Rezensionen

Die Legende der Drachenritter 1

legende-drachenritter1.jpgAls eine der letzten Zuckungen des alten Splitter-Verlags erschien seinerzeit der erste Band der Serie Die Legende der Drachenritter. Dann war Ruhe. Jetzt gibt’s den Band wieder, dieses mal vom neuen Splitter-Verlag und dementsprechend in tadelloser Aufmachung und mit der wohlbegründeten Aussicht auf Fortsetzung. Vier weitere Bände sind bereits angekündigt, drei davon sollen sogar schon bis September 2007 auf dem Markt sein. Da können sich nun also nicht nur die freuen, die damals den Band 1 erstanden haben, sondern auch die Neueinsteiger.

Wir haben, was die Aufmachung angeht, wie immer ein sehr erfreuliches neues Splitter-Album vor uns. Autoren (zwei Stück, die zusammen unter dem Namen Ange auftreten) und Zeichner (Alberto Varanda) sind durch etliche Reihen in Deutschland hinreichend bekannt, zumal jüngst durch den ersten Band von Das verlorene Paradies, ebenfalls bei Splitter erschienen (unsere Rezension).

Die Legende der Drachenritter ist ein Mix aus Horror und Fantasy, und die Drachen darin sind nicht ganz so, wie man sie landläufig kennt. Sie tauchen urplötzlich irgendwo auf und sorgen im näheren Umkreis für das Entstehen von Edelsteinen und dem „Übel“, das sich allmählich über ganze Landstriche ausbreitet. Wer vom „Übel“ erfasst wird, verwandelt sich in ein hässliches, grausiges Monster, das alles zerfetzt, was ihm in den Weg kommt. Sich einem Drachen zu nähern ist nicht nur aufgrund des „Übels“ fast unmöglich, sondern auch weil er alle Lebewesen in seiner Nähe wittert. Das ist eine gute und mal etwas andere Konzeption des Themas Drache. Schön.

Aber jetzt kommt's: Nicht vom Fluch des „Übels“ betroffen und auch nicht von den Drachensinnen zu wittern sind einzig Jungfrauen. Diese Idee wiederum ist ziemlich alt, wir kennen sie aus christlicher Spätantike und Mittelalter: Wer eine Frau ist (und darum den Versuchungen des Irdischen besonders leicht erliegt, wohlgemerkt! s. Eva und die Schlange), die ihr ganzes Leben lang den Einflüsterungen der Fleischeslust widersteht, sich also nie mit so etwas Verwerflichem wie Geschlechtsverkehr beschmutzt, ist durch besondere Reinheit und besondere Kräfte ausgestattet. Sie genießt einen gewissen Schutz vor dem Bösen an sich (in diesem Falle natürlich der Reinkarnation des Bösen, dem Drachen). Alle anderen kopulierenden Schmutzfinken sind diesem Bösen schutzlos ausgeliefert. So ist das veraltete, haarsträubende und zum Glück seit der Aufklärung allmählich überholte Konzept.

Und dieses Konzept erhält nun Einzug in eine Welt voller Abziehbilder aus moderner Unterhaltungsware und Horrormärchen mit den üblichen Schurken, Monstern und vor allem Frauen, die mit riesigen Schwertern in aufreizender Rüstung durch die Gegend reiten. Es wird dabei, vollkommen unkommentiert und ohne Sinn, zur reinen Erzählzutat geschrumpft, wird so behandelt wie die magischen Amulette, Geburtsmale und Artefakte in anderen Fantasy-Geschichten. Das Verfahren, hochproblematische Sachverhalte absolut unreflektiert zum Plot- und Spannungselement von Thrillern und Abenteuergeschichten zu reduzieren, ist zwar durch die Beliebtheit und die Verkaufszahlen Dan Brownscher Meterware mittlerweile sanktioniert, deshalb aber im Grunde nicht weniger naiv, dumpf und mitunter sogar fahrlässig.

Wenn man über das alles etwas widerwillig hinwegsieht, funktioniert das Ganze dann aber soweit ganz gut, und man liest 48 Seiten spannenden Comic: Weil die interessanten Drachen nun mal eine altehrwürdige Schwäche gegenüber „intakten“ Frauen haben, nimmt es nicht Wunder, dass die Drachentöter dieser Fantasywelt allesamt weiblich, „intakt“ und in einem Ritterorden organisiert sind. Den jungen Mädchen, die dem Orden beitreten, wird erst mal eine Geschichtsstunde über die Helden- oder Missetaten ihrer Vorgänger erteilt, so zum Beispiel im ersten Band der Serie die Geschichte der Ordensritterin Jaina.

Jaina und ihre Knappin Ellys werden von den Priestern der Stadt gebeten, einen Drachen, der sich in den nahen Bergen eingenistet hat, zu töten, denn das „Übel“ droht, die Stadt zu erreichen. Vor sechs Monden ist bereits die Schwester Jainas, ebenfalls eine Ordensritterin, in die Berge gezogen, aber sie kehrte nicht zurück. Die beiden Jungfrauen machen sich auf eine gefährliche Reise durch vom „Übel“ betroffene Dörfer und Gegenden. Dabei erfahren sie nach und nach, dass die Priester keine reine Weste haben und was mit der verschollenen Schwester passiert ist. Das Finale in der Drachenhöhle ist dann auch deutlich anders als erwartet. Und wie war das noch mal mit der Jungfräulichkeit?

Die Drachentötermär liest sich durchaus spannend und unterhaltsam, die nach und nach enthüllten Geheimnisse lassen die Monsterjagd zu einem verzwickten Drama gedeihen. Selbst das Jungfrauenkonzept wird spannungsförderlich eingesetzt. Wenn die Priester und Wirtsleute frauenfeindliche Bemerkungen machen, könnte man fast meinen, dass das Thema sogar kritisch behandelt wird. Aber nein, es bleibt bei den üblichen unterhaltungsdienlichen Dialogen und Konstellationen. Francois Bourgeon oder Regis Loisel wäre hier auf Basis des Jungfernkonzepts vielleicht ein faszinierender Weltenentwurf mit all den Implikationen und Irritationen gelungen, die das Thema fordert. Bei dem Autorenduo Ange bleibt es aber bei einer unterhaltsamen Fantasymär.

Die Handlung muss nun jedoch auch nicht überbewertet werden, denn sie dient zu einem erheblichen Teil auch der Entfaltung grafischer Effekte. Und diese sind ausnahmslos gelungen. Gleich die erste Doppelseite bietet ein opulentes Panorama einer Fantasiestadt. Einfallsreiche Seitenlayouts stellen Träume, Monstermetzeleien und Actionsequenzen perspektivenreich und spannungsvoll dar, wobei gerade die Monster besondere gestalterische Zuwendung erfahren und das eine oder andere Splatterelement nicht ausgeblendet wird. Sense of wonder satt auf jeder Seite, um es mal ganz neudeutsch auszudrücken.

Vor allem die jungfräuliche Knappin ist ein „Hingucker“ mit reichlich entblößten Schenkeln, quellendem Busen und eher spärlicher Bekleidung. Man bekommt nicht den Eindruck, dass sie sich sexueller Lust enthält. Und die „Rüstung“, die sich Jaina zum Endkampf anlegen lässt, besteht aus einem Lendenschurz und einer fantastischen Armschiene, die gerade mal noch Teile ihrer linken Brust bedeckt. Der Rest ihres Körpers ist so unbedeckt, wie er unberührt ist. Wenn das einen Sinn haben soll außer dem, dem Leser einen schönen Anblick zu bieten, dann ist er – zumindest für mich – nicht zu erkennen. Darum hilft eben nur eines: An den entscheidenden Stellen das Hirn ausschalten und mit offenen Augen drauflos genießen.

Die Legende der Drachenritter 1: Jaina
Splitter-Verlag, Januar 2007
Text: Ange
Zeichnungen: Alberto Varanda
Farben: Delphine Rieu
48 Seiten, farbig, Hardcover; 12,80 Euro
ISBN: 978-3-939823-33-9

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Bildquelle: Comiccombo.de