Obwohl Comickünstler Andreas (i.e. Andreas Martens) im frankobelgischen Raum seit jeher viel Beachtung und Anerkennung findet, werden seine Hauptwerke wie Capricorne oder Rork hierzulande bis dato stiefmütterlich behandelt. Bei Scheiber & Leser hat man sich jetzt immerhin angeschickt, die dreiteilige Albenreihe Cromwell Stone dem deutschen Markt zugänglich zu machen. Das Langzeitprojekt des gebürtigen Deutschen liegt damit nicht nur zum ersten Mal als Gesamtausgabe, sondern auch erstmals überhaupt komplett in dessen Heimatland vor.
Dass sich die deutschen Verlage bezüglich der Publikation von Andreas‘ Comics zurückhaltend zeigten, liegt wohl vor allem an den zuweilen sperrigen Inhalten und dem speziellen Artwork. Andreas‘ schwarz-weiße Bilder sind in ganz feinen Linien gezogen. Der Detailreichtum sorgt manchmal für etwas Unübersichtlichkeit, aber das verstärkt nur noch die ohnehin beklemmende Atmosphäre. Diese sehr eigene Stilistik, die in ihrem Ausdruck und ihrer Akribie fast schon an alte Holzschnitte erinnert, kommt auch in Cromwell Stone zum Tragen. Die Serie erzählt von einer Art kosmischen Verschwörung, in die die Titelfigur, Cromwell Stone, unfreiwillig hineingezogen wird. Er und ein Dutzend weiterer Passagiere überlebten den Schiffbruch der Leviticus. Doch nach und nach werden die Überlebenden dezimiert und verschwinden auf unerklärliche Weise. Im Zentrum könnte dabei ein Schlüssel stehen, ein mysteriöser Gegenstand, der an Bord der Leviticus transportiert wurde.
Die dreiteilige Handlung ist mit all ihrer Mystik, Spiritualismus und Metaphorik extrem verworren. Den Faden beim Lesen nicht zu verlieren, dürfte den meisten wohl schwer fallen. Andreas verfängt sich meines Erachtens etwas zu sehr in Komplexität und verhindert so den Zugang zur gesamten Bandbreite seines erzählerischen Könnens. Die Tuschezeichnungen tun dabei ihr Übriges und sorgen nicht gerade für Übersichtlichkeit. Das macht die Interpretation schwierig, aber untermauert eben auch die eigenwillige Sperrigkeit des künstlerischen Stils, mit dem Andreas hierzulande als kaum massentauglich gelten dürfte.
Grafisch ist Cromwell Stone in jedem Fall ein Meisterwerk. Die Bilder üben eine starke Faszination auf den Betrachter aus. Andreas spielt gekonnt mit der Seitenarchitektur und zerlegt seine Panels, wenn es nötig ist, ins kleinste Detail. Auch wenn man die Mysterygeschichte nicht vollständig versteht, verbleibt Cromwell Stone als ein Comicwerk, über das sich mehr als nur kurz nachzudenken lohnt und das in jedem Fall mit eindrucksvoller Grafik überzeugt. Bleibt zu hoffen, dass wir in naher Zukunft noch mehr von Andreas‘ Klassikern zu sehen bekommen.
Wertung:
Endlich ist ein Klassiker von Andreas komplett verfügbar, diese Gesamtausgabe ist wirklich empfehlenswert
Cromwell Stone Gesamtausgabe
Schreiber & Leser, Februar 2014
Text/Zeichnungen: Andreas
Übersetzung: Gerd Benz, Bernd Leibowitz
144 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 24,80 Euro
ISBN: 978-3-943808-31-5
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Schreiber & Leser