Rezensionen

Feindgebiet

Cover FeindgebietDer Schweizer Walter Pfenninger war bislang als Illustrator und Grafiker tätig und legt nun mit Feindgebiet sein Comicdebüt vor. Der berufliche Hintergrund ist seinen Zeichnungen in gewisser Hinsicht durchaus anzumerken. Denn in seinem Ligne-Claire-Stil findet man eine starke Reduktion, wie es sie auch bei technischen Zeichnungen gibt. Das ist per se natürlich schon mal nicht schlecht. Wer mit der Ligne Claire aber nichts anfangen kann, wird auch hier mit dem Stil nicht warm werden.

Was macht man meistens als Debütant, wenn man noch kein so großes Selbstbewusstsein im Schreiben von eigenen Stoffen hat? Entweder man greift auf eigene Erfahrungen zurück oder man nutzt wahre Begebenheiten als Grundlage. Beides kann zu hervorragenden Erzählungen führen. So nimmt sich Pfenninger einen spannenden Aspekt der realen Historie vor, nämlich den ersten Agentenaustausch zwischen den USA und der UdSSR, der 1962 an der Grenze zwischen BRD und DDR stattfand. Man befindet sich also mitten im Kalten Krieg.

Seite aus FeindgebietDer US-Pilot Francis Gary Powers wird 1960 mit seinem Spionageflugzeug über sowjetischem Gebiet abgeschossen. Später wird er zum ersten ausgetauschten Agenten des Kalten Krieges. Pfenninger recherchierte jahrelang und interviewte auch den Sohn von Powers. In Feindgebiet schildert er die Ereignisse, die zu dem Abschuss führten, Powers‘ Gefangenschaft und auch den Gefangenenaustausch. Somit wird ein spannendes kleines Kapitel des Kalten Krieges beleuchtet.

Der Ligne-Claire-Stil ist hier allerdings schon fast etwas zu reduziert, da Pfenninger es leider versäumt, mit Farben Stimmungen zu erzeugen. Ansonsten ist der Stil sehr typisch mit der reduzierten Mimik, die alle Übertreibungen vermeidet, und strikt ausgesparten Hintergründen. Leider gelingt es Pfenninger nicht wie anderen Vertretern dieses Stils, die graphischen Lücken durch die Phantasie des Lesers ausfüllen zu lassen. Es fehlen einfach kleine emotionale Anreize, wie etwa anhand von Farben, um den Leser aktiv miteinzubeziehen. Alles wirkt etwas zu technisch, etwas zu kalt.

Seite aus FeindgebietDie auf Tatsachen basierende Graphic Novel ist aber spannend und auch zeithistorisch äußerst interessant ausgefallen. Es wird angedeutet, dass der „Kalte Krieg“ nicht für alle ideologisch besetzt war, sondern eine Art Abenteuer darstellte, in dem man seine persönlichen Vorlieben ausleben konnte. So sieht der Pilot Powers in seinem Handeln weniger eine Notwendigkeit, als vielmehr die Möglichkeit, trotz seines recht hohen Alters (jedenfalls für einen Piloten) noch fliegen zu können.

Dass es sich hier um ein Comic-Debüt handelt, merkt man dem Band leider deutlich an. Es fehlt etwas an Mut, was man daran merken kann, dass sich Pfenninger zu sehr auf die Fakten konzentriert und alle Emotionalität links liegen lässt. Der Band krankt einfach an seiner zu großen Distanziertheit, die sich allzu sehr auf die Nüchternheit der Fakten zurückzieht. Nebencharaktere bleiben besonders blass und es gelingt nicht, Emotionen beim Leser zu wecken. Der Autor hat wohl etwas zu viel Respekt vor den Protagonisten gehabt. So bleibt alles sehr nüchtern und dementsprechend kalt und spröde, was schade ist, weil man sehr viel mehr hätte draus machen können. Allein die Beziehung zwischen dem als Spion festgenommenen Piloten und seiner im Heimatland gebliebenen Frau hätte Stoff für ein breit ausgeführtes Drama gegeben, sie hätte dem Leser sehr viel mehr an Identifizierungsmöglichkeiten und emotionaler Teilhabe angeboten. Auch der in Andeutungen vorhandene Abenteuercharakter bleibt eben nur angedeutet. Somit ergibt sich bei dieser Graphic Novel ein kleines Paradox: Sie ist eine spannende Schilderung der Abenteuer eines Spionage-Piloten, die aber letztlich zu nüchtern, ja, zu technisch ausgefallen ist.

 

Wertung: 6 von 10 Punkten

Spannendes Spionage-Abenteuer, das etwas zu spröde und distanziert ausfällt

 

Feindgebiet
Zwerchfell Verlag, Februar 2012
Text und Zeichnungen: Walter Pfenninger
Seiten, farbig, Softcover
Preis: 12,00 Euro
ISBN: 978-3-943547-02-3
Leseprobe

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Abbildungen: © Walter Pfenninger/Zwerchfell Verlag

Disclosure/Klarstellung: Der Comic wurde von CG-Redakteurin Frauke Pfeiffer lektoriert.