“Die Reichen berauben, um es den Armen zu geben.“ Im Grunde genommen ein grundsolides und moralisch vertretbares Ziel, das sich Robin Hood gesetzt hat. Doch nach unentwegtem Beschützen von Witwen und Waisen ist auch der grüngekleidete Held in die Jahre gekommen. In seinem neuesten Comic Die wundersamen Abenteuer von Robin Hood: Die Legende von Robin Hood weist Manu Larcenet in seiner bitterbösen Geschichte darauf hin, dass nicht nur das Fleisch, sondern auch der Geist schwach werden kann.
Befallen vom Leiden des Herrn Alzheimer streift Larcenets Inkarnation von Robin Hood, begleitet von seinem treuen Kumpanen Little John, durch den Teutoburger Wald und trifft dabei immer wieder auf denselben Witz. Das Berauben der Reichen – vom An-Arme-geben mal ganz abgesehen – gestaltet sich schwieriger als gedacht. Dabei ist es nicht der Zweifel an der moralischen Mission selbst, sondern das schwächelnde Gedächtnis, welches die Benefiz- Tat jäh unterbindet. In seiner geistigen Umnachtung stimmt Robin ein ums andere Mal Schlagersongs an, nur um anschließend von einem onomatopoetischen „KPA!“, verursacht durch Little Johns Stock, wieder in die Realität zurückgerissen zu werden. Das endlose Spiel von Stehlen, Vergessen, Singen und Schlagen wiederholt sich immer wieder aufs Neue; und das Beste daran: Es ist jedes Mal wieder lustig.
Den kunstvollen Einsatz des Running-Gags hat Larcenet ja schon in seinem semiautobiografischen Comic Die Rückkehr aufs Land in imposanter Weise zur Schau gestellt, doch im dritten Teil seiner Reihe Die wundersamen Abenteuer des … treibt er das Konzept auf die Spitze. Während zuvor Sigmund Freud und Vincent van Gogh in richtige Geschichten gesetzt wurden, die es zu erleben galt, besteht der dritte Band der Reihe nur aus kurzen episodenhaften Sketchen.
Diese Tatsache alleine ist aber nicht unbedingt ein Manko, denn die Unterhaltung kommt im Comic sicherlich nicht zu kurz. Auf jeder Seite beginnt der wilde Wettlauf zwischen Erwartungshaltung und Lachkrampf. Selbst ohne die äußerst gelungen Gastauftritte von Bruder Tuck, der mittlerweile zum Papst befördert wurde, und Lord Greystoke, der mit getigerter Erwachsenwindel und einer Vorliebe für die tierischen Bewohner des Waldes ausgestattet wurde, könnte Die Legende von Robin Hood stundenlang so weitergehen. Man könnte behaupteten, dass der Comic kein Ziel hat, aber dann müsste man sich auch eingestehen, dass das ewige Spiel zwischen Charlie Brown, Lucy und dem weggezogenen Football eigentlich ja auch keinen Sinn macht.
Hervorgehoben werden muss an dieser Stelle die Arbeit des Stammübersetzers vom Reprodukt Verlag, Kai Wilksen. Ganz in der Manier der legendären Bud-Spencer- und Terence- Hill-Filme wurde hier der französische Humor aufgezogen und in ein wohltuend überzogenes Deutsch, voll mit populärkulturellen Anspielungen, überführt. Wenn Wilksen Eduard Mörike Worte wie „Der Wald ist total cool, man kann da Spaziergehen“ in den Mund legt oder Robin immer wieder in Dialogduellen auf dummdreiste Touristen loslässt, nehmen seine Übersetzungen montypythoneske Züge an.
Larcenets bisher auf Deutsch erschienen Comicalben erinnern an die Arbeit eines anderen französischen Comiczeichners, Lewis Trondheim. Genau wie Trondheim zeichnet sich auch Larcenet durch eine extreme Bandbreite an Geschichten aus. Die aberwitzigen Episoden in Die Legende von Robin Hood sind wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit. Und während die alten Herren brav in ihrem Donjon sitzen, ist es schön zu sehen, dass sich die französische Jugend strunzvergnügt und bitterböse im Teutoburger Wald austobt.
Reprodukt, Mai 2010
Text und Zeichnungen: Manu Larcenet
Softcover; 48 Seiten; 12,00 Euro
ISBN: 978-3-941099-37-1
Eine nichtendenwollende Spirale des schwarzen Humors.
Abbildungen: © Reprodukt