Rezensionen

Ich bin Legion

Ich bin Legion CoverDer Comic-Verlag Cross Cult schaltete sich diesen November in den internationalen Dialog zwischen Frankreich und USA ein und brachte mit der Gesamtausgabe von Ich bin Legion einen äußerst blutigen Weltkriegscomic auf den deutschen Markt. Gestützt wird Fabien Nurys Erzählung über politische Intrigen und übernatürliche Phänomene während des Zweiten Weltkrieges durch den hyperrealistischen Zeichenstil des zweifachen Eisner-Award-Gewinners („Bester Zeichner/Tuscher“ 2004 und 2005) John Cassaday.

Die Geschichte von Ich bin Legion – der Titel  leitet sich von einem Ausspruch aus dem Markus-Evangelium ab – trägt sich während des Zweiten Weltkrieges zu. Die Ausgangsituation entspricht den historischen Gegebenheiten.

Dezember 1942: Nazideutschland sieht sich den Alliierten Truppen gegenüber und forscht deshalb nach übernatürlichen Geheimprojekten, die die Vorzeichen zugunsten von Hitlers Armee drehen sollen.

Blutige IntrigenEines dieser Projekte findet in Rumänien statt und trägt den Codenamen Legion. Dort arbeitet der deutsche Offizier Rudolf Heyzig mit Hilfe eines Mädchens mit übernatürlichen Kräften an einer Methode, für Hitler Supersoldaten zu erschaffen. Doch Rumänien bleibt nicht der einzige Schauplatz dieses mystischen Stoffes in historischem Gewand. Der Leser folgt den Ermittlungen von Inspektor Stanley Pilgrim, einem Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes, der mysteriöse Morde in England aufdecken soll, bei denen die Täter blutleer am Schauplatz verenden, während die Opfer plötzlich mit neuer Agenda in ganz Europa ihre Kreise ziehen. Doch jeder weitere Mord zieht Pilgrim weiter in politische Machenschaften hinein.

Der Herr fragte den Mann:“Wie heißt du?“
  Er antwortete: „Mein Name ist Legion. Denn wir sind viele.“
  Markus Evangelium 5,9.

Ich Bin Legion entstand aus einer transatlantischen Allianz zwischen den zwei Comic-Großmächten Frankreich und USA, deren Beziehungen der freie Redakteur Stefan Pannor im Anhang des Comics interessant aufarbeitet. Der Zeichner John Cassaday, der in Amerika durch Titel wie Astonishing X-Men und Planetary bekannt wurde, fertigte die Zeichnungen für das Szenario des französischen Autors Fabien Nury an. So erschien 2005 der dreibändige Comic beim französischen Traditionsverlag Les Humanoides Associes, dem Verleger des berühmten SciFi-Magazins Metal Húrlant.

Obwohl Nury für sein Szenario eine recht konventionelle Erzählweise verwendet, gewinnt  der Plot des mysteriösen Weltkriegskrimis durch raschen Wechsel der Schauplätze und immer neue Perspektiven seine Komplexität. So bleibt der Fokus selten mehr als fünf Seiten auf einer der vielen Parallelhandlungen. Die Stärke des Comics liegt eben in den Brüchen zwischen den einzelnen Erzählpassagen, die immer wieder das Interesse wecken und den Leser auffordern, die Lücken zwischen den einzelnen Handlungen zu ergänzen. Erst gegen Ende des Comics beginnen sich die losen Enden zusammenzufügen.

GesichterWährend Nurys fantastische Geschichte den Leser dazu auffordert, sich auf ein Intrigenspiel zwischen den Supermächten einzulassen, gewährt Cassaday durch seine hyperrealistischen Darstellungen zunächst wenig Einblicke in die Psyche der Figuren; Gesichter wirken wie Fassaden, die erst nach eingehender Betrachtung allmählich Informationen preisgeben. Durch das Vorenthalten von Hinweisen fügt sich Cassadays Zeichenstil passgenau in das Verwirrspiel von Nury ein. Während langsam erste Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Plotelementen im Comic aufgedeckt werden, beginnen auch Cassadays Figuren unweigerlich mehr über sich zu verraten. So lassen sich Falten, die zuvor als unwichtige Details der hyperrealistischen Darstellung abgetan wurden, auf Handlungselemente zurückführen. Der Leser muss sich nicht nur auf die Geschichte konzentrieren, sondern auch genau auf die exzellent dargestellte Mimik der multiplen Protagonisten achten. Während es vielen Figuren, wie z.B. Winston Churchill, bis zum Ende gelingt, ihre Fassade zu wahren, kann man förmlich sehen, wie andere sich ein letztes Mal gewalttätig aufbäumen, bevor sie endgültig zusammenbrechen.

ActionsequenzenWenn man Ich bin Legion ein kleines Manko unterstellen möchte, dann ist dies sicherlich die Darstellung der Actionsequenzen, die durch überdimensionale Panels zwar bewusst in Szene gesetzt werden, doch durch ihre Präsenz ihre ganze Dynamik verlieren. Leider nehmen diese Szenen ab der zweiten Hälfte des Comics zu, da die Figuren nach der Preisgabe ihrer Informationen sich nur noch durch nackte Gewalt zu helfen wissen. Auch der Grad der Brutalität steigert sich, weshalb Cross Cult den Comic ganz zu Recht nur für ein Publikum über 16 Jahren empfiehlt.

Das faszinierende Comicalbum Ich bin Legion lädt den Leser auf eine ideenreiche Reise durch das Europa des Zweiten Weltkriegs ein und gewährt ihm dabei sowohl Einblick in das Machtgefüge der Geheimdienste als auch in übernatürliche Phänomene dieser Zeit. Die graphischen Eigenheiten von Zeichner John Cassaday fügen sich passgenau in das Skript von Fabien Nury ein. Gerade wegen der noch nicht vollends ausgeschöpften Darstellung der Actionszenen schreit der Comic förmlich nach einer Verfilmung, für die Cassaday bereits im Gespräch sein soll. Das neue Comicalbum aus dem Hause Cross Cult liegt zudem gut in der Hand, sieht nicht nur im Regal ansprechend aus und wird durch Stefan Pannors Aufsatz über die „Transatlantische Allianzen“ zwischen Amerika und Frankreich angemessen abgerundet.


Ich bin Legion
Cross Cult, November 2008
Text: Fabien Nury
Zeichnungen: John Cassaday
Hardcover; vierfarbig; 176 Seiten; 26,00 Euro
ISBN: 978-3-936480-66-5
Leseprobe 

hyperrealistischer Zweiter-Weltkriegscomic

 

 

 

 

 

 

 

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Bildquelle und © Abbildungen: cross-cult.de