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Interview mit Scott Tipton und David Messina (OmU)

Der amerikanische Autor Scott Tipton ist sowohl für zahlreiche Star Trek-, Angel– und Spike-Comics bekannt, als auch für seine Webseite comics101.com, auf der er Kolumnen zur Geschichte der US-Comics veröffentlicht. Sein häufiger Kreativpartner, der italienische Zeichner David Messina, gehört mittlerweile zu den beliebtesten Star Trek-Künstlern. Zusammen arbeiteten sie an Comics wie Star Trek: Spiegelbilder und Star Trek – The Next Generation: Tor zur Apokalypse, die in Deutschland bei Cross Cult erscheinen. David Messina ist außerdem der Zeichner von Countdown, der offiziellen Vorgeschichte des neuen Star Trek-Films.
Andreas Völlinger interviewte die beiden Comickünstler im November bei den Düsseldorfer Fantasydays, während in der Halle direkt unter dem Presseraum eine wilde Cosplay-Show über die Bühne tobte.

Wir bieten Euch das Interview im Original auf Englisch und übersetzt auf Deutsch an.

[Click here for the ENGLISH VERSION.]

David Messina und Scott TiptonComicgate: Ich sitze hier zusammen mit Scott Tipton [Foto: rechts] und David Messina [Foto: links]. Scott, du lebst in den USA, aber wo genau?

Scott Tipton: Ich bin aus Los Angeles.

CG: Und David, wo in Italien wohnst du?

David Messina: In Rom.

CG: Wie war die Convention bisher für euch?

ST: Ziemlich interessant. Sie ist anders als alle Conventions in den USA, die ich bisher besucht habe.

CG: Inwiefern?

ST: Ich weiß natürlich nicht, ob alle deutschen Conventions so sind, denn das hier ist die erste, die ich je besucht habe. Jedenfalls ist diese hier unheimlich stark auf Fantasy und Cosplay ausgerichtet. Es gibt diese riesige Bühne und die ganzen Musik- und Show-Einlagen. Für mich ist das ziemlich einzigartig.

CG: Bei uns gibt es auch traditionellere Comicmessen, bei denen der Fokus stärker auf Comics liegt und die denen in Amerika wohl ähnlicher sind.

ST: Also wie San Diego [Comic Con] oder Wonder Con?

David Messina und Sara Pichelli beim Signieren in DüsseldorfCG: Genau. Und David, wie sieht es mit den italienischen Comicmessen aus?

DM: Die italienischen Conventions sind eher kleiner, mit Ausnahme des Lucca Comics Festival, das wirklich eine große Sache ist. Und bei uns gibt es nicht ganz so viele Cosplayer. Ich war übrigens schon bei ein paar Conventions in Deutschland zu Gast, aber das waren meist Star Trek-Conventions wie die FedCon in Bonn. Und da geht es doch etwas anders zu, mit den ganzen Schauspielern als Ehrengästen. Hier herrscht eher eine Art Party-Atmosphäre.

ST: Zwei Dinge sind mir an dieser deutschen Convention bisher besonders aufgefallen: Zum einen extrem attraktive weibliche Trekkies. Zum anderen, dass Bier an den Signiertischen serviert wird. Davon kann man sich für amerikanische Conventions mal eine Scheibe abschneiden. (lacht)

CG: Ihr beiden seid hauptsächlich hier wegen eurer Star Trek-Comics für IDW, die in Deutschland von Cross Cult veröffentlicht werden. Seid ihre beide Star Trek-Fans?

ST: Ja, schon immer.

CG: Du bist also ein echter Trekkie?

ST: Oh ja, durch und durch.

DM: Ich bin kein derart großer Fan. Ich habe die TV-Serie als kleiner Junge immer mit meiner Schwester geguckt, also die erste mit Spock und Kirk. Obwohl ich die Weiterentwicklung von Star Trek interessant finde und mir für meine Arbeit mit Scott einige Episoden der Nachfolgeserien angesehen habe, mag ich die alte Crew immer noch am meisten. Ich schaue mir die klassischen Folgen immer wieder an. Und ich bin auch ein Fan von J.J. Abrams‘ neuer Version von Star Trek. Ich liebe einfach die alte Mannschaft mit Uhura und Kirk.

CG: Dann muss es dir ja eine Menge Spaß gemacht haben, an Spiegelbilder zu arbeiten, denn dafür konntest du all die alten Figuren zeichnen.

DM: Ja, darin kommen all die klassischen Figuren vor, die ich wirklich gerne mag. Ich habe aber auch etwas für Sisko [aus Deep Space Nine] und Picard [aus The Next Generation] übrig. Scott glaubt, das liegt daran, dass wir die gleiche Frisur haben. (lacht)

Star Trek: Countdown CG: Die Arbeit an Star Trek: Countdown, der Vorgeschichte zum neuen Film, muss ziemlich nervenaufreibend gewesen sein mit all dem Rummel, der um den Film gemacht wurde.

ST: Für mich war das kein Problem, denn ich durfte diesen Comic gar nicht schreiben. (lacht)

DM: Das Skript wurde von Tim Jones and Mike Johnson geschrieben.

CG: Stammten die beiden aus dem Produktionsteam des Films?

DM: Ja, sie arbeiten für Robert Orci und Alex Kurtzman, die das Drehbuch für den neuen Star Trek-Film schrieben. Das Skript für Countdown basierte auf einer Plotvorlage von Orci und Kurtzman. Die Arbeit an dem Comic war wirklich nervenaufreibend, denn als ich damit anfing war alles, was den Film betraf, furchtbar geheim. Ich habe den Film erst drei Monate nachdem ich die letzte Ausgabe von Countdown gezeichnet hatte, gesehen. Es war kein Problem, die Guten in Countdown zu zeichnen, denn es handelte sich ja um Figuren aus The Next Generation und Spock, aber der Schurke, Nero, war ja eine neue Figur aus dem Film. Ich hatte also keine Ahnung, wie sein Darsteller [Eric Bana] auf der Leinwand rüberkommt und wie sein Raumschiff, die Narada, gezeigt wird. Ich hatte natürlich ein paar Bildvorlagen für die Narada und die Film-Schauplätze, aber ich habe das Schiff nie auf der Leinwand in Bewegung gesehen. Als ich den Film dann zum ersten Mal sah, war ich überrascht, wie lebendig die Narada dort wirkte.

CG: Aber du bist dennoch zufrieden mit dem fertigen Comic, oder? Die Fan-Reaktionen, die ich im Internet gelesen habe, klangen jedenfalls recht positiv.

ST: Die Reaktionen auf den Comic waren großartig. Es war das erste Mal seit Jahren, dass ich Davids Arbeit mal nur als Leser genießen konnte. Ich fand den Comic auch sehr gelungen und denke, dass die Autoren sehr gute Arbeit geleistet haben. Die Verkaufszahlen in den USA waren ziemlich gut und die Reaktionen der Leser fast durchweg positiv.

Star Trek – The Next Generation: Tor Zur Apokalypse CG: Ihr beiden habt zusammen an Star Trek: Spiegelbilder gearbeitet und ein weiteres Gemeinschaftsprojekt von euch wird ebenfalls demnächst in Deutschland erscheinen: Tor zur Apokalypse [erscheint im Dezember 2009].

ST: Tor zur Apokalypse ist eine Miniserie mit der Next Generation-Crew. Wir haben außerdem zusammen an einer Klingonen-Miniserie namens Blood Will Tell gearbeitet, die auch bald in Deutschland erscheinen soll. Und wir haben Spock: Reflections gemacht, eine Art Vor-Vorgeschichte zum neuen Star Trek-Film. Dort erfahren wir, was Spock zwischen den letzten Filmen mit der alten Crew und Countdown getrieben hat.

CG: Wieviel kreativen Spielraum hast du, wenn du Geschichten für Star Trek schreibst?

ST: Eine Menge. Insgesamt läßt man mir viel Freiheit beim Arbeiten. Ich muss zuerst natürlich einen Pitch einreichen, in dem ich beschreibe, was ich in der Geschichte vorhabe. Aber sobald dieser abgesegnet wurde, vertraut man mir so ziemlich.

CG: Ich dachte immer, dass es strenge Regeln gibt, wenn man für ein Franchise wie Star Trek schreibt.

ST: Die Regeln sind durchaus streng, aber nicht für Leute, die das schon so lange machen, wie wir [Scotts Bruder David wirkt an den Star Trek-Comics als Co-Autor mit]. Wir haben bereits Geschichten mit jedem Team erzählt und immer alles bis ins kleinste Detail recherchiert … An dem Zeitpunkt, an dem ich einen Pitch bei CBS einreiche, sind eigentlich alle Fragen und Probleme bereits beseitigt.

CG: David, ist es schwierig für dich als Künstler, hauptsächlich Figuren zu zeichnen, die auf realen Menschen, auf Schauspielern, basieren?

DM: Manchmal ist es wirklich anstrengend. Ein paar Schauspieler, wie zum Beispiel Leonard Nimoy als Spock, haben ein ziemlich einzigartiges und charakteristisches Aussehen, andere, wie William Shatner als Kirk oder David Boreanaz aus Angel, eher nicht. Die sind ziemlich schwierig zu zeichnen. Es fällt mir leichter, mit so ikonischen Figuren wie Spock oder Spike [James Marsters] aus Angel zu arbeiten. Spock zu zeichnen ist wirklich eine Freude, denn sein Gesicht ist eine echte Ikone – eine Science-Fiction-Ikone. Ich zeichne es wirklich gerne und es ist fast schon entspannend.

Seite aus Star Trek: Spiegelbilder CG: Legen die Fans der Serien großen Wert auf das akkurate Aussehen der Figuren in den Comics? Man sagt ja, dass vor allem Star Trek-Fans ziemlich kritisch sein können.

ST: Die Sache mit Trekkies ist die: Wenn du etwas falsch machst, dann lassen sie es dich umgehend wissen. Aber im Großen und Ganzen waren die Reaktionen der Star Trek-Fans zu allem, was wir bisher gemacht haben, ziemlich positiv. Und so etwas zu hören ist natürlich großartig. Diese Leute sind es letztendlich, die unsere Mieten bezahlen, und ich möchte nicht schlecht von ihnen sprechen. Sie sind meist ziemlich wohlwollend. Aber sobald du dich mit einer Farbe vertust oder einen Fehler bei einer Uniform einbaust, bekommst du eine Email. (lacht) Aber das ist völlig in Ordnung, denn so bleiben wir aufmerksam. Wir wollen ja keine miese Arbeit abliefern.

CG: Ihr beiden habt zusammen auch an Angel-Comics gearbeitet …

ST: Ja, wir haben zusammen eine Angel-Miniserie gemacht: „Auld Lang Syne“.

DM: Und eine Adaption von „Smile Time“.

ST: Stimmt, wir haben auch eine Comicadaption der Fernsehepisode „Smile Time“ gemacht.

CG: Da ihr beiden hauptsächlich mit Figuren aus Lizenzserien arbeitet, nehme ich an, dass ihr gerne Geschichten in einem bereits existierenden Serienuniversum erzählt. Aber vermisst ihr nicht manchmal die Freiheit, in euren Comics einfach mal völlig losgelöst das zu erzählen, was ihr wollt?

ST: Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Der amerikanische Comicmarkt wird schließlich so ziemlich von Lizenzserien dominiert. Egal ob nun die Comics bei Marvel und DC oder Star Trek bei IDW. Einen eigenen Comic unterzubringen ist da recht schwierig. David und ich haben sogar zusammen eine Comicfigur entwickelt, deren Geschichten wir bereits seit Jahren veröffentlichen wollen. Aber bisher hat es einfach nicht geklappt. Immer, wenn wir uns damit befassen wollen, türmen sich bei einem von uns gerade die Auftragsarbeiten. Eines Tages werden wir das bestimmt hinbekommen, aber bisher war einfach nicht die rechte Zeit.

CG: Aber ihr habt dennoch Spaß an eurer derzeitigen Arbeit?

ST: Na klar. Jeder Tag, an dem ich Spike schreiben kann oder David Spock zeichnen darf, ist ein guter Tag.

CG: Und nun zur traditionellen Frage … David, wie bist du Comiczeichner geworden?

DM: Mit dem Zeichnen habe ich bereits als Kind angefangen, und später dann studierte ich an der Scuola Internazionale di Comics [Internationale Comicschule] in Rom, wo ich mittlerweile auch als Lehrer unterrichte. Meine Lieblingskünstler waren schon immer Adam Hughes und Mike Mignola. Ich kaufe einfach alles von den beiden. Auch wenn ein Comic nur ein Cover von einem der beiden hat, wird es gekauft. Ebenfalls großen Einfluss auf mich hatten Manga. Ich liebe ihre Dynamik und den cinematografischen Stil. Neben Adam Hughes und Mike Mignola ist wohl Katsuhiro Otomo [Akira] mein größtes Vorbild. Außerdem bin ich auch von klassischer Malerei beeinflusst. Durch meinen Vater, der Maler ist, bin ich in einem Haus voller Kunst aufgewachsen. Maler wie Magritte oder Klimt beeinflussen vor allem die Art, wie ich meine Comics koloriere.

CG: Das ist wirklich interessant …

DM: Ja, und es ist interessanter Weise auch die Ebene, über die mein Vater Zugang zu meiner Arbeit bekommt, wenn ich mit ihm über sie spreche. Denn ansonsten ist alles, was ich als Comiczeichner mache, so ziemlich fern von dem, was er kennt und tut. Das ist auf gewisse Art schon recht witzig.

CG: Und Scott, du hast deine Karriere eigentlich damit begonnen, über Comics zu schreiben, richtig?

ST: Es begann alles damit, dass Chris Ryall, der jetzt Herausgeber bei IDW ist, und ich für Kevin Smith arbeiteten. Wir waren für eine seiner Popkultur-Webseiten, moviepoopshoot.com, verantwortlich. Chris war Chefredakteur und ich war sein Stellvertreter und schrieb für diese Seite unter anderem die wöchentliche Kolumne „Comics101“ über die Geschichte der Comics. Ich habe das drei Jahre lang gemacht und niemals einen Abgabetermin verpasst. Darauf bin ich immer noch stolz.

Angel: Auld Lang Syne CG: Sind die gesammelten Kolumnen noch im Internet zu finden?

ST: Die Seite gibt es nicht mehr. Aber die Kolumnen kann man jetzt auf meiner eigenen Seite, comics101.com, finden. Jedenfalls wurden damals irgendwann die Leute von IDW auf Chris aufmerksam. Die hatten nämlich bemerkt, was für ein fähiger Redakteur er ist, und boten ihm einen Job an. Nachdem er den angenommen hatte, fragte er mich, ob ich Lust hätte Comics zu schreiben. Ich sagte ihm, dass ich bei einem passenden Projekt durchaus Interesse hätte. So durfte ich zuerst mehrere Horrorkurzgeschichten für einen Comic namens Doomed adaptieren. Dann bekam IDW die Lizenz für Angel von Fox. Und ich liebe Angel! Ich sagte ihnen: ‚Leute, gebt mir einfach eine Chance. Lasst mich eine Geschichte pitchen und wenn man sie bei Fox mag und ich sie schreiben kann, wäre das fantastisch.‘ Ich habe eine Geschichte mit Spike gepitcht, die so gut bei Fox ankam, dass man sie ankaufte. Das war dann mein erster Spike-Comic, Spike: Old Wounds. Seitdem habe ich ziemlich regelmäßig Spike– und Angel-Comics geschrieben. Und dann erhielt IDW die Star Trek-Lizenz. Meine Reaktion war: Star Trek! Lizenz!! Oh Mann!!! Aus dem Weg, lasst mich eine Geschichte vorschlagen!‘ Zum Glück waren auch die Leute bei CBS meiner Arbeit gegenüber sehr aufgeschlossen.

CG: Gibt es irgendwelche Figuren, abgesehen von denen, an denen ihr bereits arbeitet, über die ihr gerne mal einen Comic machen würdet?

ST: Blue Beetle und Yellow Jacket. Ernsthaft! Wir würden unser ganz eigenes DC/Marvel-Crossover mit ihnen veranstalten. David würde es zeichnen, ich würde es schreiben, man muss uns nur die Chance dazu geben. (lacht)

CG: Du bist ja auch eine Art von Comichistoriker. Mit deinem ganzen Hintergrundwissen, wie schätzt du die momentane Situation auf dem Comicmarkt ein? In Deutschland kommt gerade, wie in den USA, die Diskussion auf, in welche Richtung sich alles bewegen wird. Welche Rolle werden digitale Comics spielen?

ST: Im Großen und Ganzen geht es den amerikanischen Comicverlagen momentan recht gut. Ich glaube auf jeden Fall, dass es in Zukunft immer mehr digitale Comics geben wird. IDW hat da auch schon ein paar schöne Sachen erarbeitet und Comics für den iPod zur Verfügung gestellt. Aber letztendlich werden auf Papier gedruckte Comics nie verschwinden. Es wird sie immer geben, denn die Menschen wollen einfach dieses haptische Erlebnis haben.

CG: Wird das deiner Meinung nach immer mehr in Form von Graphic Novels und Sammelbänden sein?

ST: Ja, genau. Ich vermute, dass das monatliche Comicheft in Zukunft nur noch in digitaler Form verkauft wird. Und diese Digitalcomics werden dann später als Sammelbände und Hardcover gedruckt. Das wird nicht gleich nächsten Monat oder nächstes Jahr geschehen, aber ich bin überzeugt, dass wir uns in diese Richtung bewegen.

CG: Du siehst also letztendlich positiv in die Comic-Zukunft?

ST: Absolut. Außerdem gibt es momentan einfach noch zu viele Leute, die ihre Comics jeden Monat wollen. Die Verkäufe sind momentan etwas rückläufig, aber das hat mit der generellen Wirtschaftslage zu tun und wird sich auch wieder ändern.

CG: Ein schönes Schlusswort. Danke für das Interview, ihr beiden!

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Comicgate-Rezension zu Star Trek: Spiegelbilder
Comicgate-Rezension zu Star Trek: Countdown
David Messinas Blog
Scott Tiptons Comics 101
Cross Cult
Leseprobe zu Star Trek: Tor zur Apokalypse bei Treknews.de

Fotos: © Andreas Völlinger/comicgate.de