Welt am Draht

52, heb auf: Was taugen die neuen DC-Serien? (Teil 2)

Teil 2 von 4: In August und September wird der DC-Verlag sein Superhelden-Universum in 52 fortlaufenden Serien neustarten. Das COMICGATE-Büro für nordamerikanische Angelegenheiten hat sich die geplanten Titel mal genau angeschaut.

52, heb auf

12 – ACTION COMICS
von Grant Morrison und Rags Morales

o PRO: Grant Morrison ist seit Jahren der mit Abstand innovativste und anspruchsvollste Autor, den man in der Superheldenbranche finden kann. Zwar hat er erst vor zwei Jahren seinen preisgekrönten Geniestreich All Star Superman mit Frank Quitely abgeschlossen, aber man darf bei Morrison davon ausgehen, dass Action Comics wieder in eine komplett andere Richtung gehen wird. Und Rags Morales ist ein talentierter, eigenständiger Zeichner, von dem man in letzter Zeit viel zu wenig gesehen hat.

o KONTRA: Man hat von Rags Morales so wenig gesehen, weil er Probleme hatte, sich an die Erscheinungsweise der meisten US-Comics anzupassen. Ob sich das jetzt ändern wird, steht in den Sternen. Zudem ist auch Morrison kein unbeschriebenes Blatt, was Verspätungen angeht. Es wäre also keine Überraschung, wenn es zu größeren Lücken zwischen den Ausgaben oder dem Einsatz von „Gastzeichnern“ käme. Außerdem geht das Gerücht um, die Neuerfindung der Figur sei Teil eines windigen DC-Manövers im ewig fortdauernden Rechtsstreit mit den Erben von Superman-Miterfinder Jerry Siegel (1914-1996).

FAZIT: Ein absolutes Muss! Wer Morrison kennt, der weiß, dass genau hier ab September die Musik für all diejenigen spielen wird, die von ihren Superheldencomics einen gewissen Qualitätsstandard erwarten. Wen juckt’s da, wenn ein Heft mal ein, zwei Monate Verspätung hat, wir sind ja nicht in einer Dosenwurstfabrik. Die Verbindung mit dem Rechtsstreit bleibt ein mehr oder weniger stichhaltiges Gerücht, aber wer’s mit der Ethik ganz streng nimmt, der darf eh schon lange nichts mehr von DC oder Marvel kaufen, denn Siegel und Shuster sind bei weitem nicht die einzigen, die von den beiden Großverlagen und ihren Vorgängerfirmen gnadenlos ausgebeutet und abgezockt worden sind.


13 – SUPERMAN
von George Pérez und Jesus Merino

o PRO: Der legendäre Zeichner George Pérez zeichnet die Titelbilder.

o KONTRA: Der legendäre Zeichner George Pérez zeichnet den Comic nicht selber, sondern skizziert ihn nur grob, um die Ausführung dem ebenfalls erfahrenen, aber nicht ganz so legendären Zeichner Jesus Merino zu überlassen. Der legendäre Zeichner George Pérez betätigt sich dafür als Autor, was er seit Mitte der ’90er nicht mehr getan hat.

FAZIT: Fans dürfen sich auf einen soliden, aber kaum bahnbrechenden Superman-Comic einstellen. Ob die Reihe für Neuleser der beste Einstieg sein wird, ist zu bezweifeln.


14 – SUPERBOY
von Scott Lobdell und RB Silva

o PRO: Scott Lobdell ist für leichte, übermütige, zuweilen völlig irre Popcorn-Unterhaltung bekannt. RB Silva ist ein talentierter junger Zeichner mit quirligem Stil, der zusammen mit Autor Nick Spencer gerade eine Reihe hoch gelobter Kurzcomics mit Supermans Kumpel Jimmy Olsen produziert hat.

o KONTRA: Scott Lobdell ist für leichte, übermütige, zuweilen völlig irre Popcorn-Unterhaltung bekannt. Für logische, ausgeklügelte Geschichten ist er weniger bekannt. Und: Superboy? Im Ernst?!

FAZIT: Sollte eine leichte, übermütige, zuweilen völlig irre Serie mit quirligen Zeichnungen werden, die links rein und rechts gleich darauf wieder rausläuft, ohne dabei allzu große Spuren zu hinterlassen.


15 – SUPERGIRL
von Michael Green, Mike Johnson und Mahmud Asrar

o PRO: Der Werbetext verspricht einen interessanten Ansatz: Supergirl soll eine unausgeglichene Teenagerin sein, deren Wertschätzung für die Menschheit sich in Grenzen hält.

o KONTRA: Die Kreativen konnten sich bisher trotz diverser Projekte noch keinen Ruf machen, was meistens ein schlechtes Zeichen ist. Und: Supergirl? Im Ernst?!

FAZIT: Nur was für Hardcore-Fans.


16 – STORMWATCH
von Paul Cornell und Miguel Sepulveda

o PRO: Paul Cornell hat in Serien wie Wisdom und Captain Britain and MI13 gute bis sehr gute Arbeit geleistet. Und Action Comics, welches er derzeit noch betreut, genießt auch durchweg gute Kritiken.

o KONTRA: Bei Stormwatch handelt es sich um die fünfte Inkarnation einer Serie des von DC 1998 gekauften und danach mit brutaler Langsamkeit an die Wand gefahrenen WildStorm-Labels, das im Dezember 2010 endlich sterben durfte, lange nachdem es aufgehört hatte zu leben. Dass die einst für ihre innovative und respektlose Attitüde bekannten WildStorm-Serien nun ausgerechnet als Teil des DC-Universums nochmal aufblühen sollen, scheint mehr als fragwürdig. Weiterer Stolperstein: Der Werbetext kündigt an, dass sich die Serie auf die Handlung von Superman #1 beziehen soll. Das muss nun nicht gleich den Rückfall in einen undurchdringlichen, konstanten Crossover-Modus bedeuten. Aber unglücklich ist so ein Hinweis allemal, wenn man bedenkt, dass DC mit dem Neustart eigentlich „neue Leser“ erreichen will. Und drittens hat Cornell in der Zwischenzeit auch schon den einen oder anderen Rohrkrepierer produziert.

FAZIT: Man kann Cornell zutrauen, dass er aus dem Rohmaterial trotz aller Widrigkeiten einen guten Comic bastelt. Zarter Optimismus ist angebracht.


17 – VOODOO
von Ron Marz und Sami Basri

o PRO: Sami Basris Zeichnungen sind einfach schön anzusehen.

o KONTRA: Eine weitere WildStorm-Figur, die hier Witchblade etwas ähnlich sieht. Und, huch, der Autor ist Ron Marz, ein Routinier der alten Schule, der gerade auch Witchblade schreibt. Der Werbetext klingt, als wüsste selbst DC noch nicht so ganz, worum es in der Serie eigentlich gehen soll.

FAZIT: Ein sicher schön gezeichneter Comic, den aber eigentlich kein Mensch braucht.


18 – GRIFTER
von Nathan Edmondson und Cafu

o PRO: Nathan Edmondson ist der Autor von Who Is Jake Ellis?, einer fünfteiligen Image-Miniserie, die bisher einen sehr soliden Eindruck macht.

o KONTRA: Auch Grifter stammt aus dem WildStorm-Fundus, und auch er ist nicht unbedingt eine Figur, die wegen ihrer Originalität auffällt. Außerdem sind von Who Is Jake Ellis? erst vier Ausgaben erschienen – ob die Geschichte am Ende den hohen Erwartungen gerecht wird, ist also noch nicht raus.

FAZIT: Könnte mit etwas Glück ein kurzweiliger Action-Thriller werden.


19 – DEATHSTROKE
von Kyle Higgins und Joe Bennett

o PRO: Der Brasilianer Joe Bennett ist einer der unterschätztesten Zeichner der US-Szene. Seit fast 20 Jahren ist er in der Branche tätig, konnte bisher aber noch nicht den großen Wurf landen. Was sicher auch daran liegt, dass er Mitte der ’90er an Serien wie Alan Moores Supreme oder Amazing Spider-Man arbeitete, obwohl er damals eigentlich noch nicht soweit war. Seit einigen Jahren wäre er’s – bloß scheint das leider noch niemand so richtig bemerkt zu haben. Immerhin findet er regelmäßig Arbeit, was ja auch nicht selbstverständlich ist und für seine Zuverlässigkeit spricht.

o KONTRA: Alles andere. Autor Kyle Higgins ist ein unbeschriebenes Blatt, Deathstroke eine recht eindimensionale und wenig originelle Figur. Und der Werbetext scheint geradezu bemüht, die Serie als stumpfen, tausendmal gelesenen Action-Schmarrn darzustellen.

FAZIT: Gähn. Kann mich jemand wecken, falls es doch was zu sehen gibt?


20 – SUICIDE SQUAD
von Adam Glass und Marco Rudy

o PRO: Ich passe.

o KONTRA: Autor und Zeichner sind bisher hauptsächlich als unauffällige Lückenbüßer in Erscheinung getreten. Das Konzept der Serie wird immer wieder mal gerne aufgewärmt. Hätte man nicht wenigstens John Ostrander als Autor ins Boot holen können? Der Erfinder der bisher beliebtesten Inkarnation der Suicide Squad aus den ’80ern hatte zuletzt wieder öfter für DC geschrieben, leidet an einer Augenkrankheit und hätte das Honorar für seine Krankenhausrechnungen sicher gut brauchen können.

FAZIT: Überflüssig wie ein Kropf.


21 – O.M.A.C.
von Dan DiDio und Keith Giffen

o PRO: Co-Autor und Zeichner Keith Giffen ist schnell, zuverlässig und bei allen in der Branche als Mensch und Profi höchst beliebt.

o KONTRA: Co-Autor Dan DiDio konnte für seine gelegentliche Arbeit als Autor bisher hauptsächlich Prügel einstecken und darf wohl vor allem darum weiter für den Verlag schreiben, weil er selber einer der Herausgeber ist.

FAZIT: Bestenfalls ein Ventil für Giffen, sich ein bißchen auszutoben. Wenn man erst mal wegbleibt und abwartet, macht man wahrscheinlich nix verkehrt.


22 – BLACKHAWKS
von Mike Costa und Ken Lashley

o PRO: Es ist offenbar kein Superheldencomic, denn die Serie dreht sich um eine Elite-Militäreinheit. Im DC- und Marvel-Fachjargon wird sowas gern als „Vielfalt“ ausgelegt.

o KONTRA: Autor Mike Costas Name ist bisher fast ausschließlich im Zusammenhang mit Transformers- und G.I.-Joe-Comics gefallen, was nicht gerade für einen hohen Anspruch spricht. Zeichner Ken Lashley ist zwar ein alter Hase, kann aber nicht wirklich mit einem eigenständigen Stil aufwarten.

FAZIT: Riecht nach eher durchschnittlicher Sci-Fi-Action, die man sich getrost schenken kann.


23 – MEN OF WAR
von Ivan Brandon und Tom Derenick

o PRO: Autor Ivan Brandon gilt als Nachwuchshoffnung und konnte unter anderem mit der Image-Reihe Viking auf sich aufmerksam machen.

o KONTRA: Bei Zeichner Tom Derenick handelt es sich – wie bei so vielen Künstlern, die am DC-Neustart beteiligt sind – um einen erfahrenen und handwerklich kompetenten Mann, der rein stilistisch bisher aber keinen hinterm Ofen vorlocken konnte. Davon abgesehen klingt auch das Konzept der Serie nicht unbedingt überzeugend: Warum müssen Sgt. Rock und seine Truppe hier ausgerechnet gegen Superschurken zu Felde ziehen?

FAZIT: Altmodisch gezeichneter Kriegscomic mit übermenschlichen Bösewichten. Das ist weder Fisch noch Fleisch.


24 – ALL-STAR WESTERN
von Justin Gray, Jimmy Palmiotti und Moritat

o PRO: Ein recht unverblümter Neustart der beliebten Westernserie Jonah Hex, vom bekannten Autorenteam Gray & Palmiotti.

o KONTRA: Ein recht unverblümter Neustart der beliebten Westernserie Jonah Hex, vom bekannten Autorenteam Gray & Palmiotti.

FAZIT: Wer Jonah Hex liest, kann auch hier bedenkenlos zugreifen. Für alle anderen: Reißerische und sonst eher schlichte Macho-Western-Action mit guten und bisweilen überragenden Zeichnungen, wenn Darwyn Cooke oder J.H. Williams III mal einspringen.


Hier geht’s zu Teil 1Teil 3 und Teil 4 der Blog-Serie.