Colin Wilson ist ein Comiczeichner, der die Kontinente verbindet: Geboren und aufgewachsen in Neuseeland, lebte er in den 1980er und 90er Jahren erst in England, dann in Frankreich und seit 1997 in Australien. Seine ersten professionellen Comics entstanden für das britische Magazin 2000 AD, bis heute arbeitet er sowohl für den frankobelgischen (Die Jugend von Blueberry, Blei im Schädel) als auch für den amerikanischen Markt (Point Blank, Star Wars: Invasion). Zur Frankfurter Buchmesse, deren Gastland Neuseeland war, lud ihn Paninicomics nach Deutschland ein und schickte ihn auch auf eine kleine Signiertour in verschiedene Städte. Bei seinem Signiertermin in Hannover traf ihn Stefan Svik zum Interview.
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Colin Wilson und ich werden einander vorgestellt und ich beginne das Interview mit zwei kleinen Geschenken aus Hannover: Herrenhäuser Pils und Bahlsen-Kekse.
Comicgate: Ich weiß, Sie bevorzugen Wein (so ist es in dem Interview nachzulesen, das im Bonus-Teil der Deluxe-Edition von Battler Britton steht, der Hommage an die Kriegscomics der 1950er and 1960er, die Colin Wilson gemeinsam mit Autor Garth Ennis erschaffen hat), aber wir sind hier in Norddeutschland, also habe ich Ihnen ein Bier mitgebracht.
Colin Wilson: Dankeschön. Ich denke das Bier wird den Laden nicht verlassen (lacht).
Garth Ennis stammt aus Nordirland und Sie sind ein … Kiwi … (ich überlege) ist diese Bezeichnung eine Beleidigung??
(Lacht) Nein, das ist die korrekte Bezeichnung.
Geht es in Battler Britton eher um den Konflikt zwischen den Commonwealth-Nationen und den USA statt um den Kampf zwischen den Allierten und Deutschland? Können Sie sich auf diese Weise in der Story wiederfinden?
Ich finde mich in den Flugzeugen wieder. Die Fliegerei war das Thema, das mich dafür begeisterte, diesen Comic zu zeichnen. Die Geschichte ist eine Hommage an einen schottischen Zeichner, mit dessen Werken ich aufgewachsen bin. Er war sehr gut darin, Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg zu zeichnen. Das brachte mich dazu, mich an dieser Geschichte zu beteiligen. Ich wusste nicht, welche Story Garth erzählen würde.
Hatten Sie persönlichen Kontakt mit Garth Ennis oder lief das ausschließlich per E-Mail?
Anfangs nur per E-Mail, aber nach Erscheinen des ersten Hefts habe ich ihn in New York besucht und wir tranken einen Abend lang Guinness und unterhielten uns. Das war eine gute Gelegenheit, jemanden kennenzulernen. Meistens arbeite ich von Australien aus, deshalb treffe ich die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, normalerweise nicht
Würde es Ihre Zeichnerkarriere erleichtern, wenn Sie in den USA leben würden?
Nein, ich denke nicht. Heutzutage nicht mehr. Früher mal war das fast schon eine Voraussetzung, aber aufgrund des Internets ist das nicht mehr so. Der persönliche Kontakt ist eine guter Vorwand, um alle paar Jahre mal zu verreisen, so wie dieses Jahr nach Deutschland, aber E-Mail hat alles erheblich erleichtert. Das ist einfach fantastisch.
Gibt es in Neuseeland eine Comic-Szene?
Ja, die gibt es. Sowohl in Neuseeland als auch in Australien. Als ich anfing, Comics zu zeichnen, kannte ich niemanden, der sich dafür interessierte. Vor langer Zeit brachte ich mal ein Fanzine heraus und so lernte ich Leute kennen. Inzwischen gibt es in Melbourne, wo ich derzeit lebe, eine fantastische kleine Comic-Szene, mit Leuten, die ihre Werke selbst verlegen oder mit Künstlern die für Auftraggeber in Übersee arbeiten. Wir treffen uns einmal im Monat. Zu so einem nachmittäglichen Treffen kommen bis zu 35-40 Teilnehmer. Normalerweise reden wir dabei über alles außer Comics, aber es ist trotzdem eine gute Gelegenheit für neue Leute, die auf Job-Suche sind. Wir können sie ermutigen. Das geht jetzt so, seit fünf bis zehn Jahren, glaube ich.
Sie wurden auf die Buchmesse 2012 in Frankfurt eingeladen, weil sie aus Neuseeland stammen [Anmerkung d. Red.: Neuseeland war das Gastland der Messe 2012]. Ist Ihren Comics eine neuseeländische Note anzumerken?
In meinen Arbeiten steckt das nicht so sehr drin, aber es ist toll, diese Gelegenheit bekommen zu haben, denn in dem dem Neuseeland, das ich kenne, sind Comic-Künstler nahezu unsichtbar und ihr gesellschaftliches Ansehen ist nicht sehr hoch. Aber offensichtlich ändern sich die Dinge allmählich. Zur Messe nach Frankfurt eingeladen worden zu sein ist ein Riesenschritt, um den Leuten zu zeigen, dass es in Neuseeland Künstler gibt, die für Comics und andere Medien arbeiten.
Wären die Maori-Kultur oder andere Themen mit Bezug zu Neuseeland interessante Geschichten für Ihre Comics?
Für mich persönlich nicht so sehr. Aber andere Künstler haben sich dessen angenommen und diese Themen behandelt. Ich mache eher gradlinige, kommerzielle Comics und übernehme Auftragsarbeiten. Aber es gibt in Australien und Neuseeland auch Künstler, die sich sehr viel persönlicheren Arbeiten widmen. Sie veröffentlichen ihre Comics z.B. in den örtlichen Tageszeitungen und ich finde, es ist eine großartige Entwicklung, dass sich die Menschen, die dort leben, von ihrer Umgebung inspirieren lassen.
Hier war das Interview erstmal zu Ende und die Signierstunde begann. Die Ansage war: Nur die ersten 15 in der Schlange bekommen eine Zeichnung, weil Wilson sehr langsam zeichnet. Als ich an der Reihe bin und Colin Wilson um eine Zeichnung bitte, kann ich ihm weitere Fragen stellen, was ihn beim Zeichnen nicht weiter stört.
Welcher ist ihr Lieblings-Comic von Garth Ennis?
Ich lese sie nicht. Sie sind … (überlegt)
Zu übertrieben?
(lächelt) Ja, das ist der passende Ausdruck dafür.
Was fällt Ihnen beim Zeichnen leichter: Menschen oder Maschinen?
Maschinen. Das macht mir mehr Spaß und ich mag Flugzeuge und Rennwagen sehr gerne.
Waren Sie schon mal bei einem Formel-1-Rennen?
Ja. Allerdings gehören in Melbourne die besten Sitzplätze den großen Unternehmen.
Würden Sie gerne einen Comic über die Formel 1 zeichnen?
Nein.
Im Battler Britton-Interview hatten Sie gesagt, dass sie von Deutschland fasziniert seien. Was fasziniert Sie an Deutschland?
Etwa die Tatsache, dass es ein sehr wichtiges Land ist, ebenso interessiert mich die jüngere deutsche Geschichte der letzten 100 Jahre. In Neuseeland habe ich europäische Geschichte gelernt, aber hauptsächlich ging es dabei um Großbritannien.
Ich bitte ihn, eine Messerschmitt Me 262 zu zeichnen. Dafür zeige ich ihm als Vorlage den ersten Band des Comics Himmel in Trümmern.
Das ist das allerschönste Flugzeug, dass es zu zeichnen gibt. Ich habe es bisher noch nicht gezeichnet. Ich glaube, ich kenne diese Comic-Reihe.
Und die Stuka (Abkürzung für den Sturzkampfbomber Junkers 87) ist das am schwersten zu zeichnende Flugzeug, wie sie im Imterview für Battler Britton gesagt haben?
Ja, das stimmt.
Ich zeige ihm ein Foto der Gotha Go 229 / Horton H IX.
Kennen Sie dieses Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg?
Nein. War das ein echtes Flugzeug?
Ja, das war es. Es war der erste Tarnkappen-Düsenantrieb-Jäger. Er wurde statt aus Metall aus Holz hergestellt und war ein Nur-Flügler, um vom Radar nicht entdeckt zu werden. Das Flugzeug war seiner Zeit 50 Jahre voraus. Eine Geheimwaffe, oder wie es in der NS-Propaganda hieß, eine „Vergeltungswaffe“, so wie die Me 163 oder die V2. Es gibt ein Exemplar einer Go 229 in einem Museum in den USA.
Tatsächlich? Ein Flugzeug aus Holz herzustellen ist sehr gut, denn dadurch wird es nicht zu schwer. Die Corsair wurde ebenfalls aus Holz gefertigt.
Holz ist nicht so vorteilhaft, wenn auf das Flugzeug geschossen wird.
Das stimmt.
Da Battler Britton im Zweiten Weltkrieg spielt, tauchen in dem Comic an einigen Stellen Hakenkreuze auf. Bis auf wenige Ausnahmen ist es in Deutschland nicht erlaubt, dieses Symbol zu verwenden. Wussten Sie das mit dem Verbot des Hakenkreuzes in Deutschland?
Das habe ich just in diesem Moment zum ersten Mal gehört. Wenn man den geschichtlichen Hintergrund bedenkt, kann ich dieses Verbot nachvollziehen.
In Deutschland ist die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit ein heikles Thema, das äußerstes Fingerspitzengefühl verlangt. In Battler Britton werden die Begriffe Deutsche und Nazis ziemlich synonym verwendet. Ist es Ihnen wichtig, zwischen SS, Wehrmacht und Luftwaffe zu unterscheiden oder waren einfach alle Deutschen Nazis?
Ach, wissen Sie, Garth und ich sind sehr um historische Genauigkeit bemüht, aber Comics neigen dazu, eher ein schwarz-weißes Bild der Welt zu zeigen, Dinge zu verallgemeinern und simpler zu gestalten.
Aber die Story kommt im Wesentlichen vom Autor, in diesem Fall von Garth Ennis, und Sie haben nicht besonders viel Einfluss darauf?
Ja, das stimmt.
Wo haben Sie in England gelebt?
Ich lebte in der Nähe von London. Anfangs wohnte ich in einem Sozialbau.
Waren die Menschen in England anders als in Neuseeland?
Als ich aufwuchs, fühlten wir uns sehr stark wie Briten. Wir übernahmen sehr vieles von dort, etwa die Art Häuser zu bauen und so weiter. Ich hatte mir immer gewünscht, dass wir eine eigene Identität entwickeln würden. Das hat sich inzwischen in diese Richtung verändert.
Viele Menschen denken, dass Neuseeland ein traumhaft schönes Reiseziel ist und dass es so malerisch aussieht, wie sie es aus den Herr der Ringe-Filmen kennen. Entspricht dieses Vorurteil der Wirklichkeit?
Ja, es ist wirklich so. Ich kenne viele (Dreh)-Orte aus dem Film, aber natürlich wurden für die Filme einige Spezialeffekte eingefügt und damit die Orte etwas anders dargestellt als in der Realität.
Manche Leute sagen, Neuseeland ist so wie Europa in den 1950er Jahren, stimmt dieses Image mit der Realität überein?
Oh ja, definitiv!
Ab hier wurde das Interview per E-Mail fortgesetzt.
Hat Ihre Deutschland-Reise Ihr Bild von Deutschland sehr verändert oder war es genau so wie Sie es erwartet hatten? Ist Deutschland sehr viel anders als die Länder, in denen sie bisher gelebt haben, also Neuseeland, England und Australien?
Ich hatte eine großartige Zeit! Ich wusste nicht recht, was auf mich zukommt, aber die zwei Wochen dort vergingen so rasch. Nächstes Mal in Europa möchte ich gerne mehr Zeit für Deutschland einplanen. Eine Sache hat mich sehr überrascht, nämlich wie klein Deutschland zu sein scheint. Ich bin ein riesiger Geschichts-Fan und habe so viel über europäische Geschichte gelesen, auch über die häufige Vorherrschaft Deutschlands in den letzten 150 Jahren. Und dann war es doch viel kleiner als ich es mir vorgestellt hatte. Beeindruckend und sehr interessant.
Finden Sie, dass Comic-Künstlern inzwischen mehr Respekt gezollt wird als in der Vergangenheit, in der sie meist nicht mal namentlich genannt wurden? In Frankreich etwa spricht man von Comics als der Neunten Kunst. Ist die Wertschätzung für Comics in den englischsprachigen Ländern so hoch wie in Frankreich?
Nein, ich fürchte nicht. In der englischsprachigen Welt bleiben Comics für die breite Masse und in den Mainstream-Medien nahezu unsichtbar. Comic-Autoren steht noch ein langer Weg bevor, bis sie so geachtet werden wie in Frankreich. Das ist einfach kulturell bedingt. Trotz der vielbeachteten US-Filme wie The Avengers, Iron Man oder der Dark Knight-Trilogie werden englischsprachige Comics von Otto Normalverbraucher ziemlich übersehen. Und die etablierten Medien ignorieren Comics gänzlich.
Welche Zeichenwünsche wurden bei ihrer Signier-Tour am meisten geäußert? Kann es auch lästig werden, etwas zu häufig zeichnen zu müssen? Ich stelle mir das so vor wie bei den Rolling Stones, die seit 50 Jahren immer und immer wieder „Satisfaction“ spielen müssen. Das ist furchtbar öde und anstrengend, oder? 🙂
Damit hatte ich noch nie Schwierigkeiten, denn ich beschloss früh, nicht das selbe Motiv zwei oder drei Mal exakt gleich zu zeichnen, wenn ich auf einer Messe oder in einem Comic-Geschäft zeichne. Auf diese Weise wird es niemals langweilig. Manchmal, nachdem ich mehrere Stunden die selbe Figur gezeichnet habe – und ich habe während meines Deutschland-Besuchs gerade wirklich VIELE Blueberrys gezeichnet! – und ich etwas erschöpft bin, dann kann es mühsam werden, mit immer neuen Ideen daherzukommen. Möglicherweise ertappt man sich dabei, immer wieder die selben Posen seiner populärsten Figuren zu zeichnen, aber es ist nicht schwer, ein, zwei Kleinigkeiten hinzuzufügen, um die Arbeit frisch und interessant zu halten.
Wie viel Entscheidungsspielraum hat man als Autor und Zeichner für Star Wars? Kennen Sie sich mit dem „expanded universe“ von Star Wars aus? Bedeuten diese Jobs eher ein erfreuliches festes Einkommen oder ist das eher Stress, weil innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Zeichnungen entstehen müssen?
Ich war überrascht, als ich feststellte, dass Tom (Taylor – der Autor von Star Wars: Invasion) und ich fast völlige Freiheit bei der Arbeit an unserer Star Wars-Serie genossen. Wir wussten, dass Lucasfilms sehr genau hinsieht, was im Star Wars-Universum geschieht, und das war mir von Anfang an bewußt. Doch dann fand ich allmählich heraus, dass wir freie Hand dabei hatten, eine Vielzahl neuer Figuren und Geräte erfinden und gestalten und in die Geschichte einbauen durften. Natürlich waren wir uns des Designs und der Stimmung des Star Wars– Universums sehr bewußt und ich bin mir sicher, dass wir für Invasion nicht solche Freiheiten eingeräumt bekommen hätten, wenn Dark Horse nicht überzeugt gewesen wäre, dass wir die bislang bei ihnen erschienenen Comics nicht respektiert hätten. Es war wirklich ermutigend, dass man uns beiden diese Freiheit gab, um dieses Universum mitzugestalten, dass seit 30 Jahren so einen riesigen Einfluß auf uns hatte.
Das einzig ernsthafte Problem war die geforderte Menge an Zeichnungen, die für eine monatlich erscheinende 22-seitige US-Comicserie notwendig ist. Ich hatte vorher noch nie mit einem Koloristen gearbeitet, deshalb war ich nur daran gewöhnt, eine Zeichnung zu gestalten, wenn ich sie auch komplett allein fertigstellen kann. Glücklicherweise war Dark Horse darauf vorbereitet, dass es zwischen den einzelnen Geschichten eine längere Pause gab. Auf diese Weise hatte ich Zeit, das geforderte Artwork zu produzieren. Offensichtlich ist es keine gute Idee, zwischen den Kapiteln eine zu lange Pause zu machen, und leider können diese ständig einzuhaltenden Abgabetermine sehr anstrengend werden …
Ich verstehe Battler Britton hauptsächlich als Hommage an die Zeichner und Autoren der 1950er und 1960er und die Darstellung des Krieges eher als „Kriegsspiel“ denn als Abbild der echten Kriegswirklichkeit. In diesem Comic findet sich keinerlei politische Aussage, finde ich. Ähnlich wie in frühen Kriegsfilmen dienen Schlachten, Kämpfe und Helden hier eher der Unterhaltung und Zerstreuung des Publikums. Würden Sie dem zustimmen?
Vielleicht ist da etwas Wahres dran. Mit Battler Britton wollten Garth und ich den kleinformatigen, britischen Kriegsomics Respekt erweisen, mit denen wir beide aufgewachsen sind. Für gewöhnlich ist es mein Ansatz, alles so realistisch wie möglich zu gestalten, so halte ich es bei all den verschiedenen Actionserien, an denen ich bisher gearbeitet habe. Den Battler etwas weniger akribisch realistisch zu gestalten, empfand ich zu der Zeit, als er entstand, als sehr belebend. Und natürlich war es eine wundervolle Gelegenheit für eine Hommage an den Comic-Zeichner, der so einen immensen Einfluss auf mich gehabt hat: der großartige Ian Kennedy.
Kriegsfilme haben sich von Die Brücke von Arnheim und Die Luftschlacht um England hin zu Der Soldat James Ryan verändert. Heute wird in solchen Filmen größerer Wert auf Realismus, Schmerz und Horror gelegt. Die Figuren handeln nicht mehr wie John Wayne (der Hauptdarsteller aus Der längste Tag). Um Tony Soprano (frei) zu zitieren: „Wo ist der starke, stille Typ geblieben, wo ist Gary Cooper heutzutage?“ Garth Ennis ist ein Riesenfan von Clint Eastwood, wie sein Werk andeutet. Denken Sie, dass für Battler Britton so eine Modernisierung in Richtung von Filmen wie Der schmale Grat und ähnlicher Post-Kalter-Kriegs-Filme funktionieren würde?
Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Battler auf diese Weise funktionieren würde. Die Fleetway-Hefte über den Zweiten Weltkrieg aus den 1950er und 1960er Jahren waren ganz stark von der damaligen Zeit geprägt. Die besten Geschichten davon boten häufig vielschichtige Figuren und moralische Fragen, die der Krieg aufwarf. Für mich persönlich dienten sie sicher auch als wundervolle Einführung in die Möglichkeiten, die Comics bieten können. So wie auch bei den Western-Filmen müssen Kriegscomics und Kriegsfilme heute in der Tat extremer und realistischer aussehen, aber dieser konstante Wandel bedeutet auch, dass eines Tages jemand einen wiederum neuen oder erfrischenden Blick finden oder einen „alten“ Ansatz wiederentdecken wird, so wie es etwa Anfang 2012 mit der Wiederbelebung des Stummfilms durch The Artist geschehen ist, und dann ändert sich der Geschmack wieder.
Sind Sie zufrieden damit, wie sich das Männerbild verändert hat? Diesen Typus Kurt Cobain, Justin Timberlake oder Matt Damon, meine ich. Oder haben sich Männer gar nicht wirklich verändert und dieses Image ist nur etwas, dass uns Massenmedien wie das Fernsehen einreden wollen?
Ich finde es immer sehr gefährlich, die Wirklichkeit mit aktuellen Medientrends gleichzusetzen. Die viel beachteten Figuren, die wir in Filmen, Rockmusik oder anderen Medien sehen, sind nur ein Produkt ihrer jeweiligen Zeit. Die Zeiten ändern sich, die Vorlieben ändern sich. Einige wenige unserer aktuellen „Stars“ werden den Wandel überstehen, aber werden wir in zehn Jahren noch Lady Gaga bewundern?
Sind Sie Garth Ennis während ihrer Arbeit für Judge Dredd begegnet? Verfolgen Sie die Entwicklung dieser Figur (Dredd, nicht Ennis) weiter? Kennen Sie die Neuverfilmung von Judge Dredd, die 2012 anlief?
Ich hatte die Gelegenheit, während einer wundervollen Zeit an 2000 AD zu arbeiten, in der ich eine Vielzahl von Talenten kennenlernte, die die Comic-Szene beeinflusst haben, aber ich glaube, ich war schon in Frankreich, als der nächste Schub neuer Künstler kam – Garth Ennis, Alan Moore, Simon Bisley etc. Ich zog so um 1983 nach Paris, und damals waren Judge Dredd und 2000 AD in Frankreich praktisch unbekannt, deshalb bekam ich erst Jahre später etwas davon mit, was die neuen Künstler dort geschaffen hatten.
Konnten Sie beeinflussen, wie die Deluxe-Ausgabe des Battlers [die Panini anlässlich von Wilsons Deutschland-Besuch veröffentlichte] aussieht, oder lag diese Entscheidung allein beim Verlag?
Sowohl Garth als auch ich wurden gebeten, für den Deluxe-Battler neue Einführungen zu schreiben. Ich habe außerdem noch die Extra-Zeichnungen für den Bonusteil zur Verfügung gestellt, aber für den Gestaltungs- und Herstellungsprozeß war Panini verantwortlich. Ich wurde zwar darüber informiert, dass das Buch im Großformat geplant war, aber ich hatte das wohl etwas überhört, deshalb war ich dann freudig überrascht, als nach meiner Ankunft in Deutschland das fertige, großformatige Buch sah. Panini hat wundervolle Arbeit vollbracht!
Bereitet es mehr Freude, Battler zu zeichnen als Star Wars?
Wie könnte ich eines dem anderen vorziehen? Beides habe ich überaus gerne gezeichnet und ich bin sehr stolz darauf, dass ich diese Gelegenheiten bekommen habe…
Wird es von Ihnen (und Garth) weitere Bände von Battler Britton oder andere Kriegsgeschichten geben? Was sind Ihre nächsten Comic-Projekte?
Sowohl Garth als auch ich würden liebend gern mehr Battler Britton-Geschichten gestalten, aber leider lassen uns unsere Terminpläne dafür keinen Platz, zumindest nicht in absehbarer Zukunft. Momentan arbeite ich mit Frank Giroud an einem XIII Mystery-Album für Dargaud, und danach fange ich mit einer komplett neuen Serie für Delcourt an. Es wird also etwas dauern, bis ich zu unserem Lieblingspiloten der Royal Air Force aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren kann.
Welches sind Ihre Lieblingscomics und -Künstler?
Das ändert sich laufend und das ist auch ein positiver Aspekt daran, für dieses Medium zu arbeiten: Man entdeckt ständig neue Zeichner und Autoren, die wundervolle Arbeiten abliefern und von denen man vorher nicht mal ahnte, das es sie überhaupt gibt. Gerade erst diese Woche hat mir ein Freund ein tolles Tex-Buch gezeigt, dass vom wundervollen Corrado Mastantuono illustriert wurde, von dem ich bis dahin noch nie zuvor gehört hatte! Vor einigen Monaten bin ich quasi über die erstaunlichen Werke von Marcos Mateu-Mestre gestolpert. Woher kommen diese Leute?
Genießen Sie Ihre Zeit in Deutschland und bitte erzählen Sie den Australiern, dass Deutschland mehr ist als nur Bayern, Bier und Bratwurst.
Nicht dass etwas an Bayern, Bier oder Bratwurst auszusetzen wäre 😉
Ich hatte eine großartige Zeit in Deutschland und wir planen bereits etwas Ähnliches für nächstes Jahr oder so. Darauf freue ich mich schon!
Abbildungen: © Colin Wilson, DC Comics, Dargaud, Dark Horse, Cross Cult, Bunte Dimensionen
Fotos: © Stefan Svik