Ende des 19. Jahrhunderts trieb der Serienmörder Jack the Ripper im Londoner East End sein Unwesen. Die Identität des Täters ist bis heute nicht endgültig geklärt, weshalb sich Autoren seither immer wieder dazu inspiriert fühlen, Mythen und Theorien diesbezüglich in ihren Werken zu behandeln. Die beiden Franzosen Francois Debois und Jean-Charles Poupard greifen in ihrem Comic über den Ripper eine der schillernderen Theorien auf und erweitern diese in erheblichem Maße um eine freie Interpretation.
Die beiden Originalalben, die in dem Splitter-Double-Band enthalten sind, lassen sich inhaltlich in zwei Teile zerlegen: Die erste Erzählung spielt im Herbst 1888 und folgt der polizeilichen Aufklärung der Prostituiertenmorde durch den leitenden Inspektor Frederick Abberline. Autor Debois hält sich hier vage an die realen Fakten, liefert aber verblüffenderweise zum Ende dieses ersten Abschnitts bereits einen überführten Täter. Das zweite Kapitel setzt indes wenige Monate später, im Frühjahr 1889, ein. Abberline geht einer Mordserie nach, die der von Jack the Ripper ähnelt. Währenddessen stößt sein Kollege George Godley auf einen merkwürdigen Selbstmord, der mit einem Hypnose-Protokoll in Verbindung zu stehen scheint.
Debois fährt im zweiten Teil die Ernte dessen ein, was er zuvor gesät hat. Abberlines Nähe zu den Ripper-Morden ließ bei Godley wie beim Leser schon zu Beginn zarte Zweifel aufkommen, ob nicht Abberline selbst der Ripper sein könnte. Aus diesem anfänglichen losen Verdacht entspinnt sich im Folgenden ein interessanter Thriller. Denn es ist unklar, ob es sich bei neuer neuerlichen Mordserie um die Taten eines Nachahmers handelt oder ob der wahre Ripper nicht doch noch frei herumlaufen könnte. Die Aufdeckung des Komplotts führt bis in höchste gesellschaftliche Kreise und Abberline wird vom Helden zur tragischen Figur.
Die Handlung weiß durchaus zu überzeugen, auch wenn die Auflösung im Nachhinein etwas befriedigender hätte ausfallen können. Dennoch ist die Frage, ob nicht Abberline als Ermittler mit Insiderwissen der Ripper sein könnte oder ob er sich nicht so stark in den Fall verstrickt hat, dass er zumindest der Nachahmer sein könnte, äußerst reizvoll.
Mit diesem thematischen Kern gelingt es den Machern, der Geschichte um Jack the Ripper eine weitere Theorie hinzuzufügen. Zudem sind die sehr stimmungsvollen Bilder von Jean-Charles Poupard passend für diesen Historienkrimi. Mit detailreichen Bildern und einem realistischen Setting erweckt er das viktorianische London glaubhaft zum Leben. Am Ende des Bandes gibt es sogar eine kommentiertes Skizzenbuch Poupards.
Wertung:
Ein spannender Comic, der den Mythos um Jack the Ripper um eine Facette erweitert
Jack the Ripper
Splitter Verlag, November 2013
Text: Francois Debois
Zeichnungen: Jean-Charles Poupard
Übersetzung: Thomas Schöner
112 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 22,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-694-3
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag