Messe- und Ausstellungsberichte

Animagic 2005

Spezialreport, Sonderberichterstatter Bonta 01

[Fragen zu Begriffen aus diesem Artikel? Einfach mal das Comicgate-Anime-ABC checken!]
 

Die Convention
 
Ein echter Treppenfeger – Schwarzer Magier aus „Yu Gi Oh“

Die Animagic findet bereits zum siebten Mal in Folge statt, und seit ihrer Premiere im Juli 1999 hat sich einiges getan. Zusätzlich zur Rhein-Mosel-Halle wurde das Koblenzer Schloß mit in die Con einbezogen – dort finden Ausstellungen, Diskussionsrunden und Autogrammsignierstunden mit den Ehrengästen statt. Seit zwei Jahren hat es sich zudem eingebürgert, dass dort der jährlich wiederkehrende Go-Workshop sowie die verschiedenen Fan-Clubs zu finden sind.

Zu den Highlights der Animagic gehören die japanischen Ehrengäste genauso wie die Showgruppen, das Cosplay und der extensive Händlerraum. Zahlreiche Videoräume, in denen Animes gezeigt werden, Ausstellungen, weitere Workshops, ein etablierter, hochklassiger Zeichenkurs und sogar Anime-Kinovorführungen machen die Animagic zu einem Event der Sonderklasse.
Unser Comicgate-Sonderberichterstatter – Bonta-kun!
 

 
 Bonta-kun recherchiert für Comicgate

Bonta-kun entstammt der Anime-Serie „Full Metal Panic Fumoffu“. Er ist ein mobiles, hochentwickeltes Kampfeinsatzgerät mit zahlreichen defensiven und offensiven Einsatzmöglichkeiten – jedenfalls ist er das in der Theorie. In der Praxis ist der Sprachverzerrer leider ausgefallen, weswegen Bonta-kun nur das titelgebende Wort „Fumoffu!“ von sich geben kann. Außerdem wird er trotz seiner erheblichen Zerstörungskraft nicht immer so ganz ernst genommen – entstanden auf der Grundlage eines Vergnügungspark-Maskottchens sieht er nämlich aus wie eine Kreuzung aus einem gigantischen Teddybären und einem Hamster. Gesteuert wird Bonta-kun von Sosuke Sagara, einem jungen Mann mit einer ausgedehnten Ausbildung in sämtlichen Kriegskünsten – leider hat er ansonsten von allem anderen aber so gut wie keine Ahnung.

Was dann auch einiges aus dem folgenden Bericht erklären dürfte.

 

Animagic-Sonderreport – Start!

Basis, bitte kommen! Reporter Sosuke Sagara, Codename Bonta 01, auf geheimer Mission in Koblenz! 
 
Basis, es folgt mein erster Report von der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Diese Veranstaltung, die sogenannte „Animagic“, macht bereits jetzt einen überprüfungswerten Eindruck auf mich. Direkt vor der Halle, auf einer großen Wiese, scheinen sich Tausende von verdächtigen Individuen zusammenzurotten. Leider kann ich nicht sagen, ob es sich hier um Zivilpersonen handelt oder nicht.

 
Preisträger „Skurrilstes Kostüm“: Beyond the Grave aus „Gungrave“ – von Einsargen kann hier wahrlich nicht die Rede sein!

Auf den ersten Blick wirken die meisten von ihnen harmlos, allerdings habe ich eine besorgniserregende Waffendichte bemerkt. Die meisten scheinen Schwerter oder sonstige Schneide-Waffen zu bevorzugen, stellen für mich und meine Standard-Bewaffnung also keine Bedrohung dar. Bei einigen anderen waffenähnlichen Gegenständen bin ich mir allerdings nicht so sicher. Einige von diesen merkwürdigen Stäben und Artefakten könnten mir unter Umständen gefährlich werden. Ich werde einen ausführlichen Gefährdungsbericht vorlegen, sobald es mir gelungen ist, eine genaue Analyse sämtlicher bedrohlicher Gegenstände vorzunehmen und empfehle bis dahin, dieser Mission Priorität Alpha A1 einzuräumen!

Der Zugang zur Halle stellt sich schwieriger dar, als unsere Informationsaquise im Vorfeld ergeben hat. Zurzeit sehe ich eine lange Reihe von Personen, die sich im Zeitlupentempo auf einige Tische zu bewegt. Offensichtlich ist hier irgendeine Art von Identitätsüberprüfung im Gange. Der Zugang zur Halle scheint streng überwacht zu werden. Ich werde mich unauffällig einreihen und versuchen, Zugang zur Veranstaltung zu erlangen. Ich melde mich wieder, sobald ich drin bin! Bonta01, over und aus!

Basis, bitte kommen! Hier ist Posten Bonta 01! Der Hamster ist gelandet, ich wiederhole: Der Hamster ist gelandet!
 
Ich befinde mich nun innerhalb der Rhein-Mosel-Halle, es ist mir gelungen, durch die strengen Sicherheitskontrollen hindurchzuschlüpfen. Diese Organisation verwendet  merkwürdige Identifizierungscodes, wie ich sie noch nie gesehen habe. Eine Art von Tätowierung nicht-permanenter Natur wurde auf den Handrücken meiner rechten Hand aufgebracht. Ich habe natürlich sofort Proben genommen und sie genauestens analysiert. Angesichts der herrschenden meteorologischen Umstände bin ich skeptisch, als wie wirkungsvoll sich dieses Verfahren herausstellen wird. Zurzeit herrschen konstante Temperaturen von etwa 28 Grad, die Luftfeuchtigkeit liegt bei ca. 80 %. Die Substanz, aus der die falsche Tätowierung besteht, beginnt bereits, sich aufzulösen. Ich sehe hier Probleme voraus, werde mich aber erst damit beschäftigen, wenn der Ernstfall eintritt. 
Soeben habe ich die letzten Sicherheitskontrollen passiert. Meine Waffen musste ich leider draußen lassen, sie wären sonst konfisziert worden. Jetzt mische ich mich unauffällig unter die Anwesenden und folge der großen Masse, um herauszufinden, was hier eigentlich vor sich geht.

 
Ein Blick in den Versorgungstr… äh… den Händlerraum

Das Gebäude scheint insgesamt aus drei Ebenen zu bestehen – meine taktische Analyse hat ergeben, dass das unterste Level eine Art von Basislager und Versorgungstrakt darstellen muss, während die mittlere Ebene einen Multifunktionsraum mit Verbindungscharakter beherbergt. Die erheblich verwinkeltere und mysteriöse Anlage auf der obersten Ebene muss ich erst noch erkunden. Zunächst wende ich mich nun der untersten Ebene zu. Soweit ich es sehen kann, wurde hier tatsächlich eine Art von Versorgungslager errichtet. An langen Tischen sind viele verschiedene Waren zu sehen, deren Natur sich mir teilweise entzieht. Ich stelle eine hohe Dichte an Informationsmaterial in Buchform und auf Datenträgern fest. Daneben scheint es jedoch auch andere Versorgungsgüter zu geben. Besonders der Zweck der kleinen, sehr detailgetreuen Figuren, die hier überall zu finden sind, erschließt sich mir nicht auf den ersten Blick. Anscheinend lösen sie jedoch bei den meisten Betrachtern hier eine sehr potente Art von Besitzreflex aus. Mehrfach habe ich gefährliche Konfliktsituationen mit hohem Gewaltpotential beobachtet! Dabei scheint es auf der höher gelegenen Ebene direkt über diesem Versorgungstrakt sogar eine Reihe von unbewachten Glasschränken zu geben, in denen diese kleinen Figuren sorgsam aufgebaut sind. Ich verstehe nicht, warum sich dort niemand einfach bedient. Ein weiteres Rätsel, das ich dringend zur Erforschung empfehle, denn ich kann nur vermuten, dass es sich bei diesen Figuren um eine Art von hochrangigen Statussymbolen oder möglicherweise sogar heiligen Reliquien handelt. Sie könnten möglicherweise einen Schlüssel zum Verhalten dieser merkwürdigen Kultur darstellen.

 

Report Bonta 01, Standort jetzt mittlere Ebene.

 
Cosplay – Zauberhafte Kreaturen allerorten

Ich habe jetzt den Versorgungstrakt verlassen und bewege mich auf der mittleren Ebene. Hier scheinen sich hauptsächlich einige paramilitärische Organisationen angesiedelt zu haben, die eindeutig auf der Suche nach neuen Rekruten sind. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich eine Organisation namens „Panini“, eine weitere große Organisation namens „ADV-Films“ sowie einige kleinere, aber nichtsdestotrotz nicht weniger verdächtige Splittergruppen namens „Yaoi Germany“, „Zeichenworkshop“ und „Modellbauworkshop“ ausfindig gemacht. Außerdem wurde mir zugetragen, dass sich weitere Splittergruppen in der als „Schloss“ bezeichneten zweiten Anlage aufhalten sollen. Ich werde diese Organisationen zu einem späteren Zeitpunkt genauestens analysieren und gegebenenfalls infiltrieren müssen.

Der nächste Teil meiner Erkundungsaktion betrifft die oberste Ebene des Gebäudes.  Hier befinden sich anscheinend mehrere konspirative Zellen, die mit dem harmlos klingenden Namen „Videoräume“ gekennzeichnet sind. Außerdem habe ich soeben einen großen Saal entdeckt, in dem scheinbar Versammlungen abgehalten werden sollen. Sehr verdächtig finde ich den sogenannten „Spieleraum“. Hier gibt es ein hohes Potenzial an nicht auf den ersten Blick identifizierbarem elektronischem Equipment. Anscheinend ist dies eine Art von Trainingseinrichtung, denn hier werden nicht nur Kampfsimulationen und eine Art von Ausdauertraining durch Tanzbewegungen angeboten, sondern unzweifelhaft wird hier auch gezielt Koordinationsvermögen und Taktik geschult. Was allerdings die merkwürdige Vorrichtung bewirken soll, bei der vier Leute um einen Bildschirm stehen und im Takt auf Percussionskörper einschlagen, ist mir schleierhaft. Vielleicht eine neue Art von Agressionsbewältigung oder gar Folterausbildung?
 
Dieselbe scheint sich nahtlos in einem anderen Teil des Gebäudes fortzusetzen. Von dort ertönen regelmäßig unartikulierte Schreie und laute Musik, wie sie in barbarischeren Gegenden zur Willensbrechung durch Lärmbelästigung eingesetzt wird. Meine Investigationen haben ergeben, dass dies jedoch nicht, wie zunächst angenommen, der Gefängnistrakt ist. Vielmehr scheinen sich dort bestimmte Individuen zusammenzufinden, um gemeinschaftlich oder alleine mit voller Stimmkraft in ein Mikro zu brüllen. Angeblich nennt man das „Karaoke“. Ich empfehle dringend weitere Nachforschungen – dieses „Karaoke“ scheint ungeheures Potential zu besitzen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass hier eine neue Generation von Schallwellen-Waffen erforscht wird!

 

Basis, hier wieder Bonta 01, diesmal von der oberen Ebene.
 
Langsam frage ich mich, ob diese sogenannte „Animagic“ nicht in Wirklichkeit der Deckmantel einer weltweit operierenden geheimen Organisation ist. Jedenfalls zeichnet sich eine deutliche Verbindung in den asiatischen Raum ab. Zum Beispiel habe ich viele asiatisch aussehende Schriftzeichen gesichtet. Soeben findet auch eine merkwürdige Versammlung im großen Saal statt. Eine große Menge von Zuschauern hat sich dort versammelt. Auf die Bühne trat sodann ein Mann, von dem ich zunächst dachte, dass er einen Bademantel trüge. Ich wurde jedoch von einem neben mir stehenden Zuschauer aufgeklärt, dass es sich um einen sogenannten „Kimono“ handele. Der Mann, der sich als Thomas, Chefredakteur der Animania, vorstellte, hielt eine feurige Rede, die das Publikum sichtlich wohlwollend aufnahm. Ich empfehle schärftens, diese ominöse „Animania“ einem genauen Sicherheitscheck zu unterziehen. Es scheint sich dabei um eine Art von Nachrichtendienst zu handeln. Eventuell können wir dort weitere wertvolle Informationen sichern!
 
Zurück zum aktuellen Geschehen: Soeben wird eine Reihe asiatisch aussehender Individuen vorgestellt, die jeweils mit frenetischem Applaus begrüßt werden. Diese Individuen firmieren hier unter der Bezeichnung „Ehrengäste“. Keiner von ihnen scheint es sich nehmen lassen zu wollen, eine Rede zu halten. Mein Universal-Übersetzungsmodul ist leider derzeit defekt, weswegen ich kein Wort verstehe. Damit scheine ich der einzige zu sein, denn alle um mich herum jubeln nach jedem unverständlichen Satz. Anscheinend sind hier alle Experten für fernöstliche Sprachen. Nach allem, was ich verstehe, könnte der Redner auch das Alphabet rückwärts aufsagen. Es ist zwar eine Übersetzerin anwesend,  ich bin allerdings nicht sicher, ob in dem, was die Ehrengäste tatsächlich sagten, nicht doch sublime Botschaften enthalten waren, die sich mir aus der Übersetzung nicht erschliessen. Sollen diese Leute tatsächlich nur harmlose Künstler sein? Anwesend sind laut dieser Darstellung unter anderem der Musiker Shinji Kakijima und die Sängerin CHINO, zwei bekannte Anime-Regisseure namens Ichiro Itano und Kôichi Ôhata sowie Tadashi Ozawa, ein bekannter Manga-ka und Charakterdesigner. Das alles erscheint mir schwer vorstellbar. Anscheinend handelt es sich hier schließlich um religiöse Lichtegestalten oder Kultoberhäupter, die mit frenetischem Applaus verehrt werden! Diese Personen sollten wir unbedingt im Auge behalten!

 
 

Hallo Basis, Bonta 01 meldet sich wieder von der Animagic. 
 
Ich habe nun den Versammlungssaal verlassen und sammele weitere Informationen. In den sogenannten Videoräumen wurden bereits einige dieser „Anime“ gezeigt, Filme, deren Inhalt anscheinend darauf angelegt ist, die versammelten Rekruten zu motivieren. Soeben fand zudem eine weitere merkwürdige Versammlung im großen Saal statt. Bei dieser wurden verschiedene Dinge auf der Bühne gezeigt und dann meistbietend unter den Anwesenden versteigert. Zu meiner Überraschung waren die meisten Artikel Fabrikate aus grell-bunten Stoffen mit merkwürdigen Aufdrucken, auf die irgendjemand etwas gekritzelt hatte. Angeblich handelte es sich um sogenannte „Con-T-Shirts“ mit Autogrammen. Ich persönlich glaube allerdings, dass es sich um eine spezielle Art von  Rüstungsteilen handeln muss, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so viel Geld für ganz gewöhnliche T-Shirts ausgibt!

 

Basis? Hört mich jemand? Hier ist Bonta 01, ich berichte jetzt aus dem Schloss.
 
Ich habe es endlich geschafft, diese feindliche Bastion zu infiltrieren. Hier bin ich sofort auf allerlei verdächtige Organisationen gestoßen! Eine davon nennt sich „Go-Workshop“. Hier beschäftigen sich allerlei Individuen mit schwarzen und weißen Steinen. Ich habe den leisen Verdacht, dass diese Steine feindliche Einheiten darstellen und dass hier taktische Manöver durchgespielt werden, konnte diesen Eindruck aber noch nicht endgültig verifizieren.

In einem anderen Raum kommt es dagegen zu nahkampfartigen Situationen. Draußen dran stand „Bring & Buy“, aber ich muss gestehen, dass ich es nicht bis zur Mitte des Raums geschafft habe und daher nicht sagen kann, was genau da drinnen eigentlich vorgeht. Soweit ich aus der Ferne feststellen konnte, sind dort große Tische aufgebaut, auf denen verschiedenartige Waren ausgebreitet liegen – wegen der die Tische umgebenden Menschenmasse kann ich allerdings nichts genaues über die Natur dieser Gegenstände sagen. Ich habe allerdings zahlreiche Individuen beobachtet, die den Raum mit leeren Händen betraten und ihn eine halbe Stunde später mit vollen Armen und einem seligen, leicht abgehobenen Gesichtsausdruck wieder verließen. Sehr merkwürdig. Möglich, dass hier bewusstseinsverändernde Substanzen im Spiel sind!

 

 
Cosplayer-Gruppe aus „Yami no Matsuei“

Hier im Schloss findet sich auch eine Reihe weiterer paramilitärischer Organisationen, die hier ihre Zelte aufgeschlagen haben und anscheinend über ihre Ziele informieren sowie auf Mitgliedersuche sind. Der Sammelbegriff für diese Organisationen scheint „Fan-Clubs“ zu sein. Sie sind auf verschiedene Bereiche spezialisiert. Der größte, den ich so auf die Schnelle ausmachen konnte, war der sogenannte „Animexx“. Andere firmierten unter Namen wie „Anime no Tomodachi“ oder „Cosplay Heaven“. Die Tarnung dieser Organisationen ist genial. Sie wirken auf den ersten Blick alle samt und sonders harmlos und friedfertig. Ich kann nur vermuten, welche perfiden Pläne sie verfolgen, da ich auf die Schnelle keine dieser Organisationen ausspionieren konnte. Angeblich sind sie alle nur Zusammenschlüsse von Fans, die einträchtig einem gemeinsamen Hobby nachgehen wollen. Ja, schon klar. Die Leute, die hier rumlaufen, wirken alles andere als harmlos – fanatisch wäre eher das richtige Wort! Ich füge hier ein Sprachfile bei, das ich vor wenigen Minuten inmitten einer größeren Ansammlung aufnehmen konnte:

 

„… Sephiroth der einzig wahre Bishonen, oder wie siehst du…“

„… schon diese neue Serie gesehen? Waaas, noch nicht? Ja, bist du denn des Wahnsinns, wie kannst Du das nicht kennen…“

„… Inu Yasha und Kagome, ganz klar, und…“

„… das einzig wahre Pärchen, da lass ich mir nichts anderes sagen…“

„… das Artbook hab ich mir grade gekauft, war auch ganz billig, nur 129 Euro! Das ist doch…“

„… das ist Yaoi, das muss gut sein…“

„… guck mal, da ist Yami! YAAAMIIIIIII! WAIIIIIII!“

 

Habt ihr das störungsfrei empfangen? Diese Leute sollen harmlose Fans sein? Klar, und grüne Mambas sind die perfekten Kuscheltiere. Nun gut, ich mag zufällig Schlangen, aber ihr versteht schon, was ich meine. Niemand, nicht mal ein Befehl höchster Priorität, bringt mich noch einmal in diesen „Bring & Buy“-Raum! Das sind hier alles gefährliche Verrückte!
 
Ich habe mich erstmal in das obere Stockwerk des Schlosses geflüchtet. Hier ist die Dichte an diesen sogenannten „Anime-Fans“ nicht ganz so groß, außerdem ist die Atmosphäre etwas gemäßigter. Soweit ich mitbekommen habe, sollen hier irgendwo auch die zuvor schon erwähnten Ehrengäste zu finden sein. Hier werden nämlich Autogrammstunden und Diskussionsrunden veranstaltet. Ich denke, dass diese Diskussionsrunden so etwas wie Lagebesprechungen oder Briefings sein müssen. Natürlich interessiert mich das brennend, aber leider bin ich bisher aus jedem Saal wieder rausgeschmissen worden. Anscheinend sieht man es hier nicht so gerne, wenn jemand mittendrin in so etwas hineinplatzt und zudem konnte niemand mit meiner dringlichsten Frage – „Fumoffu?!“ – etwas anfangen. Verdammter Stimmverzerrer! Vielleicht haben die hier aber auch nur einfach meine Tarnung durchschaut, wer weiß.

 
Ein (sehr kleiner) Ausschnitt der Fanart-Ausstellung

Ich nutze die Zeit jedenfalls, und schlendere einmal kurz durch die hier aufgebaute Ausstellung. Die ausgestellten Bilder würden wie Zeugnisse längst vergangener Kulturen anmuten, wenn ich nicht auf einigen Namen und Figuren erkennen würde, die ich bereits zuvor gesehen habe, zumeist begleitet von Ausrufen wie „Aaaaah! Guck mal daaaa!“ oder „Wie süüüüüß!“. Diese Ausstellung firmiert unter dem Titel „Fanart-Ausstellung AnimaniA“ und ich bin trotz meiner Skepsis dieser ganzen Veranstaltung gegenüber beeindruckt von der Vielfalt der Themen und der Kunstfertigkeit, mit der einige der Gemälde angefertigt wurden.

 
 

Basis, hier Bonta 01, ich melde mich jetzt noch einmal aus der Rhein-Mosel-Halle.

Jetzt werde ich mich etwas weiter vorwagen und versuchen, einigen der Dinge auf die Spur zu kommen, von denen ich bisher nur gehört habe.

Dieser eine Saal zum Beispiel. Dort scheinen ständig große Versammlungen stattzufinden, da muss doch etwas dahinter stecken. Ich werde mich jetzt einige Zeit dort aufhalten und versuchen, herauszufinden, was es damit auf sich hat.

Basis, ich muss zugeben, dass ich leicht verwirrt bin. Auf derselben Bühne, auf der zuvor die Ehrengäste vorgestellt wurden und auf der auch diese ominöse Auktion stattfand, tummelt sich heute allerlei merkwürdiges Volk. Bis jetzt habe ich mindestens drei verschiedene Gruppierungen gezählt, die auf der Bühne irgendeine Botschaft an die versammelten Anwesenden bringen wollen. Die Art, die sie dazu wählen, erscheint mir allerdings eher ineffektiv. Anstatt einfach zu sagen, was sie wollen, wird hier anscheinend ein versteckter Code durch musikalische Darbietungen, rhythmische Tanzvorführungen und szenische Nachstellungen übertragen. Es ist mir inzwischen gelungen, eines jener Pamphlete zu beschaffen, dass anscheinend von der federführenden Organisation ausgegeben wurde, um hier den Ablauf der Veranstaltungen zu managen. Darin steht, dass es sich bei diesen Gruppen um verschiedene „Showacts“ handele. Das klingt wieder verdächtig harmlos, aber ich habe auch Beweise für meine Theorie gefunden, dass hier Arges im Busch ist: Eine der Gruppen heißt beispielsweise „Tsuki no Senshi“. Laut meinem internen Übersetzungsmodul bedeutet das soviel wie „Krieger des Mondes“ oder „Mondkrieger“. Hah! Wusste ich es doch!

 

Inzwischen hat das Publikum wieder einmal gewechselt, anscheinend steht ein weiterer Programmpunkt bevor. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hier übrigens sehr scharf. Der Eingang zum Saal wird nunmehr bewacht, und es werden nur noch abgezählte Gruppen eingelassen. Eine Sicherheitsmaßnahme, die mich nachdenklich stimmt. Wen genau will man hier eigentlich vom Eintritt abhalten? Da stimmt doch etwas nicht. Jetzt wird die nächste Vorführung angesagt. Aha, es heißt, hier findet jetzt das „Cosplay“ statt und zwar in der Kategorie Einzel und Paar. Das klingt interessant. Cosplay… Cos… Costume… Ah ja, es geht also um Verkleidungen, um Tarnungen sozusagen! Sehr interessant. Ich denke, hier werde ich mich einmal einschleichen und versuchen, direkt hinter die Bühne zu kommen! Ich weiß, diese Mission mag gefährlich sein, aber ich denke, dass sich das Risiko rentieren wird, denn ich werde mit Sicherheit wertvolle Einblicke in einige geheime Abläufe bekommen. Basis, ich gehe jetzt rein – wenn ihr in einer Stunde nichts von mir gehört habt, ist wahrscheinlich der Ernstfall eingetreten. Wünscht mir Glück!

 

Basis? Könnt ihr mich hören? Ich melde einen vollen Erfolg!

Ich befinde mich jetzt hinter der Bühne. Hier liegt noch allerlei Ausrüstung von der Gruppe herum, die zuvor aufgetreten ist. Allerdings stehe ich unter ständiger Beobachtung und kann daher nichts näher untersuchen. Es war unerwartet einfach, hier hereinzukommen. Anscheinend hält man mich für einen Teilnehmer dieses absonderlichen Wettbewerbes. Hier halten sich noch eine ganze Reihe weiterer sogenannter Cosplayer auf. Die meisten davon sind ziemlich blass und sehen aus, als ob auf der Bühne ein Erschießungskommando auf sie wartet statt der fünfköpfigen „Jury“, die soeben vorgestellt wurde. Das ganze macht mich langsam misstrauisch- vielleicht wissen diese Leute etwas, was ich nicht weiß? Leider waren alle meine Kommunikationsversuche bisher zum Scheitern verurteilt, da mein interner Stimmverzerrer noch immer defekt ist und hier anscheinend niemand mit einem energischen „Fumoffu!“ etwas anfangen kann. Sie zeigen immer nur auf mich und lachen. Irgendwie finde ich das ziemlich verunsichernd.

 
Gruppencosplay auf der Bühne am Sonntag – und ewig droht das Zeitlimit!

Oha, was passiert jetzt? Anscheinend beginnt die Show. Der Erste betritt die Bühne… ich kann gar nichts sehen, die Scheinwerfer sind so hell. Hm… soweit scheint alles in Ordnung zu sein. Der Cosplayer steht einfach nur in der Mitte der Bühne und erzählt was. Scheint ja doch harmlos zu sein. Es sieht aber so aus, als gäbe es irgendeine Art von Zeitbeschränkung. Das Publikum hat jedenfalls gerade begonnen, von zehn an rückwärts zu zählen. Ich frage mich, was passiert, wenn… Du lieber Himmel! Die Zeit ist gerade abgelaufen, und jetzt geht eine Art von Alarm los und eine Truppe merkwürdig gekleideter Gestalten springt auf die Bühne! Laut Ansage handelt es sich um die „Cosplay-Polizei“! Das klingt gar nicht gut… aber jetzt ist das Licht ausgegangen und ich kann nichts mehr sehen! Basis, das gibt’s doch nicht, der Cosplayer ist verschwunden! Was haben sie mit ihm gemacht?! Jetzt geht schon der Nächste auf die Bühne… ich muss hier weg, das ist eine Falle!

Was? Hey, lasst mich los! Was soll das heißen, „Startnummer 5, du bist dran“?! Ich will nicht! Basis, ich fürchte ich wurde entdeckt! Schickt keine Hilfe, ich bin sowieso verloren…

 
 

Basis? Hört ihr mich? Bonta 01 hier, noch immer am Leben, wenn auch nicht gänzlich unversehrt.

Anscheinend hatte ich die Situation falsch eingeschätzt. Ich wurde lediglich auf die Bühne geschubst, obwohl ich mich heftig wehrte. Danach nahm mich irgendjemand am Arm und ich wurde irgendwohin geführt und schließlich ging’s zurück hinter die Bühne. Eigentlich also ganz unspektakulär. Ich musste dann dort noch eine ganze Weile ausharren. Viel später drückte mir dann irgendwann jemand eine Tüte in die Hand, sagte mir, ich hätte was gewonnen und dann fand ich mich auch schon wieder vor dem großen Saal wieder. Eine merkwürdige Sache, dieses Cosplay, aber anscheinend keine Gefahr für Leib und Leben, höchstens für die Nerven.
Inzwischen habe ich weitere interessante Phänomene beobachtet. Anscheinen gibt es hier neben den Videoräumen sogar ein Kino. Außerdem habe ich von einem weiteren Veranstaltungsort namens „Circus Maximus“ gehört. Allerdings scheint dieser weniger mit antiker Geschichte als vielmehr mit einen Phänomen namens „J-Rock“ zu tun zu haben. An wieder anderer Stelle des Gebäudes werden anscheinend Gefechte unter wirklichkeitsnahen Bedingungen simuliert – das ganze nennt sich dann „Rollenspiel“. Und das ist noch längst nicht alles.
 
Preisträger „Bestes Kostüm“: Hajime Ryuudou und Tsuzuku Ryuudou aus „Souryuuden“ – dank ihrer Performance inzwischen besser als „die Milchschnitten“ bekannt

Ich kann gar nicht alles beschreiben, was sich hier abspielt, Basis. Das scheint hier eine komplette Welt für sich zu sein. Das einzige verbindende Element, das ich zwischen all diesen Leuten feststellen kann, ist das Gemeinschaftsgefühl, das sie anscheinend alle hier zusammenbringt. Es gibt hier so viele verschiedene Gruppierungen, und beinahe keine zwei scheinen sich völlig einig zu sein – anscheinend gibt es da gewaltiges Konfliktpotential, wenn sich „Subber“ und „Dubber“, Yaoi-Fans, Anhänger ganz bestimmter Genres oder sogar einer bestimmten, natürlich immer der „einzig wahren“, Serie treffen. Cosplayer und Visual Kei, Fanart-Künstler, Fanfiction-Schreiber, Autogrammjäger, Sammler, Modellbauer – alle diese Begriffe habe ich in den letzten Tagen in engem Zusammenhang gehört. Es erscheint mir fast unglaublich, dass sich so viele unterschiedliche Leute zusammentun. Trotzdem scheint es irgendwie zu funktionieren. Zwar hört man allerorten Klagen – über die bereits eingangs erwähnten Tatoos, über die Sicherheitsmaßnahme, über das Programm –, aber soweit ich es feststellen kann, herrscht trotzdem irgendwie Einigkeit, dass man nächstes Jahr wieder hierher kommen wird. Um ganz ehrlich zu sein – ich bin fasziniert.

 

 
Preisträger „Süßestes Kostüm“: Vivi aus Final Fantasy IX – klein, aber oho!

Basis, ich beschließe meinen Bericht daher mit folgender Feststellung: Vielleicht sind diese Anime- und Mangafans ja doch nicht so gefährlich, wie ich zuerst angenommen habe. Vielleicht sind sie ganz einfach nur eine Truppe unkonventioneller Leute, die sich zusammenfinden, um gemeinsam Spaß zu haben, so merkwürdig mir das auch erscheinen mag. Daher betrachte ich hiermit die Mission als abgeschlossen. Falls ihr mich jetzt nicht mehr brauchen solltet – ich bin dann im Händlerraum, da habe ich vorhin dieses wunderbare Artbook gesehen, und danach muss ich unbedingt noch diese eine Serie gucken und ich brauche auch unbedingt noch ein Autogramm, und…

 
Bonta 01, over and out!
 


 

Anime- und Manga-Magazin “AnimaniA”

Verein “Anime no Tomodachi”

Verein “Cosplay Heaven”
 
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Zur Autorin:

Die Autorin dieses Artikel ist bereits seit 1999, also seit der ersten Animagic überhaupt, treue Besucherin dieser Convention – hat daher also schon so einiges gesehen. Sie ist selbst seit langem Anime-Fan und außerdem aktive Cosplayerin – wenn in diesem Artikel also versucht wird, einen augenzwinkernden Blick von „außen“ auf die Anime- und Mangaszene im Allgemeinen und die Animagic-Convention 2005 im Besonderen zu werfen, so fällt das unter das Stichwort der humorvollen Satire und ist keineswegs als Schmähung der ehrenwerten Fans japanischer Zeichentrickkunst zu verstehen.