Filmrezensionen

Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt

Scott Pilgrim vs. The World
USA 2010
Regie: Edgar Wright
Hauptdarsteller: Michael Cera (Scott Pilgrim), Mary Elizabeth Winstead (Ramona Flowers), Ellen Wong (Knives Chau), Kieran Culkin (Wallace Wells), Anna Kendrick (Stacey Pilgrim), Brandon Routh (Todd Ingram), Chris Evans (Lucas Lee), Jason Schwartzman (Gideon Graves)


Eins gleich vorweg: sorry, das wird keine ausgewogene Filmkritik. Ich bin Fan der Scott Pilgrim-Comics von Bryan Lee O’Malley, seit ich im Jahr 2004 den ersten Band gelesen habe, das komplette 6-bändige Epos habe ich inzwischen mehrfach gelesen. Normalerweise verspürt man, wenn man eine Vorlage sehr, sehr gerne mag, bei einer Verfilmung eher Angst als Vorfreude. Das gilt nicht bei diesem Film, denn ich bin auch Fan von Regisseur Edgar Wright, der zuvor Shaun of the Dead und Hot Fuzz gemacht hat. Dass ihm dieses Projekt anvertraut wurde, erschien mir von Anfang an völlig richtig und schlüssig. Und tatsächlich: Er hat die Erwartungen nicht enttäuscht.

Scott Pilgrim vs. the World ist ein ungemein unterhaltsamer und aufregender Filmspaß geworden, der seiner Comicvorlage sehr treu bleibt und sie niemals verrät, sie aber auch nicht sklavisch abfilmt, sondern auf kongeniale Weise ins Medium Film transportiert. Für alle, die immer noch nicht wissen, worum es geht, die Kurzzusammenfassung: Scott ist ein 22-jähriger Kanadier ohne Job, der nicht besonders schlau ist, viel herumhängt, Videospiele zockt, in einer ziemlich schlechten Band Bass spielt und unerwartet seine Traumfrau Ramona trifft. Um mit ihr zusammenzukommen, muss er aber eine hohe Hürde meistern: er muss Ramonas sieben böse Ex-Freunde im Kampf besiegen.

Was als Inhaltsangabe mächtig bekloppt klingt, wurde in Bryan Lee O’Malleys Comicserie zu einer rundum gelungenen – und am Ende auch sehr erfolgreichen – Mischung aus Actionmanga, Generationsporträt, Coming-of-Age-Geschichte und romantischer Komödie, vollgepackt mit popkulturellen Referenzen zu Videospielen, Indierock und Filmen (siehe auch der Artikel „Das Phänomen Scott Pilgrim“ im Comicgate-Magazin 5). Edgar Wright schafft es, diese spezielle Mischung auf die Leinwand zu transportieren, indem er die zentrale Besonderheit der Vorlage beibehält: die völlig selbstverständliche Vermischung der ganz normalen Welt junger Menschen im 21. Jahrhundert mit der Logik von Videopielen, in denen man zwischendurch auch mal Gegner verkloppen muss, um ins nächste Level zu gelangen.

Edgar Wright nimmt diesen Aspekt dankbar auf und betont die Videospiel-Komponente noch sehr viel stärker, als es die Comics tun. Das beginnt schon ganz zu Anfang, wenn das Logo der Universal Studios in pixeliger Commodore-Amiga-Ästhetik mit entsprechendem Sound erscheint. Später gibt es unter anderem die Einblendung eines gelben Wasserstandsbalkens, wenn Scott pinkeln geht, viele Soundeffekte, die an alte 16-Bit-Konsolen erinnern, und ähnliches mehr. Dazu natürlich zahlreiche Kampfeinlagen, die allesamt sehr rasant und einfallsreich gefilmt sind.

Von der Dramaturgie her erinnert der Film ein wenig an Musicals: so wie dort die Schauspieler unvermittelt anfangen zu singen und zu tanzen, so wird hier zwischendurch mal eben gekämpft, ehe die Figuren wieder „normal“ agieren. Beim ersten Kampf mag das noch irritierend wirken, funktioniert aber wunderbar. A propos Musik: auch davon enthält der Film eine Menge, schließlich spielt Scott in einer Band, die wir sowohl im Proberaum als auch auf verschiedenen Bühnen sehen. Die eigens komponierten Schrammel-Rocksongs passen hervorragend.

Neben guter Musik und effektvollen Kampfszenen punktet Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt mit sehr viel Humor (teilweise direkt aus dem Comic übernommen), mit reichlich popkulturellen Anspielungen (von Seinfeld bis Bollywood), mit seinem stellenweise irrwitzig hohen Tempo und mit vielen visuellen Mätzchen wie Splitscreens, Einblendungen (zum Beispiel von Soundwords) und Rückblenden im Comic-Stil. Schon diese Elemente machen den Film zu einem sehr unterhaltsamen und rasanten Spaß. All das wäre aber nur oberflächlicher Nonsens – richtig gut wird es erst dadurch, dass Edgar Wright auch zwei wichtige Aspekte im Auge behält: die Charaktere und das Herz der Geschichte.

Für den Film wurden fast alle Figuren aus der Comicserie übernommen und äußerst passend besetzt: Zwar hat Michael Cera die Rolle des leicht verpeilten Spätjugendlichen vielleicht schon etwas zu oft gespielt (u.a. in Juno und Superbad), trotzdem steht ihm die Rolle des Scott Pilgrim sehr gut. Noch viel mehr glänzen allerdings Kieran Culkin als Scotts schwuler Mitbewohner und väterlicher Ratgeber Wallace und Jason Schwartzman als Gideon Graves, letzter und gefährlichster Ex-Freund und damit der große Endgegner. Ebenfalls als Ex-Freunde dürfen Brandon Routh und Chris Evans mitspielen, die beide bereits Erfahrung mit (Superhelden-) Comicverfilmungen haben: der eine als Superman, der andere als Johnny Storm in Fantastic Four sowie demnächst als Captain America. Alle haben sichtlich Spaß an ihren Rollen und erwecken Bryan Lee O’Malleys Figuren zum Leben, die weit mehr als nur eindimensionale Klischeefiguren sind.

Womit wir beim Herz der Geschichte wären: Unter all dem lauten, bunten, poppigen Spektakel steckt eine anrührende Geschichte vom Erwachsenwerden, von der Kraft der Liebe und davon, wie man mit dem Ballast seiner Vergangenheit umgeht. Dass diese Schicht immer schön durchscheint und von Action und Gags nie völlig verdeckt wird, ist die größte Stärke des Films. Man hätte Bryan Lee O’Malleys Comics wohl kaum besser verfilmen können.

Trotz aller Qualität ist Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt nicht perfekt, kann es gar nicht sein. Da man den Inhalt von sechs dicken Comicbänden auf einen zweistündigen Film verdichten musste, wurden natürlich viele kleine Nebenstränge gestrichen. Das führt – vor allem in der zweiten Hälfte – dazu, dass die Kampf- und Actionszenen vergleichsweise viel Raum einnehmen, während im Comic auch immer wieder Platz für ruhige Momente ist. Dadurch bleiben Nebenfiguren wie Kim Pine und Envy Adams, beides Ex-Freundinnen von Scott, im Film wesentlich blasser und oberflächlicher. Und im Comic gelingt es auch viel besser, den Leser davon zu überzeugen, dass Ramona für Scott wirklich die ganz große Liebe ist, für die es sich wortwörtlich zu kämpfen lohnt. Ein Zuschauer, der den Comic nicht kennt, könnte sich dagegen manchmal fragen, warum Scott nicht einfach die komplizierte Ramona links liegen lässt und sich stattdessen der kleinen Chinesin Knives Chau zuwendet, die ihn sowieso vorbehaltlos anhimmelt.

Diese Schwächen sind jedoch leicht zu verschmerzen, schließlich bekommt man hier einen sehr gelungenen und einfallsreichen Film, der von der ersten bis zur letzten Minute unterhält und sich durch seine originelle Machart und den ungewöhnlichen Genre-Mix wohltuend vom Einerlei des Hollywood-Mainstreams abhebt. Für alle Nerds und Geeks ein wahres Fest, aber auch für die meisten anderen sehr zu empfehlen.

 

Wertung: 


Offizielle Film-Website (englisch)
Offizielle Film-Website (deutsch)
scottpilgrim.com – die Comics
Scott Pilgrim bei Panini Comics

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Abbildungen: © Universal