Rezensionen

Reise zum Kerguelen-Archipel

Cover Reise zum Kerguelen-ArchipelDa es sich bei dem neuen Band von Emmanuel Lepage um einen Reisebericht handelt, darf man natürlich keine ausgeklügelte Dramaturgie erwarten. Ähnlich wie bei anderen, journalistischen, Reiseberichten oder auch Dokumentarfilmen gibt das Erlebte oder das Beobachtete den Inhalt des jeweiligen Formats vor. Wenn man keine dramatischen Situationen erlebt hat oder dementsprechende Bilder findet, dann hat man so etwas eben nicht. Und so kann man dann auch keine Spannungskurven finden.

Der französische Comicautor und Zeichner Emmanuel Lepage ist seit Kindheitstagen vom Meer fasziniert. Besonders die entlegensten Inseln, die immer noch zu Frankreich gehören, Überbleibsel des Kolonialismus und der frühen Entdeckungsfahrten am Rande der Antarktis, haben immer schon seine Phantasie angeregt. Besonders die Abenteuer von Tim und Struppi haben diese genährt. So zögert er nicht lange, als man ihm anbietet, auf eine Versorgungsfahrt zu diesen entlegenen Eilanden mitzukommen, um seine Erlebnisse in Bildern festzuhalten. Fasziniert betrachtet er nicht nur die Landschaften dieser lebensfeindlichen Inseln und ihre Tierwelt, sondern ist zunehmend fasziniert von den Menschen, die freiwillig in diesen Breiten überwintern und arbeiten.

Seite aus Reise zum Kerguelen-ArchipelEine ausgeklügelte Dramaturgie ist, wie bereits erwähnt, nicht zu finden. Vielmehr ist dieser Comic eine reine Reisebeschreibung, die aber nichtsdestoweniger gut Lepages Eindrücke vermitteln kann. Als Comiczeichner gelingt es ihm einerseits, Bilder und Impressionen von wirklich existierenden Orten zu liefern, welche aber aufgrund der subjektiv-künstlerischen Gestaltung dennoch die Fantasie anregen und nicht so bestimmend sind, wie es etwa Fotos oder Filmaufnahmen wären. Dabei hält Lepage seine Eindrücke, Impressionen und Stimmungen zu einem gewissen Teil selbst für gescheitert. Nicht weil sie schlecht wären, sondern weil er es in seiner Selbstkritik als misslungen ansieht, die erlebte Stimmung in seinen Zeichnungen und Bildern wiederzugeben. Sie entsprächen seiner Ansicht nach einfach nicht genügend der Realität. Aber hier muss man ihm als Leser einfach widersprechen, denn es geht in einem solchen Reisebericht und gerade in diesem Album nicht um eine Abbildung der Wirklichkeit (so hoffnungslos dieses Unterfangen auch immer ist), sondern um Sehnsüchte, die Macht der Phantasie und vor allem um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in einer unwirtlichen Gegend.

Seite aus Reise zum Kerguelen-ArchipelUnd Lepage schafft es wirklich gut, diese Dinge aufzuzeigen. Dem Band fehlt zwar die zeichnerische Leichtigkeit des wunderschönen Oh, diese Mädchen, er weist aber verschiedene Stile und Techniken auf, welche in unterschiedlichsten Situationen gut zu der jeweiligen Stimmung passen. Und was den Leser zusätzlich neidisch macht, abgesehen von der Reise in die fernen Gegenden, ist die Macht und der Einfluss, die ders Comic in Frankreich generell hat. Als Comiczeichner gilt Lepage an Bord des Schiffes ebenso viel wie ein Journalist oder Filmregisseur. Kaum vorstellbar, dass ein deutscher Comiczeichner in Deutschland eine ähnliche Unterstützung erfahren würde. Ein in jeder Hinsicht neidisch machender Band, der Sehnsüchte weckt und zum Träumen einlädt. 

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Wunderschöner Reisebericht, der Sehnsüchte und Phantasien zu wecken vermag

 

Reise zum Kerguelen-Archipel
Splitter Verlag, Juni 2012
Text und Zeichnungen: Emmanuel Lepage
Übersetzung: Tanja Krämling
160 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 29,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-492-5
Leseprobe

 Jetzt bei amazon.de anschauen und bestellen!

Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag

1 Kommentare

  1. Pingback: Die Fahrten der Odysseus |

Kommentare sind geschlossen.