Rezensionen

Crossed 1

Cover Crossed 1Diesem Comic ist ein gewisses Unbehagen anzumerken. The Walking Dead, die dazugehörige TV-Adaption und der damit zusammenhängende Boom von Zombiecomics und -filmen hat Garth Ennis anscheinend etwas verärgert. Oder zumindest ein Unbehagen bei ihm verursacht. Und so entwarf er seine eigene Version einer Zombieapokalypse und holt das Genre wieder auf den Boden zurück.

Ein hochansteckendes Virus befällt die Menschen und macht aus ihnen rasende Bestien. Alle Hemmungen fallen und die Zivilisation versinkt in Gewalt. Durch blutige Striemen im Gesicht gekennzeichnet, welche die Form eines Kreuzes haben, morden, schänden, verstümmeln und jagen die Infizierten alle anderen Menschen. Eine kleine Gruppe von Unversehrten kann ihnen entkommen und streift durch die USA auf der Suche nach einem sicheren Ort.

Diese Inhaltsangabe klingt nach einem x-beliebigen Zombiefilm. Mit dem Unterschied, dass die Bestien nicht tot sind, sondern lebende Menschen. Wie in fast allen von Ennis‘ Comics verdecken auch hier die Gewalt und die Spannung leicht die dazugehörige soziale und psychologische Aussage. Vielleicht ist Ennis ja auch einfach nur bescheiden und will mit seiner offensichtlichen Intelligenz nicht hausieren gehen. Wohl verpackt kritisiert er alle Zombiefilme und -comics. Im Kern lautet die Aussage von Crossed: man braucht keine Naturkatastrophen oder Zombies, um die Menschheit auszurotten. Das machen die Menschen schon selber. Das dem Morden zugrundeliegende Virus macht die Menschen nicht genregemäß zu Zombies, sondern entfacht einfach die ihnen latent innewohnenden Triebe und es fallen alle Hemmungen. Angesichts dieses alltäglichen Horrors überschreiten auch die Nicht-Infizierten ihre Grenzen und werden immer unmenschlicher.

Zombies, Aliens, Vampire, Naturkatastrophen, Atom-GAUs? Vergesst es. Nehmt einfach das Böse in jedem Menschen und lasst es frei. Das ist eine eindeutige Kritik am Zombiegenre und gleichzeitig weitaus beängstigender. Denn man hat unwillkürlich Nachbarn, Freunde, Kollegen und Familienmitglieder vor Augen und fragt sich, was die wohl tun würden, wenn das Virus sie befallen würde. Schließlich leben die Infizierten einfach den Wahnsinn und Triebe aller aus. Garth Ennis sagte einmal gegenüber dem Autor Steven A. Grant, dass Alien ein Film sei, der ihn sehr geängstigt hätte, aber kein Horrorfilm und keine Geschichte ihn auf den realen Schrecken der Vergewaltigungslager im jugoslawischen Bürgerkrieg hätte vorbereiten können. Und diese Auffassung sieht man in diesem ganzen Band.

„Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“. Diesen Satz aus Dantes Inferno hat man beim Lesen immer im Hinterkopf. Vielleicht ist dies der düsterste Comic von Ennis (auch aufgrund des fehlenden sarkastischen Humors), weil er der pessimistischste ist, was seine Haltung zur Natur des Menschen und gegenüber der Religion angeht. Nicht umsonst sind die Infizierten durch ein symbolisches Kreuz gekennzeichnet, was im Grunde eine Weiterentwicklung des Kainsmals darstellt und somit für die Erbsünde steht. Wieder einmal tritt der kritisch-katholische Hintergrund des irischen Autors zutage. Jedenfalls ist Crossed in seiner Schockwirkung beeindruckend, illustriert in detailreichen Scheußlichkeiten von Jacen Burrows, der sich langsam zu einem Spezialisten in diesem Bereich mausert (Die Chroniken von Wormwood), und unterfüttert mit den typisch meisterhaften Dialogen von Ennis. Und nach all dem Horror, der hier nicht nur graphisch Grenzen überschreitet, sondern Genrekonventionen sprengt, gibt es unerwartet am Ende doch ein kleines Zeichen der Hoffnung, was man in den Bildern leicht übersehen kann. Eine kleine Geste reicht, um zu zeigen, dass es noch nicht zu spät ist. Nicht nur für die Überlebenden, sondern für die gesamte Menschheit. Und diese letzte Szene ist angesichts des sehr auf Schockeffekt angelegten Comics ungeheuer bewegend.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Ennis‘ Kommentar zum Zombiegenre ist vielleicht nicht sein bestes Werk, da es zu sehr auf Effekt angelegt ist, aber spannend, brutal, bewegend und sehr kritisch gegenüber Menschen und Religion.

 

Crossed 1
Panini Comics, September 2012
Text: Garth Ennis
Zeichnungen: Jacen Burrows
Übersetzung: Bluna Williams
260 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 19,95 Euro
ISBN: 978-3-86201-434-7

Jetzt bei amazon.de anschauen und bestellen!