Vor etwa einem Monat saß ich an meinem Schreibtisch und starrte diesen 582 Seiten dicken, blau-weißen Ziegelstein an. Dies soll kein Angriff sein, sondern mehr ein Versuch, denen, die es noch nicht kennen, Blankets zu beschreiben. Es handelt sich dabei um eine autobiographische, illustrierte Geschichte über Religion, erste Liebe und das Heranwachsen eines Comic-Künstlers. Nachdem ich dieses … Buch – wir müssen immer noch versuchen, es genauer zu definieren – zum dritten Mal gelesen habe, war ich noch neugieriger darauf, mehr über die Entstehung und die Reaktion der Leser zu erfahren. Deshalb gab es nur eine Möglichkeit: Ich musste den Autor Craig Thompson fragen. Dieser war Stargast beim Comic-Salon 2004 in Erlangen. Obwohl es mir leider nicht möglich war, ihn für das Interview in Person zu treffen, habe ich doch zumindest seine Telefonnummer bekommen. Was nun folgt, ist die Dokumentation eines Telefonats mit Craig Thompson über sein Werk mit einigen Einschüben von meiner Seite.
Dieses Interview fand am 8. Juli 2004 statt.
Wir haben uns beide dazu entschieden, auf jegliche Form von digitaler Kommunikation zu verzichten und wählten deshalb das altmodische Telefon. Nach einer kurzen Einleitung und der Einigung auf Formalitäten zu verzichten, konnte e s losgehen:
Comicgate: Wie hast du angefangen, Comics zu zeichnen und/oder zu schreiben? Oder noch genauer, wann hast du deinen ersten Comic produziert?
Craig Thompson: Ich habe als Kind ein paar Comics gemacht. Aber wenn ich rückblickend meine Zeichnungen betrachte, muss ich feststellen, dass ich nie einen Comic beendet habe. Meine Ausdauer hat damals nicht ausgereicht, um eine Geschichte zu Ende zu erzählen. Aber ich habe wirklich viel Comics gelesen zu dieser Zeit. Als ich dann in die Highschool kam, habe ich Frauen gegenüber Comics den Vorzug gegeben. Erst als ich aufs College kam, bin ich wieder in Kontakt mit Comics gekommen. Ein guter Freund von mir war damals zuständig für die College-Zeitung und fragte mich, ob ich nicht mit Cartoons aushelfen könne. Das war das erste Mal, dass mich jemand nach meinen Comics gefragt hat. Dieses Ereignis hat schlagartig mein Interesse für Comics wiedergeweckt.
CG: Du denkst also, dass die Kinderzeichungen, die jeder von uns in seiner Jugend gezeichnet hat, nicht als Comics gezählt werden können?
CT: Ich glaub schon, dass es etwas ist, was jeder zu dieser Zeit getan hat, dennoch kann ich in meinem Fall von einem speziellen Interesse an Comics sprechen. Aber zur gleichen Zeit spielte ich auch mit Spielzeug, bin ins Kino gegangen und habe Cartoons gesehen. Aber trotzdem hatten Comics für mich immer einen speziellen Platz.
CG: Welche Comics hast du damals gelesen?
CT: Was man halt so gelesen hat: Diese billigen Comics wie zum Beispiel Harvey Comics, Caspar das freundliche Gespenst, Mad Magazine und Cracked Magazine. Dann noch einige der Marvel-Comics wie Starbrand. Also Humormagazine und Kindercomics, mit solchen Sachen bin ich aufgewachsen.
CG: In einem anderen Interview habe ich gelesen, dass du eine gewisse Abneigung gegen die Superheldencomics von Marvel und DC hast. Stimmt das?
CT: Na ja, ich hatte schon auch meine kurze Superheldenphase … für ein Jahr etwa.
CG: Ein Jahr nur?
CT: Na vielleicht waren es auch zwei Jahre. Aber nicht länger. Obwohl ich gerne Comics gelesen habe, konnte ich diese Superhelden nie ganz verstehen.
CG: Wann war diese Phase ungefähr?
CT: So mit elf Jahren, würde ich sagen.
CG: Wie passt deine Kindheit ins Bild? Mich würde interessieren, wie sich das Aufwachsen in Michigan auf deine Kunst aus gewirkt hat. Der mittlere Westen von Amerika scheint derzeit sehr gefragt zu sein. Beispiele hierfür sind Jonathan Franzens Die Korrekturen und Dark Horses neues Projekt Freaks of the Heartland. Siehst du dich selbst auch als „Freak of the Heartland“?
CT: Ja, definitiv! Ich weiß nicht genau, ob ich mich selbst so bezeichnen würde, aber es gab eine Zeit während der High School, als man sich bewusst wurde, an was für einem verrückten Ort man eigentlich lebt. Als ich noch jünger war, kannte ich nichts anderes. Doch dann dachte ich irgendwann: „Ach, so sieht also die echte Welt aus! Das ist die Wirklichkeit!“ Um meine Freunde zu besuchen, musste ich erst mal ’ne halbe Stunde mit dem Auto fahren. Die waren ganz entsetzt von meinem Umfeld. Es war so ein kleines Dorf und so anders als alles andere. Andererseits hat es auch Vorteile, so aufzuwachsen.
CG: Du siehst diese Zeit also als Vorteil für dein kreatives Schaffen? Konntest du dich auf dem Land auf das Zeichnen konzentrieren?
CT: Ich würde nicht von Vorteilen sprechen, da es niemanden gab, mit dem man über Kunst hätte reden können. Es gab einfach nur viel Raum zu füllen.
CG: Kann Blankets als Kritik an diesem Umfeld gesehen werden?
CT: Auf gar keinen Fall. Ich war noch nie eine rachsüchtige Person. Wie ich bereits meinte, es hat alles seinen Sinn. Denn eben dieses isolierte Umfeld hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Obwohl es manchmal wirklich hart war, ist es definitiv ein Vorteil, da das Leben eines Erwachsenen auch nicht einfacher ist.
CG: Wenn wir über Blankets reden, besteht immer das Problem, seine literarische Form genau zu definieren. Ist es ein Comic, eine Graphic Novel oder ein Roman in Bildern? Wie nennst du es?
CT: Das kann man nicht genau sagen. Der Titel sagt „Roman in Bildern“, was sich etwas verworren anhört. Wenn ich von Fremden gefragt werde, was ich mache, dann sage ich immer, ich schreibe Comics. Doch dann ergänze ich, dass es ein 600-Seiten-Comic ist. Das bringt dann ihre vorgefertigte Meinung komplett durcheinander.
CG: Du möchtest Deine Arbeiten also nicht in die Kategorie der 24-Seiten-Comics stecken?
CT: Auf keinen Fall! Ich hasse dieses Format!
CG: Woran liegt das?
CT: Zuerst einmal ist es ein Veröffentlichungsform, die zum Wegwerfen gedacht ist. Als man damit begonnen hat, Comics zu produzieren, entsorgte man den Comic, nachdem man ihn gelesen hatte. Und zweitens ist es mir immer noch schleierhaft, was man mit einem solchen Pamphlet machen soll. Ich halte es für absurd, es in einer Box zu sammeln. Ich möchte ein Buch, das ich in den Schrank stellen kann. Denn wenn es mir wichtig ist, dann möchte ich es in meiner Nähe haben. Diese Monatsheftchen haben Ähnlichkeit mit Magazinen. Und wer würde schon Magazine sammeln? Die Prozedur sieht so aus: Kaufen, Lesen, Wegschmeißen. Deshalb halte ich diese Veröffentlichungsform für meine Geschichten einfach nicht geeignet.
CG: Also werden wir auch in Zukunft keine 24-Seiten-Comics von dir sehen?
CT: Ich möchte es nicht ganz ausschließen, aber auf jeden Fall nicht in nächster Zukunft. Mein nächstes Buch wird auch bestimmt so dick wie Blankets.
CG: Aber du redest da nicht gerade von Carnet de Voyage, oder?
CT: Nein, nein. Das ist ja schon draußen.
CG: Genau wie der Soundtrack für Blankets, den du zusammen mit Tracker aufgenommen hast?
CT: Ich weiß nicht genau, ob der schon auf dem europäischen Markt ist.
CG: Lass uns wieder über die 600 Seiten sprechen. Was waren die größten Schwierigkeiten, die du überwinden musstest, um Blankets fertig zu stellen?
CT: Das größte P roblem war die Finanzierung, während ich an dem Comic gearbeitet habe. In meinem Vertrag war keine Vorauszahlung vereinbart, deshalb musste ich es ganz alleine schaffen. Aber es ist auch nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt. Viele Autoren haben mit diesem Problem zu kämpfen, wenn sie ihr erstes Buch schreiben. Es gab Zeiten, in denen ich gar nicht an dem Buch arbeiten konnte, weil ich für drei Monate freiberuflich tätig war. Ich arbeitete als Illustrator, um die Rechungen bezahlen zu können.
CG: Wie lange hat es dann genau gedauert, bis Blankets fertig war?
CT: Dreieinhalb Jahre. Exakt vier Jahre nach Goodbye, Chunky Rice.
CG: Das war aber keine Absicht von dir? Oder hattest du es als Jahrestag geplant? Müssen wie jetzt vier Jahre auf das nächste Buch von dir warten?
CT: Nein, ich denke, dass man in zwei Jahre mit meinem nächstem Werk rechnen kann.
CG: Ich habe mich auch mit Sebastian Oehler von Speed Comics (Anm. der Red. vom September 2011: Blankets wurde im November 2009 vom Carlsen Verlag neu veröffentlicht, den Speed Verlag gibt es nicht mehr), deinem deutschen Verlag, unterhalten. Was hältst du von der Partnerschaft, und bist du mit der deutschen Ausgabe von Blankets zufrieden?
CT: Im Grunde habe ich nur den Vertrag unterzeichnet. Während ich auf einer Promotion-Tour war, haben sie sich um die gesamte Produktion gekümmert. Unter diesen Umständen ist es ziemlich gut geworden.
CG: Also hast du auch an der Übersetzung nicht mitgearbeitet?
CT: Wie ich bereits sagte, war ich auf Tour und stand somit nicht zur Verfügung – für niemanden. Außerdem spreche ich kein Deutsch.
CG: Wenn Du die Wahl hättest zwischen Worten und Bildern, was würdest du wählen, um Gefühle zu vermitteln?
CT: Oh Mann…!
CG: Ich weiß! An der Frage habe ich lange gearbeitet.
CT: Die Fra ge ist ziemlich allgemein.
CG: Als ich Blankets gelesen habe, kam es mir so vor, als wärst du an bestimmten Punkten an Grenzen gestoßen, die sich mit Worten allein nicht überschreiten ließen. An diesen Stellen schaltest du um auf einen eher surrealen Stil. Zum Beispiel die arabesken Bilder, die Geräusche und Gefühle darstellen sollen.
CT: Stimmt, wahrscheinlich fühle ich mich doch vertrauter mit Bildern.
>> Kleiner Einschub: Die von mir beschriebenen Arabesken lassen sich fast auf jeder Seite finden, aber Thompson nutzt sie explizit auf den Seiten 432 bis 437, in einer Szene, die Raina und Craig im Bett zeigt. Mit einem Mangel an Worten beschreibt Thompson die Geräusche, die Raina produziert, mittels Spiralen, Kreisen und anderen Ornamenten, die den Betrachter diese Informationen vermitteln sollen. An diesem Punkt kommt die Erzählung zu einem Stillstand. Der Leser hat nun die Aufgabe, diese künstlerischen Gebilde zu entziffern und etwas in ihnen zu lesen. <<
CG: Wie lange ist es her, dass die Ereignisse in Blankets stattgefunden haben?
CT: Das sind nun ungefähr zehn Jahre. Ich war in der Highschool, als ich Raina traf.
CG: Es ist wirklich beeindruckend, wie anschaulich du diese Erinnerungen beschreibst.
CT: Ja, aber an manchen Stellen wird es etwas ungenau, und eben diese Stellen machen mich nervös. Zum Beispiel Rainas Familie. Damals habe ich mich nicht so sehr für sie interessiert – ich konzentrierte mich auf Raina.
CG: Verständlicherweise! Du hast Raina als eine Mischung aus deiner jetzigen Freundin und deiner Highschoolliebe entworfen. Aber Rainas Familie soll wirkliche Personen darstellen. Wie genau sind diese Porträts?
CT: Sie waren total nebensächlich. Als ich dann anfing zu zeichnen, hatte ich Probleme, sie richtig wiederzugeben, da meine Erinnerungen an sie nicht so gut waren. Diese Zeichnungen sind anhand von kurzen Interaktionen mit ihnen entstanden. Ich glaube, dass meine Vorstellungskraft die Lücken in meiner Erinnerung füllen kann. Ich habe ihre Eltern so dargestellt, wie ich mich an sie erinnere. Ich fühle mich diesen Leuten gegenüber schuldig, da ich ihnen einfach Persönlichkeiten aufgedrückt habe, die nicht ihre sind. Sie sind so wie ich mich an sie erinnert habe, aber ich kannte sie nie. Ich habe diese Leute quasi erfunden.
CG: Ich habe Goodbye, Chunky Rice erst gelesen, nachdem ich mit Blankets fertig war, aber man kann deutlich deine Entwicklung sehen. Wie geht dir das?
CT: Eine Entwicklung sehe ich auch. Obwohl beide Bücher im Grunde die gleiche Geschichte haben, so ist Blankets doch spezifischer. Dort gibt es unterschiedliche Figuren mit ihren eigenen Wünschen und Rechten, aber ich kann auch die weiterlaufenden Themen sehen.
CG: Werden wir dann in deinem nächsten Buch einen noch erwachseneren Craig Thompson sehen? Siehst du dich selbst als Erwachsenen? Haben sich die Themen, die dich interessieren, verändert?
CT: Mein derzeitiges Buch, Carnet de Voyage, beschäftigt sich mit ähnlichen Themen, obwohl es mehr ein Tagebuch ist. Ich scheine immer über die selben Themen zu grübeln. Aber mein nächstes Buch wird wesentlich gruseliger. Es wird sich hauptsächlich mit kontroversen Themen wie Vergewaltigung, Inzest und Kastration beschäftigen. Man kann wohl sehen, dass ich mit heikleren Themen hantiere. Ich scheine mich weiterzuentwickeln.
CG: Du hast diese Themen ja bereits in Blankets in der Babysitterszene angedeutet.
>> Weiterer Einschub: Zusammen mit meiner Freundin habe ich mir gestern zum ersten Mal den „Club der toten Dichter“ angesehen. Als ich in einer der wichtigsten Szenen folgende Passage gehört hatte, wusste ich, dass ich das in mein Interview einbinden muss: Der Lehrer, gespielt von Robin Williams, zwingt seinen Schüler, einen jungen Ethan Hawke, in seinem Kopf nach einem Gedicht zu suchen:
„Wahrheit ist wie eine Decke (englisch: Blanket), die stets die Füße kalt lässt. Dehn sie, zieh an ihr, du wirst nie alles verdecken können. Tritt sie, schlag sie, es wird niemals genug sein…“ <<
CG: Siehst du eine Verbindung in der Benutzung des Wortes „Blanket“ und dem Titel deines Buchs?
CT: Für mich bietet eine Decke die Möglichkeit, sich unter ihr wohl zu fühlen, aber auch zu verstecken. Sie ermöglicht einem den Schutz und die Sicherheit, die einem sonst nur Institutionen wie Familie, Religion und Kunst geben. Aber zur selben Zeit versteckt sie uns vor der Welt, verbirgt unsere Geheimnisse und hält uns fern von der Akzeptanz.
CG: Ist es dann nicht ein Widerspruch, seinen Comic Blankets zu nennen, wenn man sich so öffentlich preisgibt, wie du es getan hast?
CT: Ja, schon. Aber ich werde noch einen weiten Weg gehen. Ich habe erst begonnen, die ersten Schichten abzustreifen.
CG: Bist du dann immer noch an autobiographischen Geschichten interessiert?
CT: Ich werde e in paar Schritte davon zurücktreten, zumindest in meinem nächsten Buch. Ich werde sogar die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Dennoch ist Carnet de Voyage ein autobiographisches Werk, da es ein Tagebuch ist und die Dinge so beschreibt, wie sie passiert sind. An einigen Stellen fühle ich mich etwas unwohl mit dem, was ich zeige.
CG: Hat sich dein Leben nach dem Erfolg von Blankets schlagartig verändert? Gehst du nur noch zu Conventions, oder hast du noch ein Leben abseits der Comics?
CT: Im Moment habe ich kein Leben. In den letzten paar Monaten war ich nur auf Conventions, und das werde ich wohl auch den Rest des Jahres machen. Ich bin wirklich ruhelos und habe zurzeit nicht mal eine eigene Wohnung. Ich wohne im Keller eines Freunded. Aber ich suche schon nach einer neuen Wohnung. Doch momentan bin ich noch im Werbetrommel-Modus. Ich war jetzt gerade drei Monate in Europa und werde dann noch zwei Monate in den Staaten dranhängen. Alles in allem gibt mir das nicht viel Zeit für mein neues Buch.
CG: War es schwer, Blankets in Europa vorzustellen? Wie haben die europäischen Leser auf das Buch reagiert?
CT: Das ging eigentlich alles sehr einfach. Ich fühlte mich die ganze Zeit sehr wohl, obwohl ich keine der Sprachen spreche, bis auf ein bisschen Französisch. Sich mit Leuten in Europa zu treffen war einf ach. Ich könnte mir sogar vorstellen, in Europa zu leben.
CG: Das muss ein starker Kontrast sein zu dem Amerika, in dem du aufgewachsen bist.
CT: Das stimmt wohl. Aber jetzt lebe ich in Portland, Oregon, an der Westküste. In den USA bezeichnet man es als die „liberale Tasche Amerikas“.
CG: Jetzt, wo sich dein Leben von Fanboy zum Profi verändert hat, welche Veränderungen machen sich bemerkbar? Wie verhalten sich die Vorbilder deiner Jugend dir gegenüber?
CT: Mit Chris Ware hab ich in London rumgehangen, und in New York war ich einige Zeit mit Frank Miller und Neil Gaiman zusammen. Es ist schon schmeichelhaft, solche Leute jetzt als Kollegen zu sehen. Sie kommen auf mich zu und stellen mir Fragen. Das hat sich angefühlt wie „Wow! Ich bin jetzt ein Teil davon!“ Ich hatte sogar eine kleine Unterhaltung mit Art Spiegelman in New York. Du musst Dir das so vorstellen: Vor acht Jahren bin ich zu einer Messe gegangen, um mir etwas von Chris Ware signieren zu lassen, und jetzt wollte er mich in London treffen. „Wir haben uns doch schon mal getroffen.“ Natürlich erinnerte er sich nicht an mich, da ich ja d amals nur ein kleiner Fanboy war.
CG: Ist das nicht etwas deprimierend?
CT: Ein bisschen schon. Das ist mir schon öfters passiert mit Künstlern wie Adrian Tomine und Kaz. Ich hatte sie früher einmal getroffen, aber sie erinnerten sich nicht mehr an mich. Ich war ja nur ein Fan.
CG: Eigentlich solltest du jetzt reich sein, nachdem Blankets so ein Erfolg ist.
CT: Oh nein! Das siehst Du falsch. Das ist eine sehr verrückte Sache. Ich weiß nicht, ob man es eine Tragödie nennen kann, aber es ist schon wirklich komisch, dass ich noch kein Geld habe. Mein Verlag Top Shelf schuldet mir einen Haufen Geld. Es ist eine ungewöhnliche Situation, in der ich mich gerade befinde. Sie können mich im Moment nicht auszahlen, da sie das Geld in andere Comicprojekte stecken. Somit finanziere ich direkt die Comicszene.
CG: Ich kann dir aber versichern, dass du damit einen guten Dienst leistest, weil der neue Top Shelf-Comic von Derek Kirk Kim Ganz gleich wirklich gut ist.
CT: Oh ja, der ist wirklich gut. Er ist einer der Leute, die wirklich Geld reinbringen.
CG: Und wie hat dir der Comic-Salon in Erlangen gefallen? Kann man es mit den amerikanischen Conventions vergleichen?
CT: Das ist nicht böse Deutschland gegenüber gemeint, aber es war schlimmer hier. Der Hauptkritikpunkt ist die Anzahl der Männer: Da müssen mindestens 99,9% männlich gewesen sein.
CG: Das wird wohl am deutschen System liegen. In Deutschland gehen die Männer nämlich auf die Jagd und bringen den Frauen dann ihre Beute. Ich habe Blankets auch weiterempfohlen.
CT: Das ist cool! Aber dennoch sind auf amerikanischen Conventions mindestens 40 % weiblich. Es ist geschlechtsmäßig ausgeglichener. Deshalb war Erlangen so frustrierend. Wo waren die Frauen? Die lesen doch auch Comics!
CG: Mir wurde erzählt, dass man als deutscher Interviewer auch immer fragen muss, wie es dem Gesprächspartner in Deutschland gefallen hat. Und, wie hat es dir in Deutschland gefallen?
CT: Ich mochte Deutschland. Vor allem wegen dieses einen deutschen Mädchens!
CG: Aha?!
CT: Ich habe in Deutschland dieses wundervolle Mädchen getroffen. Das war eigentlich schon Grund genug, obwohl Berlin auch sehr schön war. Die anderthalb Tage, die ich dort verbracht habe, waren nicht genug, um alles zu sehen. Sebastian und ich haben an der Tankstelle David Hasselhoff: Greatest Hits gekauft …
CG: Autsch!
CT: … und haben es dann den ganzen Weg von Frankfurt nach Berlin gehört. Das war eins der Highlights auf meinem Europatrip.
CG: Oh mein Gott …! Hast du denn zum Schluss noch einen Comic, den du unseren Lesern empfehlen willst?
CT: Das Derek-Kirk-Kim-Buch Ganz gleich, von dem du bereits gesprochen hast, ist eines meiner Favoriten. Und dann natürlich noch Chester Brown. Sein Buch I never liked you war eine große Inspiration für Blankets. Und dann habe ich noch viele gute Leute in Europa getroffen wie zum Beispiel Badouin und Jens Harder.
CG: Damit wären wir am Ende angelangt. Vielen Dank für deine Zeit, Craig.
CT: Kein Problem. Mach’s gut!
Blankets © Craig Thompson, der dt. Ausgabe Speed Comics und Carlsen Comics
Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview war aufgrund der CMS-Umstellung unserer Website eine Zeitlang nicht abrufbar. Die Übersetzung wurde sprachlich leicht überarbeitet und im September 2011 wieder online gestellt.