Rezensionen

Lance 1

Cover Lance 1Der amerikanische Zeitungsstrip Lance von Warren Tufts erschien zwischen 1955 und 1960 in mehreren amerikanischen Zeitungen. In insgesamt fünf Hardcover-Alben bringt der Bocola Verlag die Serie in digital restaurierter Form erstmals auf Deutsch heraus.

Schon bem ersten Blick in den Band fühlt man sich sofort an Prinz Eisenherz von Hal Foster erinnert. Nicht nur sind die Erzählstrukturen ähnlich (der Text läuft parallel zum Bild und auf Sprechblasen wird verzichtet), die dezente Action und sogar die Figurenanordnung im Panel könnten manchmal direkt der Eisenherzsaga entnommen worden sein. In dem informativen Vorwort von Uwe Baumann wird auch mehrfach darauf eingegangen. Aber mit den Ähnlichkeiten in der Erzählstruktur, der Bildkomposition und der Figurenanordnung hat es sich dann auch. Denn Lance ist nicht Prinz Eisenherz im Westen.

Während Eisenherz schamlos in der Geschichte herumplündert und Wikinger neben Hunnen und Ritter und Merlin und antike Römer und Indianer und, und, und, anreiht, ist eine Westernserie natürlich motivisch etwas mehr eingeengt. Während eine historisch unkorrekte Mittelalterserie ein paar historische Jahrhunderte vorrätig hat, die ihr genügend Stoff, Motive und Ikonen liefert, hat ein Western nur eine überschaubare Menge an Themen. Und die Motive sind heutzutage schon so gut wie alle erzählt. Der erste Band von Lance erzählt, wie der junge Leutnant der Kavallerie, Lance, in den Westen kommt und sich direkt am ersten Tag mit dem Indianerhäuptling Loud Thunder verfeindet. Während eines Auftrages von General Dodge, diesen Missstand auszuräumen, erhält Lance sein erstes Kommando und muss feststellen, dass ein Krieg mit den Indianern droht. Er wird zusammen mit einem Sergeant in die Wildnis geschickt, um die Indianer zu beobachten. Zusammen mit einigen Trappern erleben sie so einige Abenteuer, können aber die Ureinwohner nicht davon abhalten, auf den Kriegspfad zu gehen.

Seite aus Lance 1Lance ist nicht nur historisch korrekt, Warren Tufts lässt auch historische Personen auftreten. So sind etwa General Dodge, einige der Trapper und Kit Carson real. Angesiedelt ist die Handlung zwischen 1834 und 1848. Manchmal erinnert der Held in seinem Einzelheroismus – ein Mann verhindert einen Indianerkrieg – etwas an Leutnant Blueberry. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Charlier und Giraud einige Anleihen bei Lance genommen hätten. Die ritterliche Attitüde des Helden schwingt schon ein bisschen in seinem Namen mit. Komplett heißt er Lance St. Lorne und hat auf phonetischer Ebene schon eine gewisse Ähnlichkeit mit Lancelot du Lac aus der Artussage. Individuelle Bedürfnisse müssen fast komplett hinter der gestellten Aufgabe zurückstehen und niemandem wird Hilfe verweigert.

Die Action ist sehr dezent und findet, ganz Fünfziger Jahre, im Off statt. Die Figuren sind weniger grau schattiert, wie es dann vor allem durch den Einfluss des Italowestern und der James- Bond-Filme Anfang der Sechziger üblich wurde, sondern entweder gut oder böse. Nur die Figuren, welche jeweils als der komische Sidekick dienen, dürfen etwas ambivalent sein. Ob das so bleiben wird, muss sich noch zeigen. Denn der reale Kit Carson hat während der Indianerkriege keine sonderlich rühmliche Rolle gespielt (obwohl er mit einer Squaw verheiratet war, führte er die Feldzüge mit großer Brutalität).

Seite aus Lance 1Bislang mögen alle genannten Aspekte sehr traditionell anmuten. Das sind sie natürlich auch, was vor allem Nostalgikern schon den Mund wässrig gemacht haben dürfte. Warum Lance aber auch andere Leser ansprechen dürfte: In mancher Hinsicht ist die Serie für ihre Zeit beispiellos. Es herrscht kein Rassismus – und das in einer Zeit, in der im Western eine Cowboykugel fünfzig Indianer fällte – sondern Verständigung und geistige Offenheit. Es wird sogar eine ethnische Mischung befürwortet. Dass ein Held eine indianische Frau hat, kam schon vor, dass aber eine weiße Frau freiwillig einen Indianer heiratet, war zur damaligen Zeit undenkbar. In Bezug auf den titelgebenden Helden bleibt die Frauenfrage aber noch offen und spannend. Ist seine Liebelei mit der Generalstochter (die sehr Aleta aus Prinz Eisenherz ähnelt, nur brünett) noch sehr klischeehaft, ist die zarte Romanze mit einer Indianerin schon sehr vielversprechender. Auffällig ist auch, dass das typische Westernthema, der Aufbau der Zivilisation, entfällt und stattdessen die Wildnis und deren Bewältigung als Aufgabe für „wirkliche“ Männer gefeiert wird.

Wem das alles immer noch zu altbacken klingt, sollte einfach einen Blick auf die Zeichnungen werfen. Die sind nämlich einfach überwältigend. Die Farben sind grandios und der stellenweise wechselnde Stil trifft nicht nur hervorragend die Stimmung, sondern erschafft sie kongenial. Jedes Panel ist ein Gemälde und wenn man die gerade laufende Storyline nicht interessant findet, kann man sich immer noch von den Bildern packen lassen.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Inhaltlich interessante Mischung aus Altbewährtem und Mutigem, auf der graphischen Ebene absolut überzeugend.

 

Lance, Band 1 (Sundays 1 – 77)
Bocola Verlag, Juni 2011
Text und Zeichnungen: Warren Tufts
80 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 17,90 Euro
ISBN: 978-3-939625-35-3

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Bocola Verlag