Nachdem Angela aus dem kleinen Verlag Bunte Dimensionen ein wahrer Volltreffer in Sachen frankobelgischer Westerncomic war, legen die Augsburger mit einer vierteiligen Serie nach. Galgenvögel ist in den Südstaaten angesiedelt, die eben vor den Yankees aus dem Norden kapituliert haben. Das Land ist desolat und gerade wieder im Aufbau begriffen. Die fünftausend Dollar, die die Regierung für den Wiederaufbau der Kirche von Church Hill zur Verfügung stellt, werden sehnlichst erwartet. Doch als der Zug einfährt, spielt sich eine dramatische Szene ab, denn die Frau des verschollenen Colonel Granger samt Tochter Shannon und Sohn Williams reißen das Geld gewaltsam an sich und verschwinden damit in das Lager einer Gruppe Bushwackers.
Währenddessen wird Granger im Fort McLaglen von einem fiesen Nordstaatencaptain verhört. Im Jahr 1863 war der Colonel bei einer geheimen Operation beteiligt, über die die Yankees Informationen wollen, denn sie vermuten, dass es dabei um Geld ging.
Das vermutet auch Miss Granger und heuert mit den gestohlenen Dollars die Bushwackers an. Sie sollen ihren Mann befreien. Bei der turbulenten Befreiungsaktion kommt es allerdings zu einem Blutbad, dem auch der Colonel zum Opfer fällt. Doch das Geheimnis um den „Schatz“ nimmt er nicht mit ins Grab, weshalb die Nordstaatler, Miss Granger, die Bushwackers und der geheimnisvolle Indianerscout Nathanael Cooper all ihre Gerissenheit zusammen nehmen, um an das begehrte Gut als erster heran zu kommen. Im vorliegenden ersten Band jedoch endet das Rennen bereits im namensgebenden „Liliengarten“ der Villa Granger.
Es ist nicht leicht, dem Thema amerikanischem Bürgerkrieg und Südstaaten noch etwas Neues abzugewinnen. Jim Cutlass von Charlier, Giraud und Rossi ist ein Meisterwerk dieses Genres, weicht aber gehörig in den Voodoo-Bereich aus. Die meisten anderen Werke zu dieser Epoche bedienen und mischen immer wieder dieselben Elemente und Klischees. So auch Galgenvögel, das zudem noch mit der Schatzsuche ein weiteres altgedientes Westernmotiv abarbeitet. So wundert es nicht, dass dieser Comic kaum mit Neuem überrascht. Die Zeichnungen von Fabrice Jarzaguet wirken absichtlich etwas „dahingeworfen“. Gesichter und Figuren haben keine klaren eleganten Konturen, sondern die Tendenz zum Gekrakelten, wie man das von vielen Karikaturen kennt. Im bankrotten Süden sehen demnach nicht nur die Häuser sondern auch die Menschen so aus, als ob sie restauriert werden müssten. Insofern passt die Grafik wunderbar zur Geschichte, auch wenn sie nicht darauf aus ist, den Leser mit Spektakulärem und poliertem Hochglanz zum stürmischen Applaus zu bewegen. Zusammen mit den Farben von Isabelle Rabarot entsteht eine sehr dynamische und plastische Optik, die keine Wünsche offen lässt, aber nicht schon beim ersten Draufschauen begeistert.
Wenn es mit großer Begeisterung bei Galgenvögel auch nichts werden will, so doch immerhin mit Wohlgefallen, und das nicht zu knapp. Denn die vielen bekannten Elemente sind sehr klug und unterhaltsam gemischt. Wo der Plot in Klischees hineinrauscht, hebt er sich bald gediegen auch wieder davon ab. Gute und böse Abziehbilder haben in diesem Comic nichts verloren, stattdessen faszinieren eine Reihe interessanter, gelungen dargestellter Figuren. Die Spannung steigt und fällt in wohlgesetztem Takt, und der Leser wird nicht geschont, wenn geschossen wird.
Dass wir es hier mit einem durchaus gelungenen Werk — wenn auch keinem Überraschungshit — zu tun haben, wundert nicht, wenn man der Tatsache inne wird, dass neben Francois Capuron auch Fred Duval, Autor der Cyberpunk-Serie Travis, am Szenario mitgearbeitet hat. Nur eben gegenüber der Konkurrenz des anderen Westerns bei Bunte Dimensionen, Angela, muss Galgenvögel verblassen, obwohl deutlich spürbar ist, dass die Autoren beider Werke ähnliche Anliegen verfolgen und derselben Schule angehören. Doch zum einen ist das Südstaaten-Epos als Serie angelegt und mangelt daher die erzählerische Dichte und Geschlossenheit. Und zum anderen erreichen die Bilder von Galgenvögel nicht die Stärke und poetische Strahlkraft, die die Lektüre Angelas zu einem Hochgenuss werden lassen.
„Der Liliengarten“ ist per se also ein durchaus wohlgefälliger und empfehlenswerter Comic, der nur einigen wenigen gezielten Vergleichen nicht standhält. Da derartige vergleichende Urteile aber meistens unerheblich und reines Nerdtum des Rezensenten sind, lässt sich absolut nichts gegen diesen feinen Südstaatenwestern sagen. Und dem Verlag sei gesagt: Weiter so!
Galgenvögel 1: Der Liliengarten
Bunte Dimensionen, März 2007
Text: Francois Capuron, Fred Duval
Zeichnungen: Fabrice Jargazeut
Farben: Isabelle Rabarot
48 Seiten; farbig; Hardcover; Euro 13,-
ISBN: 978-3-938698-81-5
Bildquelle: buntedimensionen.de