King Aroo ist ein fast vergessener amerikanischer Zeitungscomic. Getextet und gezeichnet von Jack Kent erschien der Strip von 1950 bis 1965 in verschiedenen amerikanischen Zeitungen und war mit seiner Mischung aus Wortspielen, visuellem Humor und Slapstick sehr erfolgreich. Der erste Band der deutschen Veröffentlichung, übrigens erstmalig auf Deutsch, vereint die ersten beiden Jahrgänge mit den dazugehörigen Sonntagsseiten.
King Aroo ist ein freundlicher König, der das winzige Königreich Myopia (könnte in schöner Selbstironie für „my opiate“ = „mein Schlafmittel“ stehen) regiert. Unterstützt von seinem Gefolgsmann Yupyop versieht er keinerlei Regierungsgeschäfte. Besonders die Untertanen halten den König aber auf Trab. Da wäre der Känguru- Briefträger Mister Pennipost, der weise Professor Yorgel, der sogar in Fußnoten denkt und die Hexe Wanda, die so ihre Probleme mit dem Kapitalismus hat. Es besteht zwar ein großes Angebot, aber keine Nachfrage nach Zaubertränken, die einen in einen Seehund verwandeln. Der Elefant ist so vergesslich, dass er seinen eigenen Namen nicht mehr weiß. Ein Steinbock mit Höhenangst, eine Liga für Vegetarismus (bestehend aus einem Schaf, einem Kaninchen, einer Kuh und einem Schwein!), Glühwürmchen mit technischen Problemen, ein Königreich, das nur aus einem Hund besteht (wenn der Floh nunmal ein König ist) und viele andere bevölkern dieses kleine Myopia. Aber nicht nur die Tiere beschäftigen King Aroo, sondern auch die Bezaubernde Prinzessin, für Freunde einfach „B.P.“, aus dem „Königreich von Nebenan“.
Es sind deutliche Einflüsse von George Herriman (Krazy Kat) festzustellen. Das ist insofern nicht erstaunlich, da Kent ein großer Fan von Herriman war und mit vielen der großen Zeichnerstars von damals in freundschaftlichem Kontakt stand. Ähnlich wie Herriman spielt Kent mit den Formen und den Möglichkeiten des Comics. Lange bevor es Graphic Novels gab, wurden in dieser Frühzeit des Comics die Grenzen des Mediums und der Zeichenform ausgelotet. So zum Beispiel, als plötzlich unvermittelt ein Telefon auftaucht und King Aroo erstaunt fragt: „Wo kommt auf einmal das Telefon her?“ Sein getreuer Yupyop antwortet: „Das ist der Vorteil des Mediums in dem wir arbeiten“.
Was den Strip heute noch sehr gut lesbar sein lässt, ist der Mangel an zeitbezogenen Gags. Kent nimmt keinen Bezug auf gesellschaftliche oder politische Entwicklungen und somit kann man heutzutage auch ohne Hintergrundwissen die Strips und den Witz genießen. Das einzig zeitbezogene ist die neue Definition des Begriffs „Kalter Krieg“, als sich zwei Eisverkäufer mit Speiseeis bombardieren. Was manchmal etwas irritieren kann, sind die niedrigen Geldbeträge, die immer wieder genannt werden. Heutzutage ist alles wesentlich teurer und das verwirrt den Leser zunächst, sorgt aber auch für großen Witz. Wenn etwa, diesen Aspekt im Hinterkopf, der Staatsschatz auf 85 Cent veranschlagt wird und dieses komplett für Tutti-Frutti- Eis ausgegeben wird.
Gerade die anthropomorphen Tiere sind äußerst gelungen: Kent spielt geschickt mit den Attributen, die den Tieren jeweils zugeschrieben werden. So ist das enorme Langzeitgedächtnis von Elefanten hier genau umgekehrt, der Hahn glaubt, dass er für den Aufgang der Sonne verantwortlich ist, das Känguru mit seiner natürlichen Beuteltasche ist der ideale Briefträger und der Löwe als König der Tiere macht King Aroo den Thron streitig.
Inhaltlich zusammenhängend sind die Strips nicht. Es gibt einige Storybögen mit ähnlicher Thematik, wie etwa Revolution, Rittertum, Königreich, wieder erlangtes Gedächtnis, aber jeder Strip ist einzeln lesbar. Der Zeichenstil ist für Cartoons typisch, sehr rundlich und reduziert. Kent schafft es meisterhaft, mit kleinen Verschiebungen eine außerordentliche Mimik seiner Figuren zu schaffen, die dadurch dem Leser sehr nahe kommen. Ein Teil der Wortspiele geht zwar durch die Übertragung ins Deutsche verloren, aber ansonsten ist die Übersetzung sehr gut gelungen. Die deutsche Veröffentlichung von Bocola enthält zusätzlich auch den ersten Teil eines biographischen Essays von Bruce Canwell mit vielen editorischen Hinweisen und Abdrucken seltener Grafiken, sowie eine Einleitung von Sergio Aragones.
Wertung:
Wahrlich nicht veralteter Klassiker, der auch gekonnt mit dem Medium spielt
King Aroo, Band 1: 1950 – 1952
Bocola Verlag, Mai 2011
Text und Zeichnungen: Jack Kent
340 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 29,90 Euro
ISBN: 978-3-939625-34-6
Leseprobe
Abbildungen © der dt. Ausgabe: Bocola Verlag