das Buch nominiert als „Bester deutschsprachiger Comic“. Und das ist für einen halb-humorigen Band mit einem Pinguin und einem Kühlschrank auf dem Cover ja gar nicht mal so schlecht und auch nicht so wirklich ungerechtfertigt. bv
HONEY TALKS!
Stripburger
„Comics inspired by painted beehive panels“, klingt komisch, erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als ungemein gut gelungenes Projekt des slowenischen Verlages Stripburger. Der Hintergrund: Damit Bienen zu ihrem jeweiligen Stock zurückfinden, wurden die Holzbretter, durch deren unteres Ende die Bienen hineinflogen, farbig bemalt. Bevorzugt im 19. Jahrhundert wurde daraus dann eine eigene Kunstform, indem man richtige Gemälde auf dem Holz hinterließ. Und so zählen Bienenstockmalereien auch heute noch zur traditionellen slowenischen Folklore. Dem huldigen die Jungs von Stripburger also und veröffentlichten mit Honey Talks! eine kleine feine Box mit neun länglichen Comics (das Format hält sich recht genau an das Aussehen der Originale, sogar an die Aussparung für den Bieneneinflug wurde gedacht), bei denen neun verschiedene Künstler jeweils die Bedeutung eines der Originalgemälde frei interpretieren und eine Geschichte daraus stricken. Die Umsetzungen sind sehr variantenreich: War man im 18. bis 19. Jahrhundert, als sich diese Kunstform etablierte, noch insbesondere darauf bedacht, Kampfszenarios darzustellen oder sozialkritische Themen zu verarbeiten, so gehen die Comickünstler von heute in ihren eigenen Versionen ganz unterschiedliche Wege. So wird vom lustigen über das kriminalistische Genre bis hin zur surrealen oder märchenhaften Ebene fast alles bedient. Und das in ausnahmslos beeindruckender Weise, was aber aufgrund der internationalen Zeichnerschar (ua. mit Anke Feuchtenberger und Rutu Modan) auch nicht verwundert. Atemberaubend schön. bv
www.stripburger.org
DER TOD UND DAS MÄDCHEN 2
Die Biblyothek
Eine junge Frau wird vom Tod heimgesucht. Dieser kommt ganz klassisch und mit gehörigem Stolz mit Kutte und Sense daher. Doch so ganz ohne Probleme kann auch der Tod nicht seinem Job frönen, denn das Mädchen, wohlwissend um ihr drohendes Schicksal, kennt die Spielregeln und tut deshalb alles um ihren Verfolger abzuschütteln. Soweit die bisherige Geschichte, die man in Band 1 der Österreicherin Nina Ruzicka nachlesen konnte. Anspruchsvolle Situationskomik, gesammelt in einem Album, dessen Erstauflage sogar schon vergriffen ist. Und das zurecht. Jetzt gibt’s also endlich den zweiten Teil. Und auch der büßt nicht viel von seinem besonderem Charme ein. Inhaltlich schlägt Ruzicka eine neue Richtung ein. Wo die beiden Protagonisten zuvor noch verbitterte und permanent streitende Gegenspieler waren, bahnt sich nun sowas wie unkonventionelle Sympathie ihren Weg zwischen das Mädchen und den Tod.
Es ist äußerst interessant, die beiden bei der Wandlung ihrer Beziehung zu verfolgen. Aus Feindschaft wird Arrangement, aus Zweckbündnis wird… ja, vielleicht sogar Liebe. Die Handlung wird dadurch zwar ein wenig seichter, ist aber immer noch urkomisch und äußerst klug in Szene gesetzt worden.
Ohne wenn und aber also, eine absolute Kaufempfehlung auch für diese neueste Publikation der Wiener Künstlerin. Brillant. bv
MARVEL MONSTER EDITION 12: CAPTAIN AMERICA
Panini Comics/Marvel Deutschland
Dem altgedienten Weltkriegsveteranen Captain America wurde mal wieder ein Relaunch gegönnt, die neue Serie wird von Ed Brubaker (Gotham Central, Catwoman, Sleeper) geschrieben. Panini präsentiert uns seine ersten beiden längeren Stories kompakt in einer gewaltigen Monster-Edition. Und obwohl Brubaker darin mit mit Caps nicht so recht enden wollenden Vergangenheitstraumata und vorhersehbaren Auftritten von Red Skull, Nick Fury und Sharon Carter auf Altbewährtes setzt, gelingt es dem Autor, spannende Plots zu etablieren, die dank etlicher Rückblenden den Nährboden für schockierende Wendungen bereiten. Das Gute an der deutschen Umsetzung: Die wirklich weitreichende Geschichte, die sich schon jetzt über zig US-Hefte hinzieht, ist aufgrund des dicken Formats in einem großen Happen zu lesen, was den Lesefluss sehr fördert. Das Schlechte: Die teilweise sehr düsteren Zeichnungen von Steve Epting und Michael Lark finden auf dem rauen Papier kaum Anerkennung, sie wirken deshalb äußerst unpassend auf diesem „billigen“ Papier, das Schwarztöne ganz schlecht aussehen lässt. Andererseits kann man ja froh sein, dass die von Kritikern hochgelobte Reihe überhaupt das Licht der Welt auf dem deutschen Markt erblickt. bv
DIE UNSCHULDIGEN
Avant-Verlag/Kollektion Ignatz
Giuliano unternimmt mit seinem Neffen Andrea eine Fahrt zum Meer. Dort will Giuliano seinen alten Freund Valerio treffen, der zwölf Jahre hinter Gittern verbringen musste. Unterwegs erzählt Giuliano seinem Neffen von seiner und Valerios gemeinsamer Jugend, in der sie in der Vorstadt von Polizisten schikaniert wurden. Genau jene Erlebnisse, die auch damals zu Valerios Festnahme führten.
Der italienische Zeichner und Autor Gipi beeindruckt und überrascht mal wieder. Diesmal hat er sich für die Kollektion Ignatz seines Kollegen Igort eine Kurzgeschichte über zwei Freunde ausgedacht, deren Leben ab einem bestimmten Zeitpunkt in verschiedene Richtungen verlief. Diesen weiß Gipi mit Hilfe einiger Rückblenden genau zu datieren und legt damit genau den Finger auf die Wunde, denn dadurch erklärt er die Figur des Valerio, der zwar immer wieder als der mit Vorsicht zu genießende Bekannte von damals deklariert wird, im Grunde aber lediglich ein Produkt der unglücklichen Umstände seiner Jugend ist.
Die Unschuldigen ist eine Parabel übers Erwachsenwerden, über Motiv und Unschuld. In sich schlüssig und sehr intelligent umgesetzt. bv
ELBSCHOCK! 1
Alligator Farm
Huch, was haben sich Karl Nagel und seine Crew von der Alligator-Farm dabei nur gedacht? In Comicform lassen sie Gewalt, Terror und schreckliches Grauen auf die gute alte Stadt Hamburg einprasseln. Die WM im eigenen Land wird zur Brutstätte von Anschlägen und Nazi-Gewaltbereitschaft, der brave Fan zum Flüchtigen im allgemeinen Chaos. Ein Alptraumszenario! Und das ist lediglich die Beschreibung einer der sechs Geschichten der ersten Ausgabe. Des weiteren enthalten sind so heikle Themen wie Kannibalismus, Geißelnahme, ein fast zum Tode gehungertes Kind und Alien-Schaulustige während der ultimativen Zerstörung der Erde. Harter Tobak also. Einiges ist direkt an die aktuelle Realität in Deutschland angelehnt, so dass trotz fast klassisch endenden Horrorkurzgeschichten der Bezug zum Hier und Jetzt nie ganz verloren geht.Elbschock! überspitzt diskret und weist auf Missstände in unserer Gesellschaft hin, nicht ohne dabei natürlich auch ein bisschen zu provozieren, z.B. wenn auf Seite 1 ein Mann mit dem Kopf einer Frau auf eine Tankstelle zuläuft. Das erinnert nicht von ungefähr an den Vorfall von Eißendorf kürzlich.
Also, darf Karl Nagel so „brutal provozieren“ (Hamburger Morgenpost)? Natürlich, denn er zeigt prekäre Situationen lediglich als ein Abbild dessen was sie wirklich sind, nämlich unfassbar. Der Rest ist dann amüsante Ausschmückung und gut erzählter Schockmoment. Die Zeichnergarde ist so imposant wie abwechslungsreich und nur ganz selten hat man das Gefühl, dass in dem wenigen Platz einer Episode die Erzählweise von den imposanten Bilder überrannt wird. Mit Elbschock! 1 ist den Crocos aus Hamburg auf 64 Seiten ein interessantes Heft mit tollen Stories gelungen. Ein nicht allzu teures, polarisierendes Schundheft zum Einstecken und Mitnehmen, mit Ecken und Kanten und heimatbezogenem, selbstdestruktivem Charme. bv
THE DOOM PATROL: CRAWLING FROM THE WRECKAGE
DC Comics/Vertigo
Grant Morrison hat sich mittlerweile einen recht guten Ruf damit gemacht, alten Comichelden einen neuen Anstrich zu verpassen. Mittlerweile hat man ihn unter anderem an die Justice League und die X-Men Hand anlegen lassen. Ende der Achtziger hatte DC ihm die Wiederbelebung der Doom Patrol aufgetragen, an der sich Morrison kreativ austoben konnte.
Die seltsame Gruppe – im Kern bestehend aus einem menschlichen Hirn in einem Stahlkörper, einer Patientin mit multiplen Persönlichkeitsstörungen, die ihr je nach angenommener Persönlichkeit Superkräfte geben, und einem von negativer Energie besessenen Hermaphroditen – erinnert eigentlich weniger an ein Superheldenteam als an eine Selbsthilfegruppe. Diese Charaktere werden in absurde und surreale Fälle verwickelt, in denen Morrison fest auf den gedanklichen Putz aus Philosophie, Linguistik und Kunst haut, ohne die Comic-Vergangenheit der Charaktere aus den Augen zu verlieren. Die Doom Patrol kämpft hier unter anderem gegen einen gottgleichen Jack the Ripper und ausgesprochene Gegner der Realität, hat aber die ganze Zeit Probleme mit ihrer eigenen Identität, ist sie doch eine Art Justice League für besonders groteske Fälle (sie bewohnt ein ausgemustertes Quartier der JLA).
Die Mischung aus Tragik, Komik und einer Menge Kreativität macht Lust auf mehr. Die alte Serie selbst muss man nicht unbedingt gelesen haben, um hier seinen Spaß zu finden. jh
MONIPODIO! 2: TURRIS BABEL
Monipodio
Eines der schönsten Indie-Projekte das ich in der letzten Zeit in den Händen halten durfte, kommt aus Italien. Die zweite Konzeptausgabe von Monipodio! bietet eine Menge internationaler Künstler, die den Turmbau zu Babel in größtenteils bezaubernder Weise thematisieren. Dabei ist es natürlich nicht nur logisch, dass die berühmte Sprachverwirrung (meist auf lustige Art und Weise) mit in den Beiträgen verarbeitet wird, was bis zu in Fantasiesprache sprechenden Figuren führt. Nein, auch die Zahl der unterschiedlichen Sprachen, die die Künstler verwenden (je nach Herkunftsland) passen zu diesem Band wie die Faust aufs Auge. Und zum Glück wird am unteren Rand alles in Englisch übersetzt, auch die deutschen Beiträge übrigens, was aus dieser Sicht auch mal nett zu lesen ist.
Inhaltlich wechseln sich die Zeichenstile ab und gehen in vollkommen verschiedene Richtungen. Ein wundervolles Heft, das trotz Turm zu Babel-Thematik fast ohne Sprachbarrieren auskommt. bv
www.monipodio.net
ARIA – THE USES OF ENCHANTMENT
Infinity
Die in New York lebende Feenprinzessin Kildare erhält eine Einladung für das Fest zum Jahrestag des Hauses Entyre. Doch dort angekommen, stellt Kildare die oberflächlich freundliche Fassade schnell in Frage. Sie engagiert sich als Ermittlerin, um die Geheimnisse des regierenden Königs Oberon aufzuklären und aus dem fantastischen Reich zu fliehen. Es bleibt ihr auch keine große Wahl, sieht sich Kildare doch zunehmend Gefahren ausgesetzt.
The Uses of Enchantmentist eine weitere interessante Miniserie aus dem Aria-Universum (die erste erschien vor ein paar Jahren bei Generation Comics). Die Erzählung ist aber auch unabhängig von jeglichen Vorkenntnissen zu genießen. Brian Holguin führt die hübsche Kildare in eine faszinierende Welt voll märchenhafter Magie, sprechender Tiere und sonstiger fabelhafter Bewohner. Dass gerade die Dreck am Stecken zu haben scheinen, ist dann nicht weiter verwunderlich, ist doch die Hauptfigur von Anfang an skeptisch ob dieser Einladung. Gerade diese Brisanz zwischen heiler Welt und Scheinkönigreich mündet dann aber in ein bemerkenswertes Finale mit überraschendem Ausgang.
Die Zeichnungen sind malerisch schön und wirken gerade durch die seichte Farbgebung wie aus einem Märchenbuch. Kein Wunder, ist doch der Zeichner Lan Medina schon mit der Vertigo-Serie Fables in Sachen bezaubernder Fantasiewelt geübt.
Was Holguin und Medina vollbrachten ist eine nette Geschichte, die auch für Einsteiger ein in sich abgeschlossenes Kapitel enthält und mit allerlei Einfallsreichtum aufwartet. Trotzdem ist man, gerade vom überragenden Fables, das optisch zuweilen in eine ähnliche Richtung geht, ein so hohes Fantasy-Niveau gewohnt, dass das neue Kapitel von Aria nicht unbedingt über die Bewertung „Ganz nett“ hinauskommt. bv
TONTO 8: STORMY
Tonto
Das Buch zum internationalen Tonto-Comicfestival 2004 in Graz, dort wo sich zum zweiten Mal die österreichische Comicszene traf. Und schließlich kam man nicht nur allein des Zusammenkommens wegen, sondern auch um sich mitunter kreativ zu betätigen. Im traditionellen 24-Stunden-Zeichnen kamen durchaus sehr originelle Beiträge heraus, die die Organisatoren des Festivals und Vertreter der Künstlergruppe Tonto Helmut Kaplan und Edda Strobl nun reichlich verzögert noch in einem Band zusammenfassen. Als achte Ausgabe innerhalb der verlagsinternen Nummerierung, besteht Stormy- Topografien des Jenseits jetzt quasi als eindrucksvolle Werksschau der österreichischen (und ein bisschen über dessen Grenze hinaus) Comicschaffenden, die, obwohl die meisten Beiträge unter Zeitdruck entstanden sind, etliche qualitativ hochwertige Stories vorlegt. Ganz großes Indie-Kino. bv
comics.tonto.at
REINVENTING COMICS
DC Comics/Paradox Press
Scott McCloud hatte es 1993 geschafft, einen sehr lesenswerten Comic über Comics zu schreiben. Understanding Comics präsentierte die historische Entwicklung, die narrative Form des Mediums und einige gute Gedanken, wie Comics funktionieren. Die Ideen in diesem Buch waren wirklich gut und man kann dem Buch guten Gewissens die Höchstnote geben.
Die im Jahre 2000 erschienene Fortsetzung von Understanding Comics mit dem frechen Namen Reinventing Comics (dt. Comics neu erfinden bei Carlsen) versucht zwar inhaltlich an den Vorgänger anzuknüpfen, aber dies gelingt leider nur schleppend. Nicht, dass es ein durchweg schlechtes Buch wäre. Es ist ein moderat langweiliges Buch, in dem der Autor – aufgeteilt in zwei größere Abschnitte – erstens die Entwicklung der Comicindustrie, und was dabei schief gelaufen ist, beschreibt und zweitens einen Ausblick auf die Zukunft des Mediums in Verbindung mit der neuen Technologie (Computern und diesem Internet, von dem alle immer reden) gibt. Allerdings verläuft die ganze Sache eher mühsam, so dass die guten Stellen des Buches sich auf zu viele träge Seiten verteilen. Aber es gibt sie. Das Buch ist teilweise recht informativ, aber nicht so gut, wie man nach Lektüre des ersten Bandes erwartet. Lieber die ca. 20 Euro in den ersten Band stecken. jh
DIE KATZE DES RABBINERS 4: DAS IRDISCHE PARADIES
Avant-Verlag
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie scheint mir Joann Sfars Katze im vierten Band immer mal wieder realistischer zu wirken als sie vom Künstler tatsächlich darzustellen versucht wird. Vielleicht kommt das daher, dass der Schwerpunkt der Geschichte nicht mehr auf der Sprachbegabung der Katze liegt, denn diese Fähigkeit besitzt sie ja nicht mehr. Oder dass sie überhaupt in dieser Ausgabe mehr in den Hintergrund tritt. Sie mutiert in Das irdische Paradies vom zynischen Wesen zum Erzähler. So bekommen wir die Geschichte vom Malka der Löwen erzählt, von dem auf den Straßen Legenden kursieren und dessen vermeintlicher Tod kolportiert wird. Die Katze des Rabbiners begleitet den Malka und seinen Löwen auf seinem Weg durch die Lande, zwischen Abenteuer und Alterserscheinung. Angekommen in der nordafrikanischen Heimat sehen sich die drei Gefährten dann jedoch mit alltäglicheren Problemen konfrontiert.
Joann Sfar skizziert zu guter Letzt den Konflikt innerhalb der Bevölkerung, thematisiert Fremdenhass. Hierzu leitet er seine heldenhafte Erzählung des Malka direkt in den sozialkritischen Bereich über. Sfars Charaktere dienen ihm dabei als Überbrückung, die die Handlung immer wieder zusammenhält. Steht Sfars Katze, die übergreifende Hauptfigur in seiner Serie, und deren häufig variierende Darstellung zum Ende des Bandes hin also für die thematische Wandlung eines brillant inszenierten Comics? Wer weiß, auf jeden Fall ist es auch hierbei erstaunlich zu verfolgen, als wie facettenreich und einordnungsresistent sich diese Albenreihe erweist. bv