Zum Beginn des neuen Jahres ist die 106. Ausgabe des Fachmagazins Comixene an Bahnhofskiosken und im Fachhandel erhältlich. Das Titelthema lautet „Comics 2.0 – Die digitale Revolution“. Thomas Kögel und Frauke Pfeiffer haben den Großteil des Leitartikels geschrieben. Neben einem umfassenden Überblick über die Entwicklung und das aktuelle Geschehen der digitalen Bilderwelten (zum Beispiel selber publizieren im Internet, Finanzierung, Präsentationsportale, Blick in die USA, Auszeichnungen, Bezahlmodelle, Lesegeräte) haben wir einige Macher befragt und stellen Euch acht Webcomics vor. Wir präsentieren Euch hier als Leseprobe die ersten vier Seiten des 13-seitigen Artikels.
UPDATE 14.01.2010: Leseprobe mehr als verdoppelt
Comic 2.0 – Die bunte Welt der digitalen Bildergeschichten
Noch immer werden sie von einem Großteil der Szene schlicht ignoriert – die vor allem über das Internet vertriebenen digitalen Comics. Dass dies ein großes Versäumnis ist, soll auf den nächsten Seiten klar werden, die auch eine Auswahl digitaler Comics vorstellen.
Als im Jahr 2000 Scott McClouds Buch Reinventing Comics (dt. Comics neu erfinden) auf den Markt kam, erlebte das Internet seinen ersten großen Boom (der wenig später unter dem Namen „DotCom-Blase“ sein unrühmliches Ende fand). Es herrschte Goldgräberstimmung im Web, unzählige neue Unternehmen wollten online Geld verdienen, Börsenkurse von Webfirmen stiegen in den Himmel.
Es war also naheliegend, dass McCloud dem Internet ein umfangreiches Kapitel widmete. Unter den von ihm postulierten „Zwölf Revolutionen“, die den Comic verändern würden, waren „Digital Delivery“ und „Digital Comics“ zwei zentrale Punkte. Die unbeantwortete Frage, wie ein problemlos funktionierendes Bezahlsystem für digitale Inhalte aussehen könnte, war ihm dabei durchaus bewusst, er zeigte sich aber sehr optimistisch, dass sich hier bald ein guter Weg finden würde. Und wenn dies dann eingetreten sei, man also als Comic-Schaffender von Online-Comics leben könne, wäre der nächste Schritt ein kreativer: Comics könnten sich vom traditionellen Trägermedium Papier lösen und völlig neue Wege gehen. Comic-Geschichten müssten nicht mehr in einzelnen Seiten erzählt werden, zwischen denen der Leser blättert, sondern hätten praktisch eine „unendliche Leinwand“ zur Verfügung. Auch das Prinzip des „Links“, der den Leser von einem Punkt zum nächsten trägt, könnte auf kreative Weise genutzt werden. McCloud selbst versuchte sich auf seiner Website an digitalen Comics, war damit aber nicht sehr erfolgreich.
Inzwischen ist die DotCom-Blase zwar längst geplatzt, doch heute ist das Internet mehr denn je ein selbstverständlicher Lebensbestandteil für viele Menschen. Die meisten Anwender haben mittlerweile einen breitbandigen, pauschal bezahlten Zugang (Flatrate) und können dadurch ohne zusätzliche Verbindungskosten beliebige Inhalte schnell abrufen. Das macht den Computer zur Medienzentrale, mit dem man Radio hören, fernsehen, telefonieren und Zeitung lesen kann.
Was McCloud mit seinen digitalen Comics vorschwebte, ist in dieser Form nicht eingetreten. Auch Comics, die ausschließlich online erscheinen, halten sich überwiegend an konventionelle Formate und erzählen Strip für Strip oder Seite für Seite. Und ein wirklich breit akzeptiertes und leicht benutzbares Bezahlsystem, das auch für kleine Beträge funktioniert, ist bis heute nicht etabliert worden. Stattdessen sind für viele Benutzer Online-Inhalte gleichbedeutend mit kostenlosen Inhalten. Trotzdem ist das Netz heutzutage eine unerschöpfliche Quelle für Comics jeder Art, und zwar in einer Menge, die längst nicht mehr zu überblicken ist. Das Verzeichnis www.thewebcomiclist.com listet allein 14.100 englischsprachige Online-Comics auf, auch auf www.webcomicsnation.com sind eine Unmenge Webcomics vielfältigster Art zu finden. Für frankophile Leser ist die Seite www.coconino-world.com zu empfehlen, die 2009 bereits ihr zehnjähriges Bestehen feiert und mittlerweile laut eigener Aussage 35.000 Comic-Seiten beheimatet.
Dabei ist der Begriff Web-Comic oder Online-Comic gar nicht so leicht zu definieren. Die Wikipedia formuliert es so: „Webcomics sind Comics, die vorrangig oder ausschließlich über das Internet publiziert werden.“ Daneben gibt es zahlreiche Comics, die primär gedruckt vertrieben, aber parallel auch im Netz veröffentlicht werden, wobei die Reihenfolge dabei variieren kann und die Übergänge fließend sind. Solche nicht primär für das Internet gedachten, aber trotzdem dafür aufbereiteten Comics umschreibt man häufig mit dem Begriff „digitale Comics“ – wobei in letzter Zeit auch Comics für elektronische Lesegeräte so bezeichnet werden.
Die erfolgreichsten Web-Comics folgen dabei überwiegend dem Modell, möglichst täglich einen Strip zu veröffentlichen, so wie es der amerikanische Zeitungs-Comic seit gut 100 Jahren vormacht. Die einzelnen Folgen können in sich abgeschlossene Episoden oder Gags sein und/oder gemeinsam längere Handlungsbögen ergeben. Im Gegensatz zu den Zeitungs-Comics, deren Verbreitung zumeist in der Hand zentraler Syndikate liegt und die strengen formalen Konventionen unterliegen, haben Web-Comics sehr viel mehr kreative Freiheiten. Ohne diese formalen und inhaltlichen Restriktionen konnte das Web zur Spielwiese für alle möglichen Stile und Formen werden bis hin zu schrägen Ansätzen wie den Dinosaur Comics von Ryan North (www.qwantz.com), bei denen jeder einzelne Strip aus den gleichen sechs Panels besteht und sich nur in den Texten von den anderen unterscheidet. Die thematische und stilistische Bandbreite von Web-Comics ist inzwischen fast ebenso grenzenlos, vielfältig und unübersichtlich wie das Netz selbst. Sogar einen Podcast (eine – meist regelmäßig stattfindende – Sendung im Internet mit gesprochenen Beiträgen und Diskussionen, oft mit mehreren Teilnehmern) über Web-Comics gibt es, deren einzelne Folgen man sich auf www.webcomicbeacon.com anhören kann.
Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit
Auffällig ist, dass viele der erfolgreicheren amerikanischen Web-Comics aus einem Szeneumfeld kommen, für das der Computer beziehungsweise das Internet ein zentraler Lebensbestandteil ist. Eisner-Award-Gewinner PvP – Player vs. Player von Scott Kurtz (www.pvponline.com) spielt in der Redaktion einer Computerspiel-Zeitschrift. In Ctrl+Alt+Del von Tim Buckley (www.ctrlaltdel-online.com) sind die Hauptfiguren exzessive Videospieler, ebenso wie in Penny Arcade von Jerry Holkins und Mike Krahulik (www.penny-arcade.com) oder Fred Gallaghers Megatokyo (www.megatokyo.com). Und der Strichmännchen-Comic xkcd von Randall Munroe (www.xkcd.com), einem studierten Physiker, ist thematisch eng mit der Onlinekultur und ihren Phänomenen verknüpft. Diese Comics treffen ihre Zielgruppe dort, wo sie sich ohnehin aufhält. Die genannten Serien gehören zu der kleinen Gruppe von Web-Comics, deren Schöpfer von ihnen leben können – wobei die Comics selbst kostenlos angeboten werden. Beispiel Penny Arcade: Wurden zunächst auf der Website Spenden gesammelt, finanziert sich die Serie mittlerweile durch Werbung und Merchandise (zum Beispiel T-Shirts, Poster und gedruckte Sammelbände). Außerdem werden Holkins und Krahulik von Spiele-Herstellern immer wieder um Promo-Comics zu ihren Spielen gebeten, was natürlich gut bezahlt wird. Mit den vielen Besuchern auf der Penny-Arcade-Website erreichen die Macher eine große Aufmerksamkeit, die sie auf vielerlei Art zu nutzen wissen: Seit 2004 veranstalten sie ein jährliches Festival für Videospielfans namens Penny Arcade Expo (PAX), zu dem 2008 über 58.000 Besucher strömten. Und jedes Jahr zu Weihnachten gibt es die große Spendenaktion Child’s Play zu Gunsten von Kinderkrankenhäusern. Hier kamen im letzten Jahr über 1,4 Millionen US-Dollar zusammen.
Webcomic: Owls von Martin Ernstsen auf www.electrocomics.com |
So weit ist man in Deutschland noch längst nicht. Zwar ist auch hierzulande das Vorgehen üblich, dass der eigentliche Web-Comic kostenlos konsumiert werden kann. Die Zugriffszahlen auf die einzelnen Künstlerseiten und die Bereitschaft der Leser, eine Art Bezahlung zu hinterlassen, reichen hingegen nicht mal ansatzweise aus, um von Bannereinblendungen, Verkauf von Merchandise oder von Spenden, welche schnell und international über Online-Bezahldienste abgewickelt werden, leben zu können. Ein weiterer Grund ist natürlich der, dass man in deutschsprachigen Länden generell Probleme hat, mit Comics seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ausnahmen wie Joscha Sauer, der seit dem Jahr 2000 etliche Cartoons ins Internet stellt (www.nichtlustig.de), bis er 2003 – nach Jahren erfolgloser Verlegersuche – von Carlsen entdeckt wurde und nun von seinen Nichtlustig-Produkten leben kann, gibt es sehr selten. Weitere Finanzierungsansätze sind nur begrenzt durch die Fantasie der Zeichner.
So bietet Sarah Burrini (www.sarahburrini.com) gegen einen geringen Obolus Zugang zu Premium-Inhalten wie Desktop-Wallpaper oder den Entstehungsprozess ihres Hauptprojekts, dem Comic Das Leben ist kein Ponyhof. Um sich keiner Leserschaft zu verschließen, veröffentlicht sie ihre Serie gleichzeitig auf Deutsch und Englisch – genauso wie Oliver Knörzer und Zeichnerin Powree mit ihrer Geschichte über Sandra und ihren sprechenden Waschbären Woo, die seit etwa einem Jahr online ist und zweimal pro Woche ein Update erfährt. Nach eigener Aussage hat die deutschsprachige Version sandraundwoo.de nur drei Prozent der Zugriffe der englischsprachigen Seite www.sandraandwoo.com. Dies bestätigt die Vermutung, dass die deutschsprachigen (Web-)Comics in Dingen wie Bekanntheit und Akzeptanz Jahre hinter der Entwicklung ihrer US-Äquivalente hinterherhinken.
Sehr verbreitet zur Finanzierung ist auch – und hier kommen die Online-Schaffenden wieder zurück zum klassischen Comic – das Abdrucken von erfolgreichen Webcomics in Sammelbänden. Häufig enthalten diese noch Bonusmaterial wie Extraseiten, Skizzen oder Anekdoten als Kaufanreiz wie zum Beispiel die aktuell drei Alben von Nina Ruzickas Der Tod und das Mädchen.
Der Schweizer Künstler David Boller, der 2008 – nach 16 Jahren USA-Aufenthalt – in seine Heimat zurückgekehrt ist, hat sich für sein Online-Magazin Zampano (www.zampano-online.com), wo er unter anderem die Serie Ewiger Himmel veröffentlicht, konkrete Gedanken über die Amortisierung gemacht: „Der Masterplan ist, eine Plattform für gute abgeschlossene Graphic Novels mit Bestand aufzubauen und die Rechte an den Arbeiten zu behalten. Ich glaube, das ist einer der größten Unterschiede zwischen regulären und Web-Comics-Künstlern. Von dem Moment, an dem man mit einem Verlag zusammenarbeitet, verliert man 50 Prozent der Nutzungsrechte für eine lange Zeit, und letztendlich sind es eben diese Rechte, die den Künstlern auf lange Frist Einkommen einbringen.“
Der von Boller angesprochene Gedanke der größtmöglichen Unabhängigkeit für die Künstler spielt gerade in Amerika eine bedeutende Rolle in den Diskussionen über die Web-Comics. Ursache hierfür sind große Unterschiede zwischen dem dort geltenden Copyright und unserem Urheberrecht. Dazu der auf Medien-Recht spezialisierte Anwalt Dr. Martin Bahr, der auch als rechtlicher Beistand die ICOM-Mitglieder berät: „In Deutschland bleibt der Urheber immer Urheber. Der Verlag kann sich nur Nutzungsrechte einräumen lassen, wird aber nie Urheber. Dadurch verbleiben bestimmte Rechte, die der Jurist ‚Urheberpersönlichkeitsrechte‘ nennt, immer beim Künstler: zum Beispiel, ob er als Autor genannt werden muss oder ob ein Produkt in einem gewissen Umfeld präsentiert wird. In den USA ist dies gänzlich anders. Dort werden die Urheberrechte übertragen, das heißt, ein Verlag erhält tatsächlich die Urheberrechte eingeräumt. Dadurch ist auch nachvollziehbar, dass die amerikanische Rechtsordnung ein ‚Urheberpersönlichkeitsrecht‘ nur sehr begrenzt oder gar nicht kennt.“ Doch in der Praxis verwischen diese Unterschiede zwischen den Ländern immer mehr, denn in beiden Rechtssystemen, so Dr. Bahr, herrscht inzwischen die Mentalität von Buy-Out-Verträgen: „Zwar verliert in Deutschland der Urheber nicht seinen Status als Urheber, steht aber durch eine so umfangreiche Rechteabtretung quasi genauso nackt im Wind wie sein amerikanischer Kollege.“
Größtmögliche Unabhängigkeit wird also auch für europäische Künstler immer attraktiver – gerade auch in finanzieller Hinsicht, wie David Boller meint: „Da dem Web-Comic-Autoren nun alle Rechte gehören, kann er auch frei versuchen, Einkommen zu generieren. Sogenannte multiple revenue streams (vielfache Einnahmequellen) gibt es im Internet einige, aber die meisten werden erst interessant, wenn man sich eine gewisse Leserschaft aufgebaut hat.“ In seinem detailliert durchdachten Konzept geht Boller davon aus, dass das erste Jahr finanziell karg aussehen wird und nur die direkten Kosten für das Betreiben der Internetseite aus den Werbeeinnahmen bezahlt werden können. Zudem setzt er darauf, seine Comics auf möglichst vielen Wegen und in sehr unterschiedlichen Pubikationsformen zu vertreiben. Dazu sollen zukünftig neben dem klassisch gedruckten Album oder Merchandise-Produkten auch digitale Versionen für Abspielgeräte wie das iPhone oder sogar Motion-Comics gehören. Unter Letzterem versteht man teilanimierte und mit Ton unterlegte Comics, die quasi auf halbem Weg zwischen dem „richtigen“ Comic und einem Zeichentrickfilm stehen. Doch Boller weiß: „Im Internet gibt es kein festes Modell. Der eine Künstler wird mehr T-Shirts verkaufen, der andere mehr Werbeeinnahmen haben oder mehr Printcomics verkaufen. Das ist zum Teil auch das Spannende daran. Wir sind heutzutage eigentlich keine Pioniere mehr – Webcomics gibt es schon seit über 13 Jahren -, sondern Siedler. ‚Welches Stück Land gefällt mir am besten‘, das ist heute wohl eher die Frage. Es gibt dieses schöne Sprichwort: ‚Du solltest ein Siedler sein und kein Pionier. Pioniere sind die mit den Pfeilen im Rücken.‘“
Doch das alles ist für die meisten Zeichner noch Zukunftsmusik, für die aber dennoch die Vorteile der Online-Veröffentlichung auf der Hand liegen: Die Künstler können sich ohne großen finanziellen Aufwand kreativ austoben und fällen alle Entscheidungen selber. So lassen sich auch aufwendige Projekte wie Deae Ex Machina (www.eriks-deae.de, siehe Beispiel rechts) umsetzen, an die sich Verlage nur sehr zögerlich heranwagen. Der Zeichner der Serie, Frank Weißmüller, beschreibt seine Beweggründe im Interview mit Michael Hüster in ZACK 118 so: „Internet-Comics können natürlich subjektiver oder eigenwilliger sein, da sie keinen erprobten Erfolgsrezepten folgen müssen, um die enormen Druckkosten wieder einzufahren. Experimentieren kostet im Web nicht viel.“ Die durch die Dynamik entstehende Motivation ist auch wichtig beim Schaffensprozess: „Mich interessieren die Reaktionen der Leser! (Diese) kommen sofort und jedes Interesse an der eigenen Arbeit verleiht uns Autoren und Zeichnern Flügel.“
Die komplette Freiheit, die sich aus der Publikationsform ergibt, wird allerdings nicht von allen als Vorteil gesehen – manche Comic-Schaffende möchten sich gar nicht um Dinge wie Werbung kümmern, sondern einfach nur ihre Geschichten erzählen und zeichnen. Austausch finden sie zum Beispiel bei Webcomicplanet Collective (www.collective.webcomicplanet.com), einer Gemeinschaft, die die Kommunikation und die gegenseitige Hilfe zwischen den Mitgliedern fördern will. Dabei geht es für diese auch explizit darum, mit dem eigenen Schaffen Geld verdienen zu können, so dass nur Seiten aufgenommen werden, die einen qualitativen Anspruch an ihre Werke haben. Bei den deutschsprachigen Web-Comic-Machern kristallisiert sich momentan im Künstlerbereich des Comicforums eine Interessengemeinschaft heraus, um ein Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung, aber auch einer verstärkten Außenwirkung aufzubauen.
Die Nadeln im Heuhaufen
Den Lesern, die auf die Haptik von Papierseiten verzichten können, erschließt sich indes nicht nur eine günstige Wunderwelt an allen Stilrichtungen und Genres, sondern auch qualitative Berg- und Talfahrten. Neben beeindruckend professionellen Arbeiten findet man auch Anfänger, die ihre ersten Schritte bezüglich Zeichnungen und schriftstellerischen Fähigkeiten ins Internet stellen. Eine Vorauswahl durch Verlage findet nicht statt. Trotzdem ist man nicht ganz schutzlos dem Sturm ausgeliefert. Beispielsweise stellte die Website The Webcomics Examiner (www.webcomicsreview.com/examiner) mehrmals am Jahresende ihre Auswahl der besten Web-Comics des Jahres vor. 2005 wurde diese Seite eingestellt, weil den Betreibern bei negativen Besprechungen mitunter ein solch enormer Druck durch Künstler und Fans entgegenschlug, dass sie die Lust am Magazin verloren. Ein aktuelles Blog, das sich mit US-Web-Comics beschäftigt, findet man unter www.webcomicoverlook.com. Bei www.webcomicsnation.com gibt es neben der normalen Rückmeldung durch Leser auch Peer-Reviews, also Begutachtungen durch „Ebenbürtige“, in denen Künstler andere Web-Comics besprechen beziehungsweise empfehlen. Die bereits erwähnte Podcast-Seite The Webcomic Beacon vergibt den jährlichen Beaky Award in mehreren Kategorien, wie zukünftig auch The Webcomic List.
Diese Sekundärseiten können dem interessierten und des Englisch mächtigen Leser also gute Startpunkte und Tipps liefern. Seit 2005 hat der Bildschirm-Comic auch beim renommierten Eisner-Award Einzug gehalten – von 2005 bis 2008 als „Best Digital Comic“ (Mom’s Cancer, PvP, Sam & Max: The Big Sleep und Sugarshock!), seit 2009 als „Best Webcomic“. Dieser ging an Finder von Carla Speed McNeil.
Auch für deutschsprachige Web-Comics gibt es seit kurzem für Interessierte eine bündelnde Link-Sammlung als Anlaufpunkt. Unter www.webcomic-verzeichnis.de können Künstler ihre deutschsprachigen Web-Comics eintragen und die Leser finden spezielle Comics oder lassen sich bestimmte Genres anzeigen. Auf der Startseite gibt es zudem Informationen, welche Comics vor kurzem aktualisiert wurden. Dieses private Projekt entstand aus dem Künstlerbereich des Comicforums hinaus. Der Verantwortliche und Programmierer für das Verzeichnis, Manfred Kooistra, plant für die Zukunft eine erweiterte redaktionelle Betreuung der Seite mit Rezensionen und Artikeln, was sich aber nur mit einer ausreichenden Anzahl an Mitstreitern realisieren lässt.
Das könnte ein großer Schritt für die deutschsprachigen Web-Comics werden, zu denen man sich in der Vergangenheit meist per Suchmaschine von privater Künstlerseite zu privater Künstlerseite entlanghangeln musste oder bestenfalls mal auf die Präsenz kleinerer Zeichner-Kollektive traf. Hierzu zählt auch das oben erwähnte Zampano, das David Boller inzwischen zwei weiteren Künstlern geöffnet hat. So findet man in dem Online-Magazin jetzt Bollers eigene Werke wie Ewiger Himmel oder Bakuba, aber auch Don Caneloni von René Lehner oder Katastropolis von Rudolph Perez.
Ähnliche von Künstlern betriebene Online-Magazine gibt es schon seit längerem, etwa Comicwerk (www.comicwerk.com) und INKplosion (www.inkplosion.de). Beide seit einem Jahrzehnt im Netz anzutreffende Plattformen zeigen Online-Comics – dies oft in Form von Sammlungen wie redaktionell aufbereiteten Ausgaben und Specials, die an bestimmten Terminen auf den entsprechenden Websites veröffentlicht werden.
Das von der Künstlerin Ulli Lust geleitete Portal Electrocomics (www.electrocomics.com), seit Juni 2005 online, bezeichnet sich selbst als „Verlag für Bildschirmcomics“. International ausgerichtet, in englischer und deutscher Sprache, mit Mut zum Experimentellen und Avantgardistischen, aber auch mit klassisch erzählten Geschichten wie zum Beispiel Owls. Neben einigen Stripserien liegt der Schwerpunkt vor allem auf längeren Geschichten – diese werden als PDF in sehr guter Qualität zum Onlinelesen und Herunterladen angeboten, wobei das Seitenformat ausdrücklich für das Lesen am Bildschirm ausgerichtet ist. Die Downloads sind in aller Regel kostenlos, werden aber von einer Spendenaufforderung begleitet: Wem ein Comic gefällt, kann per Mausklick via PayPal einen Beitrag seiner Wahl spenden. Mehrere Comics, die online in Fortsetzungen erschienen sind, gibt es mittlerweile auch in Buchform bei etablierten Verlagen (z. B. Moresukine von Dirk Schwieger, Leroy & Dexter von Thomas Gilke und nicht zuletzt Uli Lusts Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens, siehe ab Seite 42 in dieser COMIXENE), wobei die elektronische Variante weiterhin online verfügbar bleibt.
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Weitere Abschnitte: Große Online-Plattformen, Der professionelle Onlinekünstler, Neue Vertriebsformen, Comic-Schwarzmarkt im Internet, Trial and Error (die großen US-Comicverlage im Internet) und Comics digital machen.
Der komplette Artikel ist in Comixene 106 zu finden, für 9,- Euro erhältlich am Bahnhofskiosk und im Fachhandel, übers Internet zum Beispiel beim Freibeutershop.