In seiner Formatreihe „Splitter Books“ bringt der Verlag die im Original vierteilige Serie Dixie Road in einem Band gesammelt heraus. Jean Dufaux ist ein so viel beschäftigter Schreiber, dass man sich nicht nur fragt, woher er die ganze Zeit und die ganzen Ideen nimmt, sondern auch, warum fast alle seine Serien so gut sind. Diese ausgezeichnete Serie hebt sich von den meisten anderen Dufaux-Stoffen ab. Er tummelt sich ja in den unterschiedlichsten Genres, wobei die meisten einen historischen Bezug haben. Was aber hier neu ist, sind die deutlichen soziakkritischen Aspekte. Wenn überhaupt ein Vergleich innerhalb von Dufaux‘ Werk gezogen werden soll, dann muss schon Jessica Blandy herhalten. Dabei haben die beiden inhaltlich nichts gemeinsam.
Dixie Road steht auf großen Schultern der Kulturgeschichte: Deutliche Einflüsse von John Steinbecks Roman Früchte des Zorns und der gleichnamigen Verfilmung von John Ford sowie von dem Film Bonnie und Clyde sind zu spüren. Beides gibt Dufaux im Anhang auch deutlich zu. Geschildert wird die Odyssee der jungen Dixie mit ihren Eltern durch die US-Südstaaten der Dreißiger Jahre. Die Wirtschaftskrise hat das Land fest im Griff und die Gegensätze zwischen Arm und Reich schlagen oft in Gewalt um. Dixie hat sich mit einem jungen Schwarzen angefreundet, während die Mutter sich im Arbeitskampf bei ihren Bossen unbeliebt macht. Als Dixies lange verschollener Vater, Jones, wieder auftaucht, kommt es zu einer Eskalation. Denn Jones hat eine Tasche voller Geld aus einem Bankraub bei sich und wird von seinem Partner verfolgt. Durch unglückliche Umstände stirbt ein einflussreicher Industrieller und die Familie Jones muss fliehen. Gejagt von Milizen, der Polizei, einem Profikiller und einem geheimnisvollen Fremden, müssen die Jones durch den verarmten Süden reisen und bekommen Not und Elend der Arbeitslosen und Entrechteten aus nächster Nähe mit.
Wie gesagt: Es sind große Fußstapfen, in die sich Dixie und ihre Familie und ihre Schöpfer begeben. Aber Dufaux und Labiano schaffen es, für den Comicbereich das Äquivalent zu Früchte des Zorns herzustellen. Dabei wird glücklicherweise auf einen moralisch-pädagogischen Zeigefinger verzichtet, die Handlung spricht für sich. Und diese ist aufwühlend und bewegend. Dazu trägt Labiano mit seinem sehr realistischen Strich bei, der den Leser richtig in das Buch zieht. Besonders die Landschaftszeichnungen sind sehr stimmungsvoll. Er stellt sich dabei ganz in den Dienst der Story und verzichtet er auf ausgefallene Ideen. Und das ist geglückt.
Die Charaktere in der Geschichte sind fast gänzlich verdorben (und merkwürdigerweise bleibt ausgerechnet die Hauptfigur, Dixie, etwas blass). Dabei sind sie, von einem Profikiller abgesehen, nicht von Grund auf böse, sondern hängen nur dem amerikanischen Traum, dem Streben nach Glück, nach. Aber wenn ein Traum mit der Realität konfrontiert wird, zerstiebt er. Dixie Road hat etwas von einem Western und einem Roadmovie und vereint dabei weitere uramerikanische Welten. Das Versprechen der Freiheit und der Weite des Roadmovies und der Zivilisationsaufbau und der gewaltbereite Individualismus des Western geben sich hier die Hand.
Der Kapitalismus wird in seiner schonungslosesten Form geschildert: Wirtschaftsbosse halten sich Privatmilizen und Profikiller, um ihre Arbeiter unterdrückt zu halten. So sagt etwa der Killer von sich, dass er eine Nachfrage befriedigt und somit den Marktgesetzen gehorcht. Aber auch die Gewerkschaftler und die politischen Parteigänger (hier vor allem der kommunistischen Partei) sind zynisch und skrupellos und opfern Menschenleben, um ihre Ziele zu erreichen. Besonders im Hinblick auf heutige Entwicklungen in der Wirtschaft und der politischen Landschaft der USA kann der Band schon beängstigend wirken. So ist es fast schon zynisch, wenn Dufaux seinen Zeichner Werbetafeln für den amerikanischen Traum in die Wüste stellen lässt. In der kargen, öden Landschaft sind sie mehr als fehl am Platz und wirken angesichts der teils brutalen, sehr düsteren Handlung wie ein Hohn. Das macht auch die große Enttäuschung von Dufaux deutlich. Man merkt, dass er Amerika mag, aber von der Gesellschaft, der Politik und den Institutionen enttäuscht und angewidert ist. Dass unter dem schönen Schein alles verrottet ist, ist auch das zentrale Thema seiner Serie Jessica Blandy. Und damit schließt sich der Kreis.
Wertung:
Ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte, aufwühlend und bewegend erzählt, was düstere Vergleiche zur Gegenwart evoziert.
Dixie Road
Splitter Verlag, August 2011
Text: Jean Dufaux
Zeichnungen: Hugues Labiano
Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 24,80
ISBN: 978-3-86869-333-1
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag