Welt am Draht

52 mal berührt: Aquaman #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 48 von 52: AQUAMAN #1 von Geoff Johns und Ivan Reis.

aquaman

MARC-OLIVER:alt Die gute Nachricht zuerst: Für einen Comic von den Leuten, die an Blackest Night schuld sind, ist Aquaman gar nicht mal sooo übel. Die schlechte Nachricht: Besonders gut gemacht ist das Heft trotzdem nicht.

Dabei gibt es sogar einiges, was mir hier ganz gut gefällt, wie etwa die Zeichnungen von Ivan Reis. Der Mann steht stilistisch fest in der Tradition so ziemlich aller Künstler, die im traditionellen Superheldengenre schon mal irgendwann stilprägend waren, bewahrt sich aber dennoch eine eigene Identität und gibt dabei auch einen ganz passablen Erzähler ab.

Das kann man von Geoff Johns leider nicht behaupten. Geoff Johns erzählt ungefähr so Geschichten, wie ich früher an Kindergeburtstagen Schokolade gegessen habe: mit Handschuhen, Messer und Gabel und einer lustigen Mütze auf dem Kopf. Der Mann stellt sich dabei nicht nur generell plump und ungelenk an, sondern zwängt – ähnlich wie etwa auch Bendis – seinen Figuren ständig Dialoge und Situationen auf, von denen sofort klar ist, dass sie einzig dazu da sind, um irgendeine komische Fan-Fraktion direkt anzusprechen, weil man sie von irgendwas überzeugen will. In anderen Worten: Der Autor sollte vielleicht mehr Zeit mit Schreiben verbringen und weniger Zeit damit, sein eigenes Message Board zu lesen. Es täte seinen Figuren gut, wenn er sie in ihren Comics auch mal was sagen lassen würde.

Im konkreten Fall heißt seine Handpuppe nun also Aquaman, und der muss sich dagegen verteidigen, von allen belächelt zu werden. Keine schlechte Idee, prinzipiell, wenn man sich die Mühe machen würde, es in eine ordentliche Dramaturgie zu verpacken. Da wir es aber mit Geoff Johns zu tun haben, setzt er seine arme Figur einfach in ein Restaurant, und dann geht das Gelaber los – das, so stellt sich raus, zur einen Hälfte aus langweiliger Exposition besteht und zur anderen den Helden als wenig souveränen Miesepeter erscheinen lässt, der keinen Spaß versteht und sich auch noch wundert, dass er veräppelt wird, wenn er in seinem Aufzug irgendwo reinspaziert und Fisch bestellt. Und besser kennenlernen tut man Aquaman dabei auch nicht. Da hätte man sooo viel draus machen können. Dass es nichts damit geworden ist, hängt aber tatsächlich nicht an Aquaman, sondern an der Unzulänglichkeit und Faulheit des Autors.

Björn hatte das Phänomen ja schon in seiner Green-Lantern-Corps-Rezension angesprochen, und es trifft auch hier zu: Man hat so große Angst davor, dass die Figuren belächelt werden könnte, dass man aus diesem Minderwertigkeitskomplex heraus völlig maßlos überkompensiert und die Geschichte mit unnötigem Gepäck überfrachtet, das da eigentlich nichts zu suchen hat. Die Geschichte selbst muss einfach nur gut sein, sonst nichts – dann passt’s schon mit der Wahrnehmung der Figur. Die Johns’sche Blutrunst streckt dem Leser am Ende des Comics übrigens auch schon wieder ihre rotgetränkte Fratze entgegen. So it goes.

Ich könnte jetzt noch was über die unterirdische Darstellung der beiden weiblichen Figuren mit Sprechrollen schreiben, aber das wird bei Johns wohl auch niemanden mehr überraschen. Ich zweifle gar nicht daran, dass man selbst mit Aquaman coole Sachen anstellen kann, wenn man sich Mühe gibt und seine kreative Leistung nicht darauf beschränkt, die Hauptfigur an einen Tisch zu setzen und loslabern zu lassen. Was Johns hier abliefert, ist billig und durchschaubar – Anbiederei auf unterster Schiene.

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


 

BJÖRN: Das mit Blackest Night kann ja noch kommen: Der fies knurrende Aquaman auf dem Titelbild und die vielzahnigen Tiefseemonster werden schon noch zu ordentlich Gore und Weltschmerz führen. Nur in dieser Ausgabe halt noch nicht, weil Geoff Johns zu beschäftigt damit ist, auf Strohmänner einzudreschen.

Ja, Aquaman ist ein Mem für lahme Superhelden geworden. Und Geoff Johns hat das Gefühl, die Figur des Aquaman gegen diese fiese Schmähkritik verteidigen zu müssen, und dabei kommt er selbst noch schlechter weg als Aquaman. Dass Aquaman ein humorloser Kauz ist? Damit kann ich leben. Das ist er in The Brave and the Bold auch. Aber da ist es schon wieder grandios, weil er sich überhaupt nicht bewusst ist, wie humorlos er ist. Stattdessen vermöbelt er einfach selbstgefällig und in völlig überzogener Brian-Blessed-Manier Schurken.

Natürlich muss Geoff Johns nicht die übertriebene Interpretation aus The Brave and the Bold übernehmen, aber ein bisschen Rückgrat würde nicht schaden. Hier hat man das Gefühl, dass Geoff Johns das Skript mit einer Hand getippt hat, weil er mit der anderen Hand gerade unter dem Schreibtisch zu beschäftigt war. Es gibt diesen Spruch, dass vor ein paar Jahren Comicmacher noch Fans waren, heute sind sie Fanboys. So liest sich das hier auch: Das wütende „Leave Aquaman alone!“-Manifest eines Fanboys. Hört auf, Witze über Aquaman zu machen, ihr bösen, bösen Leute!

Fünfzehn Seiten lang bombardiert uns Johns mit Erklärungen, warum Aquaman voll cool ist! Ein wie Harry Knowles aussehender Fettsack lacht darüber, dass Aquaman mit Fischen spricht? Da muss Aquaman aber erstmal im Detail erklären, was seine Kräfte wirklich sind und wieso sie voll cool sind.  Und dann kommt der gemeine Blogger und fragt, wie es ist, ein Versagersuperheld zu sein, den keiner mag. Und dann witzelt er darüber, dass Aquaman behauptet, aus Atlantis zu stammen. Weil: In einem Universum, in dem Vampire, Dämonen und Außerirdische in freier Wildbahn herumfliegen, ist es doch absolut lächerlich, wenn der Kerl mit den Fischkräften behauptet, aus Atlantis zu stammen. Wer glaubt denn so was? Und während Aquaman erzählen muss, wie toll er ist, schmachten die Frauen ihn an. Um nochmal zu unterstreichen, wie toll Aquaman ist. Weil Aquaman toll ist! Toll! Toll! Toll! Versteht das doch endlich! Toll!

So wie es bei Deathstroke unglücklich war, erstmal erklären zu müssen, wie bösarschig der Protagonist ist, so wirkt es hier unglaublich unsouverän, dass Geoff Johns zu einer so großspurigen Verteidigung des Meereshelden ansetzen muss. Von seinen Kräften bis zum Hemd, alles glaubt Johns in Schutz nehmen zu müssen … und lässt dadurch sich und Aquaman nur noch peinlicher wirken. Dabei hätte er den Kritikern locker begegnen können: Die etwas albernen Aspekte von Aquaman augenzwinkernd anerkennen und dann losziehen und ihm eine so große und unterhaltsame Actionszene auf den Leib schreiben, dass es scheißegal ist, was die Kritiker denken. Weil man sieht, dass Aquaman knorke ist, sofern ihn ein fähiger Autor schreibt. Stattdessen: Aquaman heult sich 15 Seiten lang in einem Fischrestaurant aus. Und das ist das exakte Gegenteil von knorke.

Auf den letzten drei Seiten fällt Johns dann irgendwie ein, dass er ja noch so was wie eine richtige Geschichte erzählen muss, aber da ist es auch schon zu spät. Immerhin sind die Zeichnungen von Ivan Reis hübsch, auch wenn seine Seitenlayouts an Monotonie kaum noch zu überbieten sind.

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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