Das gelungene Vorwort von Lino Wirag (EXOT) beschreibt die Suche nach einem neuem Humor und streut immer wieder Namen bekannter Humoristen, Cartoonisten und Kabarettisten ein, die zum einen als Vorbild dienen können, aber auch aufzeigen, wie vergeblich die Suche nach einen neuen Humor ist. Schließlich hat jeder der genannten bereits einen sehr unterschiedlichen komischen Bereich abgedeckt. Somit gibt es eigentlich keine Lücke mehr, die neu ausgefüllt werden kann. Oder doch?
Das Vorwort kündet vom Versuch Robin Vehrs‘, keinem anderen zu gleichen. Und das gelingt, was keine geringe Leistung ist. So ist Vehrs‘ Humor aber auch sehr individuell und speziell. Denn Humor ergeht es wie der Erotik. Beides muss nicht für jeden das gleiche bedeuten. Was den einen erregt, stößt einen anderen ab. Worüber der eine lachen kann, bringt einen anderen nicht mal zum Grinsen. Humor ist eben sehr vom jeweiligen Leser abhängig. Und jetzt muss es schon fast zwangsläufig subjektiv werden: Denn ich kann nicht darüber lachen. Ich gehöre auch zu denen, die weder Oliver Pocher noch Helge Schneider lustig finden. Bei Helge Schneider und Bully Herbig kann ich es zwar verstehen, dass andere sie mögen, auch wenn es nicht mein Fall ist, aber jemand wie Oliver Pocher hat in all den Jahren nur ein einziges Mal ein Grinsen auf meine Lippen gebracht. So muss man hier bei der Besprechung etwas hinter den Humor zurücktreten und andere Kriterien finden. Zum Beispiel die Thematik der Gags und der Sketche. Aber auch da gibt es keine einheitliche Linie.
Denn der ganze Band, der überwiegend Kurzcomics nachdruckt, die zuvor auf dem Blog Enjambements erschienen sind, ist eine reine Reise nach Absurdistan. Es gibt zwar kein Durchdeklinieren der immer gleichen Themen wie etwa bei Hägar oder Garfield (die trotzdem noch lustig sind und kaum an Qualität verloren haben), was lobenswert ist, aber leider gibt es auch keinen satirischen Biss. Auch in dieser Hinsicht ist also der Kritiker etwas hilflos. Man wird sich wohl einfach einlassen müssen auf diese ganz spezielle Art von Humor. Oder noch besser: ihn in sich rein lassen müssen.
Auch zeichnerisch ist das alles so reduziert, krakelig und primitiv wie möglich. Da es so gewollt ist und wohl mit zu der nicht gefundenen Gesamtaussage passt, nimmt man es einfach hin. Hier soll auch graphisch nichts ablenken, was somit auch wieder starke Geschmackssache ist. Alles in Western Touch will so obskur wie möglich sein, so abgedreht es geht. Da wird etwa eine Beschwerde laut, dass sich ein Ventilator falsch herum dreht, woraufhin die Herstellerfirma darauf hinweist, dass vielleicht das Haus falsch gebaut sei. Als die Bewohner feststellen, dass dem so ist, endet der Sketch darin, dass sie nicht wissen, wie sie wieder in das Haus hineinkommen sollen.
Außerdem geht es um gestohlene Köpfe, redende Kaffeebecher, welche doch vielleicht Teetassen sind und viele andere Bereiche, die zusammengenommen keinen gemeinsamen thematischen Nenner haben. Vielleicht ist der Band ja ein geeignetes Geschenk für Pseudointellektuelle, die immer klug daherreden aber nur Unsinn von sich geben. Vielleicht muss man einfach nur mehr kiffen. Jedenfalls ist der Band wohl für alle, die sich für Avantgarde halten, dies aber nicht definieren können. Ich weiß es nicht. Diese Auswahl von Blog-Comics, die in diesem Band des jungen Robin Vehrs gesammelt sind, haben zwar ihren Reiz und ich kann verstehen, dass es andere komisch finden mögen (siehe auch Helge Schneider), aber mein Humor ist das definitiv nicht. Ich vergebe daher neutral verstandene fünf Punkte.
Wertung:
Ein sehr spezieller Humor, der längst nicht für jeden etwas sein dürfte
ZWEITE MEINUNG:
von Thomas Kögel
Ich habe zwar Western Touch nicht als Buch vorliegen, bin aber schon lange Stammleser von Enjambements, kenne also die meisten hier abgedruckten Comics. In der Tat, der Humor von Robin Vehrs gehört ganz sicher zur speziellen Sorte. Mit Vergleichen mit Pocher, Herbig und Schneider, Hägar und Garfield kommt man dieser Form der Komik jedoch nicht bei – wenn schon Namedropping, dann müssten hier Namen wie Katz & Goldt, Studio Braun oder Nicolas Mahler fallen.
Die Komik der Enjambements-Comics entsteht größtenteils dadurch, dass Erwartungen unterlaufen werden – und zwar ständig. Das beginnt schon bei der gewollt kruden Grafik, krakelig am PC mit Software aus dem letzten Jahrtausend erstellt und setzt sich fort in den absurden Alltagsszenen, die niemals so verlaufen, wie man es bei „normalen“ Geschichten erwarten würde, sondern ständig Haken schlagen. Und schließlich verweigert sich Vehrs in den meisten Fällen auch einer Pointe. Der Witz entsteht dadurch, dass das, was witzig sein soll, nicht witzig ist – zumindest nicht auf den ersten Blick.
Ex-Titanic-Autor Oliver Nagel hat diese Art der Komik neulich als Meta-Humor bezeichnet und festgestellt: „Meta-Humor ist (…) vor allem für Menschen lustig, die das klassische Witz-Schema in- und auswendig kennen. Der prototypische Meta-Witz (‚Sitzen zwei Atomkraftwerke im Baum und stricken‘) erhält nur noch die Form des klassischen Witzes, in diesem Fall das Set-Up, verzichtet aber nicht nur auf die Pointe, sondern auch auf jeden Sinn.“ Die Enjambements-Comics sind genau solche Meta-Witze, über die man lachen kann oder eben nicht. Probieren sollte man es aber auf jeden Fall, sonst entgehen einem womöglich Perlen wie das Fischradio, die Geheimnis-Limonade oder das aufgemalte Fenster. Und das wäre doch wirklich sehr schade.
Robin Vehrs jedenfalls ist es in kurzer Zeit gelungen, einen unverwechselbaren, eigenen Stil zu entwickeln – sowohl grafisch als auch humoristisch. Dabei ist der Typ grade mal 20 Jahre alt!
Wertung:
Meisterhafter Meta-Humor
Western Touch
Zwerchfell Verlag, Februar 2012
Text und Zeichnungen: Robin Vehrs
Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 10,00 Euro
ISBN: 978-3-943547-01-6
Leseprobe
Abbildungen: © Robin Vehrs/Zwerchfell Verlag