Mind the Gap

MTG Folge 15: Previews 09/2005

READ OF THE MONTH
 
NIGHT FISHER (GN, 144 S., SW/Fantagraphics/12,95)

 

Loren Foster lebt mit seinem Vater seit sechs Jahren auf einer paradiesisch anmutenden Hawaii-Insel. Das Ende der Highschool naht, und auch die augenscheinlich idyllische Umgebung kann nicht die Risse verbergen, die sich in Lorens Leben auftun. Mit seinem besten Freund Shane hat er sich auseinander gelebt. Lauren hat davon gehört, dass Drogen eine Rolle spielen. Oder vielleicht auch Shanes neue Clique.

Night Fisher wurde schon vor einiger Zeit von Fantagraphics angekündigt und im Previews just mit einer ganzen Seite beworben („The most existing graphic novel debut of 2005“). Ja, so werden große Erwartungen geweckt.

Es reicht allerdings ein kurzer Blick auf die sieben Preview-Seiten (R. Kikuo Johnsons Homepage > Comics) um sich davon zu überzeugen, dass hier nicht zu hoch gestapelt wird. Tatsächlich lassen Kikuos Strich und vor allem seine wunderbare cinematographische Montage eher auf einen reifen, kompletten Künstler vermuten. Gepaart mit den gut getakteten, natürlich wirkenden Dialogen macht die Preview für diese Coming-Of-Age Geschichte definitiv Appetit. Tipp!

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Und jetzt alphabetisch, der Verlage nach.
 

Alternative Comics
 
PIZZERIA KAMIKAZE (TPB, 100 S./14,95)
PLACEBO MAN (TPB, 108 S., SW/14,95)
 
Ob man sich da wirklich einen Gefallen damit tut, wenn man die ersten Paperbacks der Brüder Hanuka beide im gleichen Monat veröffentlicht…?
Ihre Serie Bipolar wurde allseits gelobt, geawarded und sonst was. Und die Previews sehen auch allesamt klasse aus. Der „Magische Realismus“, der sich darin andeutet, würde die Schublade Hernandez anbieten. Auch Brüder, wohlgemerkt.
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Avatar
 
WARREN ELISS’ APPARAT VOLUME 1 (TPB, 112 S., SW/12,99)
 

Wem vier monatliche Pulp-Noir-Ein-Mann-Eine-Aufgabe-Serien aus Ellis’ Feder nicht genügen (Jack Cross, Desolation Jones, Down, Fell), darf hier gerne noch einmal zuschlagen.
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Chuleta Press
 
HELLO (GN, 88 S., SW/10,00)
 

Wie, ihr kennt Chuleta Press nicht? Kein Wunder, handelt es sich hierbei um den Eigenverlag Fay Ryus. Xeric Award sei Dank darf sie jetzt ihren Mini-Comic in einem etwas größeren Format und definitiv einem beträchtlich größerem Publikum vorstellen. Xeric Awards-Comics sind bekanntlich viel öfter Hits denn Misses, und die Preview-Seiten versprühen charmante Naivität, gepaart mit lustigtraurigen Metapherbildfolgen. Das Herz, das sich selbst einmauert und Strichliste über seine Hafttage führt, hat es mir besonders angetan.
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DC Comics
 
ALL-STAR SUPERMAN (Ongoing, 32 S./2,99)
MANHUNTER VOL.1: STREET JUSTICE (TPB, 128 S./12,99)
SEVEN SOLDIERS: THE BULLETEER #1 (4Mini, 32 S./2,99)
SEVEN SOLDIERS: FRANKENSTEIN #1 (4Mini, 32 S./2,99)
WINTER MEN #4 (8Mini, 32 S./2,99)
DMZ#1 (Ongoing, 32 S./2,99)
THE FOUNTAIN (HC, GN, 176 S./39,99)

 
MORRISON!
QUITELY!
SUPERMAN!
Schon in wenigen Monaten wird es heißen: nix mit make my marvel, Make my A.S.S.!

Manhunter von Marc Andreyko ist eine recht traditionelle Sup- nee, Abenteuerserie. Es geht um eine Frau, Mitte 30 und geschieden, tagsüber Anwältin und Rabenmutter, nachts Heldin mit ’nem Zauberkampfstab. Die etwas widersprüchliche Prämisse mag die Würze sein, die der Serie ihren „realistischen“ und individuellen Touch verleiht. Der Bendis-like Dialogwitz tut sein übriges. Think: Superhelden-Soap für Erwachsene.
Der Morrison-Söldner-Wahn geht mit der für meinen Geschmack etwas zu gut „ausgestattenen“ Buletteer und dem wiederum von Doug Mahnke extrem cool in Szene gesetzten Frankenstein in die Endrunde. Was soll man zu Morrison-Comics noch sagen außer: kaufen, lesen, staunen.
Wir werden noch unseren Enkeln davon erzählen, die Ära Morrison, ach ja…

Winter Men waren der Überraschungshit meiner diesmonatlichen Comiclieferung. John Paul Leons Zeichungen erinnern mich an den frühen Fegredo. Die Geschichte wirkt (bei aller Übertreibung, wenn es um SUPERHELDEN geht) sehr geerdet, das moderne Russland scheint mir gut eingefangen. Insoweit ich das beurteilen kann, natürlich. Immerhin habe ich einen coolen Schimpfausdruck aus dem Rumänischen wiedererkannt. Brett Lewis hat seine Osteuropa-Recherche also gemacht.

Brian Wood zum ersten in diesem Monat. In DMZ entwirft Wood eine in Anbetracht von Katrina erschreckend plausible Zukunftsfantasie. Während Amerikas Streitkräfte in fremden Ländern kämpfen, eröffnet die Miliz in der Heimat eine neue Front. In diesem Bürgerkrieg gerät ein junger Journalist zwischen die Fronten und sieht die Chance seines Lebens gekommen: Kriegsberichterstatter im eigenen Land zu werden.

Aronovskys nächsten Film schon mal als Comic preview-sehen? Für 40 Dollar? Kent Williams hat in der Vergangenheit mit Blood: A Tale und Havok & Wolverine: Meltdown zwei sehr schöne Mini-Serien illustriert. Ob er ein ebenso guter Autor ist, erscheint mir allerdings zweifelhaft. Zumindest lassen die steifen Sätze in der zweiseitigen Preview diesen Schluss zu.
[Beginnt auf Seite 53]   
   
 

Dementian Comics
 

NOTHING BETTER #1 (Ongoing, 32 S., SW/2,95)

 

Das sieht nach Futter aus für jene, die nach Blankets Entzugserscheinungen hatten und immer noch haben. Coming-Of-Age Serie mit Gutmenschen-Teenies, Selbstzweifel, dem Herrn Jesu und den ganz großen Gefühlen. Könnte nett sein, doch leider gibt es keine Preview, deswegen ergeht die Kaufempfehlung nur an Mutige.

[Seite 258]

 
 
Drawn & Quarterly
 
WIMBLEDON GREEN: THE GREATEST COMIC BOOK COLLECTOR IN THE WORLD (GN, HC, 128 S./19,95)
 

Da möchte ich gar nicht viele Worte verlieren. Dieses Schmuckstück von Seth anzupreisen ist ungefähr so redundant wie die Feststellung, dass die Indielastigkeit dieser Kolumne die meisten wohl nur annervt. Sei’s drum. […5 Minuten später…] Und an dieser Stelle wollte ich elegant zur 20(!)seitigen Preview überleiten, doch wie ich leider feststellen muss, ist diese mittlerweile offline. Ich habe mich auf jeden Fall köstlich amüsiert und werde mir diese Perle nicht entgehen lassen. […5 Minuten später…] Top. Google Desktop und Cache-Suche sei Dank, habe ich noch einige Seiten gefunden, die ihr euch hier anschauen könnt. Und hier. Und hier. Und hier noch. Tipp!

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Fanfare / Ponent Mon
 

JAPAN AS VIEWED BY 17 CREATORS (TPB, 256 S., SW/25,00)

 
DER amerikanische Edelverlag für Comics aus Japan. In dieser Compilation werden Kurzgeschichten versammelt, die den Blick der Einheimischen sowie der Fremden (um genau zu sein, der französischen Fremden, die für zwei Wochen lang in japanische Städte gesteckt wurden) auf Japan und seine Kultur zum Thema haben. Wieder eine „exquisite“ Preisgestaltung, aber in diesem Fall sollte man dank des Umfangs und der Autorenliste definitiv auf seine Kosten kommen. Namedropping als Kaufanreiz:  Frédéric Boilet, Benoît Peeters, François Schuiten, Joann Sfar, Kan Takahama, Jiro Taniguchi etc.
Einige Vorschauseiten findet ihr hier unter „In the making“.

[Seite 280]

 

Fantagraphics 
 
THE THREE PARADOXES (GN, 80 S./11,95)
 

Die neue GN von Paul Hornschemeier. Das einstündige Interview mit diesem sympathischen Herrn wartet immer noch darauf, von mir fertig übersetzt zu werden. In der Zwischenzeit und bis sein geniales „Mother Come Home“ endlich auf Deutsch erscheint, begnügen wir uns mit diesem Kurztrip in Pauls Welt. Ein Autobio-Comic der etwas anderen Art wird uns hier versprochen. Wer Pauls skurrilmenschliche Comics kennt, weiß, dass es sich lohnt, ihm in die Irrationalitäten und in den Zauber des Alltags zu folgen. Für Neueinsteiger wiederum ist das auch angenehm preisgünstig gestaltet, like in „What a great jumping-on point!“

Tipp!

[Seite 281]

 

Marvel Comics
 

AMAZING FANTASY #15 (32 S./3,99)
BOOKS OF DOOM #1 (6Mini, 32 S./2,99)
FANTASTIC FOUR: THE WEDDING SPECIAL (64 S./4,99)
THE THING #1 (Ongoing, 32 S./2,99)
X-FACTOR #1 (Ongoing, 32 S./2,99)

 

Irgendeinen Gimmick mussten sie sich ja einfallen lassen für die 15 (ihr kommt eh nicht drauf, was vor gut 40 Jahren in der gleichen Nummer passierte). Und da sind vier Kurzgeschichten von Marvels bei den Fans so beliebten zweiten Autorengarde mit massig neuen Helden, Spass und Action ja nicht das Falscheste, was man da tun kann. Viel besser als ein Holographix-Cover ist das auch.

Ed Brubaker zählt (schon fast) zur ersten Garde. Deswegen darf er nicht ganz so viel Spaß haben und wurde zur Franchise-Verwaltung abkommandiert. Aber es ist schon originell. Eine Doom-Origin (Endlich! Man sagt, die siebte sei immer die Beste!). Und eine X-Men Miniserie (wow, lang ist’s her – eine Mini-Serie – MIT DEN X-MEN!), deren Verkaufsbeschreibung mit den legendären Worten abschließt: „… that will have X-Men fans talking for years to come!“ Gänsehaut pur.
 
Im Wedding Special der FF entpuppt sich just im Moment des Kusses vor dem Altar, dass Susan mit der Geschlechtsumwandlung doch größere Probleme hat als zunächst angenommen. Sie wehrt Reeds Antrag also in letzter Sekunde ab, um sich auf den restlichen 60 Seiten mit Northstar über ihre nächste Zukunft im Marvel Universum zu beraten. Jean-Paul Beaubier erzählt ihr vom kurzen Ruhm und dem ewigen Schlamassel, den sein Coming-Out mit sich brachte. Inklusive Tod, Wiedergeburt und vielen schlechten Witzen. Auf der letzten Seite nimmt sich Susan das Leben. Nichts wird mehr danach so sein wie es davor war! Und Susan könnte ein Lied davon singen. Wenn sie denn noch am Leben wäre. Oder… ist sie es etwa?! Key-Issue!

Dan Slott schreibt nach She-Hulk nun das nächste Power-House im Marvel-Haus und man kann davon ausgehen, dass es gute Unterhaltung wird. Ben ist jetzt ein reicher Don, der sein Geld cool verprasst und BlingBling-mäßig unterwegs ist. Die Frage, ob 7(!) Fantastic Four Comics in einem Monat sein müssen, stellen wir lieber den anderen Titeln. ’CAUSE IT’S CLOBBERIN’ TIME!
Oh je. Muss es denn ‚ne X-Serie sein? Egal, ich weiß ja, dass Peter Davids X-Factor mit einer normalen Buddy-X-Men-Serie etwa so viel zu tun haben wird wie Chuck Austen mit ausgeklügelten Storylines. Im Endeffekt handelt es sich hier um eine Art Noir-Detektiv-Büro, dessen Angestellte ausrangierte C-List-Mutanten sind. So habe ich das zumindest verstanden oder verstehen wollen. Ryan Sook als Zeichner ist auch nicht die schlechteste Wahl. Tipp!

 
Narwain Publishing
 

NARWAIN PREVIEW (32 S./2,49)

 

Wäre das nicht cool? Ein neuer Verlag? Mit so ’ner Hand voll Serien an Start gehen, die sonst wo abgelehnt… äh… keine Chance bekamen? Obwohl sie so cool sind? Fantasy und Agenten und Hororzombies und  so? Alle Genres und so? Und im nächsten Monat noch mal ’ne Hand voll? Jeden Monat ’ne Hand voll neue? Ist Alias nicht auch cool? Wäre es nicht cool, für das Verlagsprogramm-Preview dreist 2,49 Dollar zu verlangen? Und davon auch noch ein Variant-Cover zu machen? Also von den Preview-Heftchen? Wie wäre das? Das wäre voll NARWAINSTYLE!

 
 
Oni Press
 

STRANGETOWN (12Mini, 32 S./2,95)
LOCAL (Ongoing, 32 S./2,95)

 

Starker Monat für Oni Press!

Strangetown ist Chynna Clugstons neue vierteljährliche Serie um eine … merkwürdige Stadt. Es geht vor allen Dingen um Vanora, die dort vor einigen Jahrzehnten gestrandet ist, also wortwörtlich. Jetzt haben wir 1993, und die durchaus normale Vanora muss sich in einer Stadt zurechtfinden, in der Unnormalität die Regel ist.

Da Twin Peaks und Strangehaven mir Strangeness-Fetischisten noch lange nicht genug sind, kann ich Chynnas neusten Streich kaum erwarten! Tipp!

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Local wiederum macht es sich zur Aufgabe, Amerikas Städte zu erkunden. Den Menschen und seiner Geschichte in seiner … Stadt. Erstmal keine besonders aufregende Angelegenheit, wenn der Autor nicht Brian Wood hieße. Nach dem Indie-Erfolg Demo liefert er hiermit den nächsten 12-Teiler ab mit in sich abgeschlossenen, monatlichen Geschichten. Da ist die Prämisse fast egal. Tipp!

[Seite 312]
ABKÜRZUNGEN:

GN: Graphic Novel
TPB/TP: Tradepaperback
SC: Softcover
HC: Hardcover
Vol.: Ausgabe
(…): Vorherige Titel des Künstlers
Preisangaben in US-Dollar