Rezensionen

Die Legende der Drachenritter 2 + 3

Die Legende der Drachenritter 2 Eigentlich müsste die Serie nicht Die Legende der Drachenritter heißen, sondern „Die Legenden…“, denn in jedem Band wird eine andere, in sich abgeschlossene Geschichte um die Figuren aus dem Jungfern-Kriegerorden erzählt, die mit den anderen zwar verknüpft ist, aber nicht in einem solchen Maße, dass man ihr nicht mehr folgen könnte, wenn man den Vorgänger nicht kennt. Das ist ein sympathischer Vorteil der Reihe, weil man nicht zum Komplettismus gezwungen wird und auch in der Mitte einsteigen kann.

Wissen muss man für jeden Band nur das, was auf dem Rückcover steht: Dass niemand weiß, woher die Drachen kommen, aber dass sie, wenn sie irgendwo auftauchen, das schreckliche „Übel“ verbreiten, das Menschen und Tiere, ja sogar die Landschaft auf monströse Weise verändert. Gegen das „Übel“ und den Spürsinn eines Drachen gefeit sind einzig Jungfrauen. Und darum werden im Orden der Drachenritter Jungfrauen zu ebenso fürchterlich gut aussehenden wie tödlichen Kriegerinnen ausgebildet, um die Drachen dort, wo sie sich tummeln, zu töten.

In meiner Rezension zum ersten Band der Serie habe ich dieses Grundkonzept gehörig moniert, und zwar weil dahinter ja eine frauenfeindliche Denktradition steht, die unter anderem zu so grässlichen Sachen wie Hexenverbrennungen geführt hat. Denn der Jungfrauen-Drachen-Komplex leitet sich im Abendland ganz wesentlich aus dem Christentum ab (zum Beispiel aus phantasievollen Deutungen von Offenbarung 12). Wir bewegen uns mit den bösen Drachen und den reinen Jungfrauen also im Milieu von Sünde, Erlösung, Gut und Böse, und warum man als Frau keinen Sex haben soll, weil da nämlich immer gleich der Teufel seinen Schwanz mit reinsteckt.

In der durchaus spannenden Abenteuerhandlung des ersten Bandes wurde dieses Konzept einfach mal so in den Raum gestellt. In einer nicht-christlichen Fantasy-Welt gab es da halt das Böse, gegen das nur unbefleckte Frauen ankommen. Keine Erklärung, warum das da so ist. Und dass ausgerechnet die Frauen, die sexuell enthaltsam sind, mit den aufreizendsten Outfits und entblößten Busen in die Schlacht ritten, das wollte so ganz ohne nähere Erläuterung nicht einleuchten.

 Dafür gibt es aber nun den zweiten und dritten Band. Nicht bis in die hintersten Winkel religiöser und tiefenpsychologischer Implikationen, sondern ganz locker flockig werden hier Ansätze und Motivationen geliefert, die wunderbar in ein Fantasy-Abenteuer mit Drachen passen. Nicht erschöpfend und philosophisch, aber unterhaltsam und gut.

Und das sieht so aus: Akanah, die Titelheldin des Bandes, ist jenes Mädchen, das Jaina und Ellys im ersten Band gerettet haben. Mittlerweile ist sie Knappin und zusammen mit ihrer Kollegin Eleanor als Begleitung von Ritter Oris unterwegs zum Dogen von Pierrano. Das Luftschiff macht in Ishtar übernacht halt, die Knappinnen treiben sich verbotenerweise in den Straßen herum, liefern sich Kneipenschlägereien mit zudringlichen Männern und seufzen die Sterne an. Das Schiff nimmt den jungen Jan von Aeris, Priester und Kartograf des Ordens von Aman, auf. Jan besitzt ein Amulett seines Ordens, das ihn vor dem „Übel“ schützen soll.

Zwischen Drachenrittern und Amanpriestern besteht eine herbe Konkurrenz, was Akanah und Jan aber nicht hindert, sich nach anfänglichen Sticheleien ineinander zu verlieben. Ein Drache, der von einem anderen Ritter getötet werden soll, verbreitet sein „Übel“, das Pierrano bereits erreicht hat. Der Doge ist mutiert, weshalb die Reise umsonst war. Der frustrierte Jan schlägt sich allein in die nächtlichen Gassen und landet in einem Etablissement, das kleine Mädchen feilbietet. Denn der Aberglaube sagt, wer mit einer Jungfrau Verkehr hat, der bleibt sieben Tage vom „Übel“ verschont. Jan ist entrüstet und schlägt einen Freier zusammen. Da wird die Situation brenzlig, doch Akanah taucht im letzten Moment rettend auf, und danach verloben sich die beiden.

Oris beschließt, selbst gegen den Drachen zu kämpfen, nachdem ihre Kolleginnen versagt haben. Im spektakulären Endkampf klärt sich die Frage, ob denn das Amulett des Aman-Ordens nun wirkt oder nicht. Der Drache wird bezwungen, doch danach kommt so manches anders, als gedacht.

Die Handlung an sich ist weniger spannend und geradliniger als die des ersten Bandes, aber dafür transportiert sie sehr viel Hintergrund und faszinierende Details zu der Welt, in der die Legende der Drachenritter spielt. Politik, Glaube und Aberglaube werden beleuchtet, die Figuren bekommen Raum, um wichtige Nebensächlichkeiten ihres Charakters zu zeigen. Und das Drachenrittertum wird eingehender dargestellt. Wir erfahren, dass die Ritter sich nicht als Teil der Gesellschaft empfinden. Sie heiraten nicht, sie handeln nicht, sie herrschen nicht, aber wahrscheinlich sterben sie jung. Aus diesem Wissen heraus entwickeln sie eine Carpe-Diem-Mentalität und eine gehörige Portion Arroganz. Sie fühlen sich nicht an die herkömmliche Moral gebunden und sehen in ihrer freizügigen Kleidung einen Ausdruck ihrer Emanzipiertheit. Aus dem leichtfertigen Abenteuer des ersten Bandes wird in der Fortsetzung eine komplexere Welt, von der man mehr erfahren möchte.

So erfreulich die Entwicklung der Story ist, so zwiegespalten werden die Reaktionen zur Grafik sein, denn Philippe Briones hat einen eigenwilligen Zeichenstil, der ganz andere Wege geht als Varanda. Seine Figuren sind eigentümlich eckig und in die Länge gezogen. In den Hintergründen, vor allem den großen Stadtpanoramen verzichtet er teilweise auf eine perspektivisch korrekte Abbildung. So wirkt vieles ein bisschen krakelig, auch und besonders die Actionszenen, wo Formen genauso zu zersplittern scheinen wie die Knochen Erschlagener. Die Bilder stellen insgesamt also keine Augenweide dar, haben aber dennoch eine ungeheure Wirkung.

 

Die Legende der Drachenritter 3Optisch nochmal ganz anders kommt der dritte Band daher. Sylvain Guinebaud zeichnet sehr weiche, warme Konturen mit liebevoll gestalteten Fachwerkhäusern und Interieurs. Was die Erzählweise angeht, ist er sehr traditionell, viel weniger virtuos und effektvoll wie Varanda. Aber seine mitunter idyllischen Bilder sind sicher mit Abstand die Gefälligsten, das eine oder andre Augenpaar fällt beinahe in die Kitsch-Kategorie.

Die Reise in die faszinierende Welt der Drachenritter wird fortgesetzt. Mara wird in ein Dorf im Norden gerufen, um zu untersuchen, ob die dort grassierende Krankheit etwas mit dem „Übel“ zu tun hat. Ihr Weg führt sie durch Melina, wo sie einem Mädchen begegnet, das in ihr eine eigenartige Sehnsucht weckt. In besagtem Dorf geht die Pest um, aber Mara findet einen Hinweis, dass im unbewohnten Teufelsschlund im Lumak-Delta schon seit Jahren ein Drache hausen könnte. Sie beschließt, das Tier zu erlegen, bevor es eine Katastrophe gibt.

Wie so eine Katastrophe aussieht, zeigt der Beginn des Albums, wo die Schwestern der Rache in Aktion treten. Wenn die Drachenritter versagen, praktizieren diese geheimnisvollen Wesen ein Ritual, das alles Leben im Bereich des „Übels“ für tausende Jahre auslöscht. Das nennt man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, eine schöne Idee, die der Serie noch zusätzlichen Reiz verleiht.

 Parallel wird die Geschichte des Mädchens erzählt, das mit seinem Vater und Onkel Hairin Expeditionen unternimmt. Der Onkel und die blinde Saira sind nett zu ihm, aber seine Eltern machen ihm das Leben zur Hölle. Deswegen träumt es von Mara und ihren Abenteuern. Die Familie unternimmt schließlich eine Expedition zu den Minen im Lumak-Delta, doch nach einem Schiffbruch werden sie ausgerechnet in der Zone des „Übels“ an Land gespült. Bis auf die Kleine verwandeln sich alle Familienmitglieder in Monster, indem sie einfach nur ehrlich sind und sagen, was sie schon immer gedacht haben. Als der Drache auftaucht leben nur noch Hairan und seine Nichte, doch der Kampf mit dem Ungeheuer ist bei weitem nicht so spannend wie die Eskalation der familiären Tragödie davor.

Der Schwerpunkt des Albums liegt ganz auf dem Thema Familie, so sehr, dass die Drachenhatz eigentlich zur dekorativen Dreingabe verblasst. Hut ab, denn das gibt es in Fantasy-Abenteuercomics nun wahrlich nicht oft, dass psychologische Dramen so sehr die Oberhand gewinnen. Das heißt nun aber nicht, dass Action und Drachenjagd nicht nach wie vor spannend wären. Bis hin zu unwichtigen Nebenfiguren wird der Blick auf einzelne Charaktere vertieft. Und so wird die Phantasiewelt immer greifbarer, komplexer und überzeugender. In der letzten Sprechblase erfahren wir, dass wir das Mädchen schon aus Band zwei kennen. Eine saubere Pointe.

Trotz anfänglicher Nörgelei entwickelt sich die Legende der Drachenritter zu einer lohnenden und unterhaltsamen Lektüre und einer der besten ernsthaften, frankobelgischen High-Fantasy-Serien, die man hierzulande zurzeit bekommt. Ihr größter Trumpf sind und bleiben die Drachen, die aufgrund des „Übels“ einfach verdammt cool sind. Und schön, dass sich die Autoren zu dieser Grundidee immer bessere und differenziertere Geschichten einfallen lassen. Weiter so!

Gute Stories mit unterschiedlicher Optik

Die Legende der Drachenritter 2: Akanah
Splitter, März 2007
Text: Ange
Zeichnungen: Philippe Briones
Farben: Stéphane Paitreau
48 Seiten; farbig; Hardcover; Euro 12,80
ISBN: 978-3-939823-34-6

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Die Legende der Drachenritter 3: Das leblose Land
Splitter, Mai 2007
Text: Ange
Zeichnungen: Sylvain Guinebaud
Farben: Stéphane Paitreau
48 Seiten; farbig; Hardcover; Euro 12,80
ISBN: 978-3-939823-35-3

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