Auf den ersten Blick war der erste Band von Sang Royal eine wahre Schlachtplatte voller Blut und Sex. Das war nicht jedermanns Geschmack, obwohl es graphisch sehr ansprechend gestaltet war. Auf den zweiten Blick war dieser erste Teil aber auch eine Studie über Zeichen im semiotischen Sinne. Die Kraft der Symbole und der Zuschreibung von Bedeutung waren ein zentrales Thema. Auch in der Fortsetzung ist dieser Aspekt ein zentrales Thema, wenngleich noch weniger auffällig.
König Alvar hat seine vermeintliche Tochter Sambra geheiratet und es scheint endlich Frieden in das Land einzukehren. Doch seine verstoßene Frau und der Stiefsohn drängen auf Rache und wollen Alvar provozieren, um sein Glück zu zerstören. Allerdings läuft die grausame Rache für die Intriganten höchst unerwartet ab. Alvar und Sambra ziehen sich aufs Land zurück. Aber das Glück ist trügerisch und die traute Zweisamkeit ist nicht von langer Dauer. Das Schicksal sieht anderes für die beiden vor.
Das Kernthema der kurzen Serie, Symbole, ist hier sehr viel schwerer auszumachen. Allerdings wird der Aspekt auf die Spitze getrieben. Und folgerichtig. Der Titel „Sang Royal“ (königliches Blut) beschreibt ja bereits eine körperimmanente Symbolik und hier wird der Körper an sich als Symbol angesehen. Der König ist natürlich nicht nur eine Person, sondern auch ein Symbol für das Land und für den Staat. Hier geht es aber unmittelbarer um die Haut und den materiellen Körper als Symbol für das Innere, für das Wesen der Person. Also ist der nächste Schritt die Befreiung der Figuren von der körperlichen Symbolik. Der Schein des Äußeren soll überwunden werden. Erkenntnis soll erlangt und das Innere nach außen gekehrt, das Wesen des Menschen an sich verfestigt werden.
Hier versteigt sich Jodorowsky in etwas lang geratenen Dialogen leider in eine spirituell-esoterische Ebene, die man eher in seinen Werken aus den Siebzigern vermutet hätte. Dieser Aspekt wirkt mittlerweile etwas anachronistisch und dürfte so manche abschrecken. Dementsprechend sackt der Mittelteil etwas ab. Aber dieses Ziel der Aufgabe alles Äußerlichen entpuppt sich auch als Irrglauben. Denn auch wenn man den äußeren Schein überwunden zu haben glaubt, sind letztlich doch die Projektionen anderer stärker. Der Kraft der Symbole kann man nicht entkommen und wenn man schwächer ist, als man gedacht hat, so nimmt man diese Stärke gerne an. Vor allem, wenn aufeinander fallende Ereignisse als zusammengehörig gedeutet und so zu einem mythischen Element werden.
Das ist gegen Ende sehr stark und dramatisch und wiegt den schwachen Mittelteil etwas auf. Zarte Gemüter seien jedoch vorgewarnt: Der Band ist streckenweise sehr brutal ausgefallen. Vor allem die vollzogene Rache am Anfang ist heftig. Zeichner Dongzi Liu kann mit seinen wahrlich gemalten Bildern überzeugen, wobei besonders die Augen der Figuren den asiatischen Einfluss deutlich machen. Aber auch die satten Farben und die durchwegs dunkel gestalteten oder zwielichtig gehaltenen Landschaftsbetrachtungen lassen diesen Einfluss spüren. Zudem lassen die dunkel gehaltenen Zeichnungen keinen Zweifel am brüchigen Glück und schaffen eine sehr gelungene Atmosphäre für die düstere, pessimistische Geschichte. Deren Ende kommt dann zwar etwas abrupt, ist aber narrativ folgerichtig. Wegen des schwachen esoterischen Mittelteils gibt es Abzüge in der Haltungsnote für einen ansonsten überzeugenden und schockierenden Band.
Wertung:
Gelungene Optik in einer düsteren und stellenweise extrem brutalen Story verbindet sich mit der Untersuchung von Symbolen, wobei hier der Körper an sich an zentraler Stelle steht.
Sang Royal 2 – Schuld und Sühne
Ehapa Comic Collection, Dezember 2011
Text: Alejandro Jodorowsky
Zeichnungen: Dongzi Liu
56 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,95 Euro
ISBN: 978-3-7704-3535-7
Abbildung aus der frz. Originalausgabe, © Glénat