Rezensionen

Didi & Stulle 6: Der Plan des Gott

 Kurt Krömer? Hat bis auf die Erfindung des Wortes Kackbratze noch nicht viel gerissen. Olli Dittrich? Ja ja, ganz toll und intelligent und so, aber wenn wir ganz ehrlich sind, auch ein bisschen langweilig. Mario Barth? Ach, hör mir auf mit. Nein, das größte komödiantische Talent, das dieses Land, achwasredich, diese Galaxie vorzuweisen hat, hockt in Berlin, hört auf den schönen Namen Fil und ist einigen wenigen Glücklichen durch seine in Berlin weltbekannte Fil-und-Sharkey-Show, Provinzlern wie mir durch seine Didi-&-Stulle-Comics bekannt. 

In der zweiwöchentlich im Berliner Stadtmagazin Zitty und seit 1998 auch im Reprodukt-Verlag erscheinenden Reihe über die Abenteuer der beiden Freunde Andreas Stullkowski und Dieter Kolenda begegnen einem schon mal Gott (Stulles Vater), der Teufel, seine Sekretärin, schrumpelbepeniste Sozialarbeiter, David Bowie oder Johnny Jeunesse und die Jugendlichkeitsliga , und das Ganze nicht selten innerhalb weniger Seiten. Was auf den ersten Blick wie ein Comic der Marke „höhö, die blöden Prolos“ in bester Tom-Gerhardt-Tradition erscheint, ist in Wahrheit nämlich nicht nur ein Stück ganz feiner Beobachtung Berliner Alltags, sondern auch immer ein kleines Meisterwerk gekonnter Abschweifung. Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass Fil sich im stillen Kämmerlein zurückzieht, um dort die Geschichte akribisch durchzuplanen, es kann ihn eigentlich gar nichts anderes leiten als der Wahnsinn seiner Figuren und die Aufmerksamkeitsspanne eines MTV-Junkies, wenn er in seinen Storys  von Christian-Ziege-Vodoopuppen über Selbsthilfeseminare mit dem Rainer direkt in die Hölle kommt, wenn Didi & Stulle sich mitten in der Story in seitenlangen Gesprächen über die jeweilige sexuelle Orientierung des anderen auslassen, wenn Stulle zusammenhangslos die Geschichte von Jesus Kent (a.k.a. Jesus) erzählt und irgendein Hintergrundgag plötzlich wichtiger ist als der im Vordergrund. Didi und Stulle ist wohl das, was herausgekommen wäre, wenn Woody Allen und Helge Schneider in eine WG in Berlin gezogen wären und dort beschlossen hätten, ab jetzt Drehbücher für Ren und Stimpy zu schreiben. Wahrscheinlich ist es sogar besser als das.
 

Auch der neue Didi-&-Stulle-Band gibt uns wieder Fil auf der Höhe seines Könnens: Nach dem etwas schwächeren fünften Band Die Galgenvögel von St. Tropez strotzt der Neue wieder nur so von absurdesten Irrungen und Wirrungen, auf die so wohl kein anderer Künstler gekommen wäre. Zum Beweis eine kleine Zusammenfassung des Inhalts: Nach einer durchzechten Nacht mit Peter Struck müssen Didi und Stulle mit Entsetzen feststellen, dass sie von ihm klassisch shanghait wurden und nun in einem Flugzeug über dem Irak auf ihren Absprung warten. Beim Absprung folgt ein seitenlanges Streitgespräch, in dem Didi behauptet, Strucki sei sein bester Freund und nicht Stulle (Zitat Didi: „du weest dit strucki kickboxing masta is… ick war jahrelang mit ihn im verein und er war der einzje der ma umhaun konnte“…), was dieser nicht auf sich sitzen lassen kann. Er ruft seinen Freund Old Gott, der Didi beweisen soll, dass er in Wirklichkeit  sein bester Freund ist und nicht Strucki. Dieser ist allerdings wenig beeindruckt und verpasst dem lieben Gott erstmal eine. Daraufhin bittet Stulle Gott um Gnade („Oh Gott bitte zürne Didi nich! Er wusste nich watta tut“), doch dieser hat etwas anderes im Sinn: Er will Didi eine Lektion erteilen, die er nicht mehr vergisst, und ignoriert dabei, dass Didi eigentlich gar kein „klassischer Lektionenlerner“ ist…

An dieser Stelle breche ich das kleine Resümée ab, denn ich möchte niemandem die Überraschung verderben, wenn plötzlich Tomte hörende Saddam-Doppelgänger, identitätssuchende Hintergrundfiguren und Menschen mit gepunkteter Haut (weil das so schön zu Frau Stullkowskis Vorhängen passt) auftauchen. Es sei nur jedem, der mal irgendwo anders als bei Ausbilder Schmidt oder Bernd Stelter gelacht hat, gesagt, dass er sich bitte diesen verfluchten Comic holen soll, am besten drei-, wenn nicht sogar vierfach. Und wenn das nicht geht, dann könnt ihr ja, so wie ich, anfangen, Geld zu sparen für den nächsten Berlin-Trip zur Fil-und-Sharkey-Show …

Didi & Stulle 6: Der Plan des Gott
Reprodukt, November 2006
Text und Zeichnungen: Fil
48 Seiten, Softcover, farbig; 7,- Euro
ISBN 978-3-938511-64-0

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Bildquelle: www.reprodukt.com