Da acht Jahre eine lange Zeit sind, ist es wohl angebracht, den Comic erstmal vorzustellen, denn in der Zwischenzeit sind etliche Leser nachgewachsen. Krigstein ist ein sehr überdrehter, actionreicher Comedy-Comic, der während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland spielt. Ohne Rücksicht auf Political Correctness spinnt der Tübinger Haimo Kinzler, der in den Neunzigern mit den Comics um Herr Wüttner und Frau Kleinschrott sehr erfolgreich war und dafür 1998 den Max-und-Moritz-Preis erhielt, ein verrücktes Garn, in dem feine Ironie und kleine Wortspiele (das fängt ja schon beim Titel an) genauso Platz haben wie alberne Kalauer. Die Geschichte schlägt muntere Kapriolen und zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass der Leser die vermeintliche Hauptfigur namens Krigstein weder im ersten noch in den beiden neuen Bänden zu Gesicht bekommt.
Haimo Kinzler erzählt:
Es sind eigentlich drei Geschichtenstränge. Man hat hier nicht nur Asterix und Obelix, die rausgehen und jemanden verkloppen, sondern ich habe gleich mit drei Geschichten angefangen. Einfach aus einer Laune heraus, um einen neuen Stil auszuprobieren und um mich von anderen Jobs zu erholen. Krigstein ist ohne jegliches Konzept entstanden, ich habe einfach drauflosgezeichnet und das gemacht, worauf ich Lust hab.
Es spielt am Ende des 2. Weltkriegs und bietet deshalb auch eine Bühne für jede Menge Action. Es gibt Nazis auf der Flucht, mysteriöse U-Boot-Besatzungen, von denen man noch nicht so genau weiß, was sie so machen. Alle scheinen ein Ziel zu verfolgen. Einer muss einen Koffer transportieren, von dem offenbar ganz viel abhängt, andere sind nur auf der Flucht, andere erwarten jemanden, werden aber enttäuscht, weil niemand kommt.
Ich versuche viel mit Stimmungen zu arbeiten und mit komischen Situationen. Ich habe bis heute nicht entschieden, welcher sich als Haupt-Erzählstrang herauskristallisiert, es sind immer noch drei Erzählebenen. Im vierten Band werden's sogar vier, weil es einen Zeitsprung zurück zum 1. Weltkrieg geben wird, außerdem sollen auch die 50er Jahre mit dem Wirtschaftswunder schon mit reinspielen.
Man merkt dem Autor und Zeichner im Gespräch an, dass er viel Spaß an Krigstein hat und mit großer Begeisterung daran arbeitet. Das war nicht immer so, eine Zeit lang hat Kinzler sogar gar nicht gezeichnet:
Zu der langen Pause kam es, weil meine Frau und ich nochmal Kinder gekriegt haben. Ich hatte plötzlich Jobs, die mich sehr gut ernährten, die ich aber auch pflegen musste. Ich schrieb Drehbücher, z.B. für Käpt'n Blaubär, Texte für Fix & Foxi und sowas. Ich hatte einfach keine Zeit mehr zum Comics zeichnen. Ich hatte das Zeichnen sogar ganz aufgegeben und kam übers Cartoonzeichnen wieder dazu. Ich habe Cartoonbücher für Subito gemacht und die Seite sonntagsauch.de mit täglichen Cartoons. Dabei kam der Spaß am Zeichnen zurück. Herr Wüttner und Frau Kleinschrott hatten sich totgelaufen in meinen Augen. Immer die selben Figuren zu zeichnen, darauf hatte ich keinen Bock mehr. Was lag also näher, als mit völlig anderen Figuren neu anzufangen? Da boten sich eben diese anthropomorphen Tierfiguren an, die auch recht einfach zu machen waren. Trondheim war damals in aller Munde. Ich dachte aber eher an Disneys Lustige Taschenbücher. Diese klare Charakterisierung durch Rassenzugehörigkeit passt ja auch ganz gut in diese Zeit… Bei mir sind die Nazis alles andere als reinrassig, aber das haben sie damals auch festgestellt. Und nach der Kinderpause hatte ich wieder jede Menge Bock auf Krigstein.
Kinzler setzte sich also wieder an den Zeichentisch und produzierte dabei soviel Stoff, dass man bei Zwerchfell gleich Material für zwei Bände hatte: Die reguläre Fortsetzung von Band 1, der mit einem Cliffhanger geendet hatte und die Nullnummer, die die Vorgeschichte einer Figur erzählt. Zwerchfell-Redakteur Stefan Dinter meint dazu:
Haimo schickte mir die ersten 30 Seiten von Krigstein 2, die komplett anders aussahen als die jetzigen 30 Seiten, weil darin tatsächlich der Herr Krigstein vorkam; diese Szenen sind dann wieder komplett rausgeschnitten worden. Und er erzählte mir, dass er noch eine Vorgeschichte hätte, wie der Gefreite Kat Kadz an den Koffer gekommen ist, um den es da geht. Wenn ich da schon gewusst hätte, dass Haimo das sowieso auf 15 verschiedenen Zeitebenen verschachtelt, hätte ich gesagt, das schmeißen wir in Band 5. So aber klang es ganz gut als etwas, das man als kleinen, kostengünstigen Appetitanreger anbieten kann. Ich glaube, für eine Menge Leute ist es mit Band 0 einfacher, die Story zu verstehen.
Anders als die erste Ausgabe, die schwarz-weiß erschien, sind die neuen Bände koloriert (und zwar in einer recht eigenwilligen Art und Weise, die an alte Comics erinnert, wo man beispielsweise bei Lucky Luke zwischendurch auch mal eine komplett rote Figur vor einem knallgelben Hintergrund sehen konnte). Kinzler sagt, er habe auch Band 1 schon so gezeichnet, dass man es hätte kolorieren können, und wenig schwarze Flächen verwendet.
Dazu Stefan Dinter:
1999 war es für Zwerchfell komplett unmöglich, etwas in Farbe rauszubringen. Damals hatten wir noch zwei deutsche Druckereien, die uns einfach keinen guten Preis für Farbdruck machen konnten. Wir hatten aber eine supergute Schwarz-Weiß-Druckerei.
Es gab dann natürlich das Problem, dass Haimo sich seiner Familie gewidmet hat und erst mal weg war. Die Leute kaufen es eigentlich nur, wenn sie wissen, dass der Zeichner weitermacht. Und wenn der Zeichner weg ist und was anderes macht, glauben die Leute nicht mehr an einen zweiten Band. Ich selber habe auch mit keiner Faser meines Seins daran geglaubt, dass Haimo nochmal ankommt und sagt „Ich mach jetzt Krigstein weiter“. Und bei der Fortsetzung gab es nur die Möglichkeit, es in Farbe zu machen, weil in Schwarz-Weiß kriege ich sowas heutzutage nicht mehr verkauft. Jetzt haben wir aber auch noch jede Menge unverkaufte Exemplare von Krigstein 1 rumliegen, die können wir auch nicht einfach einstampfen und neu kolorieren. Jetzt machen wir es lieber so und machen noch einen schönen Schuber dazu. Man kann dann alle drei Bände zum gleichen Preis zusammen kaufen und bekommt noch ein bisschen was dazu. So fällt es den Leuten dann vielleicht leichter zu sagen „Okay, ich kaufe das, obwohl der mittlere Teil schwarz-weiß ist“.
Der erwähnte Schuber ist gerade erst fertig geworden – mehr dazu am Ende des Artikels. Und zum Comic-Salon im Mai soll bereits der dritte Band kommen, der komplett fertig gezeichnet ist, während Kinzler schon eifrig am vierten Band zeichnet. Kostproben aus den künftigen Storys kann man übrigens bei krigstein.de sehen, wo der Zeichner fast täglich neue Häppchen hochlädt.
Auf die Frage, ob es einen Masterplan gäbe, wo die turbulente Geschichte hinführe, antwortet Kinzler:
Oh, es gibt verschiedene Masterpläne… Wenn ich so wahnsinnig wäre wie Leute, die über Fantasy-Kerker schreiben (Anm. d. Red.: gemeint ist Donjon von Sfar und Trondheim), hätte ich gesagt Krigstein -99 bis Krigstein 50. Das kann ich so nicht sagen. Der Plan ist, dass eine Art Chronik von zwei deutschen Staaten draus wird, mit Figuren, die wild hin und her wechseln. Irgendwann muss ich dann den Erzählstil wechseln, weg vom Epischen, und auf kleine Episoden gehen. Bisher habe ich sehr epische Szenen, in denen ein Flugzeugabsturz zehn Seiten dauert. So kannst du nicht ökonomisch arbeiten, wenn du ein Epos machen willst. Ich denke, dass ich in Band vier damit anfangen werde, kleine Geschichten auf 15 bis 20 Seiten zu erzählen von den Figuren, die plötzlich 30 Jahre später agieren. Die sich etabliert haben und dann plötzlich etwas völlig anderes darstellen. Die alte Problematik, dass nach dem Krieg jeder seine Geschichte neu erfunden hat und nicht mehr wissen wollte, was vorher war.
Beim ersten Band hab ich im Erzählfluss mehr Platz gelassen, da gibt es auch mal Seiten ohne Text. Band 2 geht da hektischer weiter. Der dritte Band ist dann wieder sehr sehr optisch ausgerichtet, es gibt viel Action mit wenig Text.
Nachdem Haimo Kinzler schon auf Lewis Trondheim und dessen Donjon-Comics angespielt hat, fragte ich ihn nach der Ähnlichkeit zwischen seinen Tierfiguren und denen von Trondheim.
Ich finde nicht, dass es „voll Trondheim“ ist. Da gibt es ganz andere Trondheim-Epigonen. Trondheim ist viel niedlicher. Ich arbeite halt wie er mit Tierfiguren. Aber das taten auch Disney oder Kauka, oder Walt Kelly mit Pogo. Das steckt dahinter. Vom Stil her war eher Hans-Jürgen Press mein Vorbild, der hat Der kleine Herr Jakob gemacht, mit ganz reduzierten Zeichnungen, oder Die Abenteuer der schwarzen Hand, Krimigeschichten mit Wimmelbildern. Da habe ich sogar im zweiten Krigstein-Band ein paar dieser Bilder zitiert. Die stecken bei mir im Hinterkopf, seit ich diese Bücher vor ein paar Jahren wiederentdeckt habe. Das ist also eine kleine Hommage, ein kleiner Tribut an Press.
Es steckt noch viel mehr drin: Nick Knatterton, zum Beispiel. Dass es Tierfiguren sind, kommt vor allem auch daher, dass es viel einfacher ist, verschiedene Figuren zu unterscheiden. Realistische Menschen zu zeichnen ist für mich zu schwierig, da lag das nahe. Außerdem wollte ich eine Verfremdungsebene. Es sollte kein realistischer Stil sein, sondern wirklich eine durchgeknallte Sache. Damals habe ich viel von Carl Barks gelesen. Es bringt viel mehr, das mit Tieren zu verfremden. Nazi-Schweine auch als richtige Schweine zu zeichnen, liegt für mich einfach näher.
Schweine sind viele der Protagonisten in Krigstein tatsächlich. Es gibt kaum sympathische Figuren, fast jeder ist mehr oder weniger ein Schurke.
Das ist schon ein Problem, das ich auch erkenne, wenn ich mir das aus etwas Entfernung anschaue: Ich habe ziemlich viele extrem negative Charaktere, bei denen ich allerdings in Zukunft versuchen werde, ein paar positive Seiten rauszukitzeln und zu erklären, wie sie so geworden sind. Ich meine, ich will hier kein Verständnis für Nazis erwecken, von daher kann man sie nicht zu positiv darstellen. Aber in der Masse sind sie schon ziemlich fies. Selbst wenn sie verbündet sind, versuchen sie zehn Seiten später, sich gegenseitig umzubringen. Im dritten Band sind sie dann schon wieder versöhnt, es ist alles ziemlich sprunghaft.
Das Schlusswort überlassen wir nochmal Stefan Dinter, der nicht nur Redakteur von Krigstein ist, sondern auch Fan:
Für mich ist das immer noch der zynischste und auch wahrhaftigste Comic über den 2. Weltkrieg. Die Aussagen der Bösen sind teilweise sowas von abgefeimt, dass mir das mehr Verständnis über die Nazis bringt als irgendein straighter Comic über das „Dritte Reich“ oder sowas wie Der Untergang.
Krigstein – Der Schuber: Enthält Krigstein 0, 1 und 2 sowie eine limitierte Feldpostkarte und ein von Haimo Kinzler signiertes Schmuckblatt.
Limitiert auf 200 Exemplare, 22 Euro (weniger als die Summe der drei Einzelbände!). Erhältlich ab 31.3. beim Comicfachhändler oder
Krigstein – Die Verlosung: Zusammen mit dem Zwerchfell Verlag verlosen wir ein besonderes Einzelstück: den Standproof der Druckerei von Krigstein 2. Alle Seiten als s/w-Ausdruck der montierten Druckseiten, auf DIN A4 gefaltet, signiert von Haimo Kinzler.
Gewinnen kann, wer die Antwort auf die folgende Frage bis zum 4.4.2008 an krigstein(at)comicgate.de mailt: „Wie heißt die Parodie einer weltbekannten Comicfigur, die in Krigstein auftritt?“
Abbildungen: © Haimo Kinzler und Zwerchfell Verlag, Foto: © Thomas Kögel