Rezensionen

Hellblazer 7: Die schrecklichen Kinder

 US-Horror-Ikone John Constantine trifft seine drei dämonischen Kinder. Psychoterror und Grausamkeiten toben auf dem Spielfeld, während die väterliche Hauptfigur etwas unbeteiligt auf der Auswechselbank sitzt und zuguckt. Handlungsarme Hauptfiguren waren noch nie ein Hit.

Ohne sich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kann man sagen, dass John Constantine eine Ikone des US-Horror-Comics ist. Von Alan Moore als Nebenfigur in Swamp Thing erdacht, Ende der 1980er Jahre von Jamie Delano ausgeprägt und später von zahlreichen anderen Autoren geschliffen und poliert, hat es der Straßenmagier John Constantine inzwischen sogar auf die Kinoleinwand geschafft. Viele bekannte Namen waren im Laufe der Zeit tätig an dem Ermittler mit Trenchcoat und Zigarette. Da wären beispielsweise Garth Ennis (Preacher), Warren Ellis (Transmetropolitan), Neil Gaiman (Sandman) oder Brian Azzarello (100 Bullets) – um nur einige zu nennen. Man könnte behaupten, dass sich bei Hellblazer ein Haufen Leute getummelt hat, die mittlerweile in der internationalen Comicwelt Rang und Namen haben. Bei Vertigo, dem erfolgreichen Erwachsenen-Imprint von DC Comics, erscheint Hellblazer seit dessen Entstehen im Januar 1988. Hellblazer und DC Vertigo – das ist eine lange und eng verwobene Erfolgsgeschichte.

 In den Vereinigten Staaten ist Peter Milligan (Enigma, Der Extremist) aktuell als Autor bei Hellblazer am Werk. Bis seine Stories nach Deutschland kommen, wird es jedoch noch eine Weile dauern. Der jüngst bei Panini erschienene Band „Die schrecklichen Kinder“ (engl.: „Reasons to be Cheerful) wurde von Mike Carey geschrieben – und das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Mike Carey ist ein Brite, der schon an einer ganzen Menge Comics beteiligt war. Superhelden, aber auch Sachen wie Red Sonja, Lucifer und Vampirella finden sich darunter. Hinzu kommen einige Romane, die auf deutsch jedoch noch niemand verlegen wollte. Blickt man auf Careys Bibliographie, fällt Hellblazer darin als ziemlich dicker Brocken auf. Insgesamt sechs Sammelbände der Reihe sind von ihm erschienen. (Innerhalb der Serie kann das nur noch Garth Ennis übertrumpfen.) Sechs Bände bei einer Langzeitserie von DC Vertigo – das kann sich durchaus sehen lassen.

 Im vorangegangenen Band “Stationen des Kreuzwegs“ hat Carey vorbereitet, was er jetzt weiterführt. Das gewohnt riskante Spiel von John Constantine ging ein einziges Mal nicht auf. Er verlor sein Gedächtnis und war der Dämonin Rosacarnis hilflos ausgeliefert. Die schwarzhaarige, nackte, böse Schönheit hat ihn in der Hand und kann nun mit ihm tun und machen, was sie möchte. Ihre Motivation für die ganze Müh’ drückt sie so aus: „Es gibt keinen listigeren Menschen auf Erden als John Constantine. Und wenn die Hölle auf Erden herrschen soll, dann muss er beherrscht werden.“ Hm, na ja, ein bisschen mehr hätte man schon erwarten können. Was Rosacarnis mit ihm vor hat, ist John – und dem Leser – lange Zeit überhaupt nicht klar. Etwas willkürlich reihen sich Episode um Episode aneinander. Das Gefühl entsteht, durch verschiedene Zeiten und Dimensionen zu springen. John spielt seine Rolle, ist aber eigentlich nie so richtig Johnny Badass Constantine. Wie sich herausstellt, hat die Dämonin mit ihm drei Kinder gezeugt, die jetzt auf die Menschheit losgelassen werden und ihren Vater zermürben sollen. Sie sollen ihn psychisch zerstören, weil sie ihn – aus irgendeinem blöden Grund – nicht töten dürfen. Versteht keiner so recht, muss auch nicht.

 Die Stärke von Hellblazer war immer seine Hauptfigur, John Constantine, kein Saubermann, sondern ein gewitzter, pessimistischer Egoist und Menschenfeind, der selbst dem Teufel ein Schnippchen schlug. Und er war ein guter Freund. In Die schrecklichen Kinder entwirft Mike Carey einen so gewaltigen Handlungsrahmen – basierend auf so schwachen Motiven der Bösewichter – dass Constantine an den Rand gedrängt wird. Mit der Hauptfigur geschieht, was mit vielen Hauptfiguren mit der Zeit geschah: Sie verblasst. Constantines eigenes Universum erhebt sich, stürzt sich auf ihn und wird zum Schluss wichtiger als er selbst. In Dangerous Habits“ (dt. „Schlechte Angewohnheiten“, 1999 bei Schreiber & Leser), der ersten Storyline von Garth Ennis, gibt es einen Moment, in dem Constantine partout genug davon hatte, von allen möglichen Mächten herumgeschubst zu werden. „Ich werd den Eindruck nicht los, dass ich irgendwie falsch rangehe… […] Ich laufe herum und erwarte von anderen Hilfe… Und sonst verlasse ich mich nur auf mich selbst… Genau. Tu es selbst. Denk nach.“ Er musste wieder zurückfinden, das tun, was er am besten kann: Sein eigenes Ding. Dieses Selbstbewusstsein fehlt ihm im neuen Band, zugunsten eines infernalischen Triumvirats, das seinen Lenden entsprungen sein soll und ihn quält. Und nicht nur ihn. Es bleibt nicht viel davon übrig, wenn man es genau nimmt. So gut sind die Zeichnungen nicht. Eine durchschnittliche Episode einer Serie, möchte man meinen, die dem Alten nichts Neues hinzufügt. Sechs Bände bei DC Vertigo? Man wundert sich ein bisschen, Mister Carey.

Hellblazer 7: Die schrecklichen Kinder
Panini Comics, Oktober 2009
Text: Mike Carey
Zeichnungen: Steve Dillon, Leonardo Manco, Marcelo Frusin, Giuseppe Camuncoli
Übersetzung: Gerlinde Althoff
164 Seiten; SC mit Faltcover; vierfarbig; 16,95 Euro
ISBN 9783866077737

Schwache Hauptfigur, mittelmäßig erzählt

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Abbildungen: © Panini Comics