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Marvels Nazi-Schurken

Allen, die sich weitergehend mit dem Thema des realen Zweiten Weltkrieg, beziehungsweise dem Dritten Reich, ausführlicher auseinandersetzen möchten, sei Ian Kershaws “Hitler” empfohlen, das einen sehr soliden Gesamtüberblick über diese Epoche gibt. Etwas stringenter geschrieben und nicht ganz so komplex sind die Bücher und TV-Sendungen Guido Knopps zu diesem Thema, insbesondere die “Hitlers Helfer” Bücher bieten einen guten Einstieg. In Comicform ist sicherlich “Maus” von Art Spiegelman lesenswert, das den Zweiten Weltkrieg, insbesondere den Holocaust, aus der Perspektive eines polnischen Juden darstellt, ebenso wie “Berlin” von Jason Lutes, das einen Blick auf das Alltagsleben in den letzten Jahren der Weimarer Republik wirft. Hierbei ist allerdings eine gewisse Vorbildung in Sachen deutscher Geschichte sicherlich empfehlenswert, da die historischen Ereignisse als Hintergrund der Handlung dienen und nicht genauer erklärt werden.


In the Beginning…

Das Superheldenzeitalter brach für Marvel im Oktober 1939 mit “Marvel Comics #1” an (auch wenn der Verlag zu dieser Zeit noch nicht Marvel Comics hieß, sondern die Comics als Timely Comics und später als Atlas Comics über die Ladentheke gingen. Der Einfachheit halber stelle ich diese hier unter den Begriff Marvel Comics). In “Marvel Comics #1” fanden zwei der wichtigsten Superhelden Marvels den Weg in die Comicwelt. The Torch, die erste Fackel (ein Android, der als Vorlage für die Fackel, die später bei den Fantastischen Vier vorkommen sollte, diente), ebenso wie Namor, the Sub-Mariner.

Bevor ich allerdings genauer auf diese beiden eingehe ein kleiner Abstecher um den Hintergrund etwas besser zu verstehen in welchen diese beiden Figuren hineingeboren wurden:
Zum Erscheinungstermin von “Marvel Comics #1” hatte sich in Deutschland (bzw. dem Deutschen Reich) der Nationalsozialismus bereits festgesetzt und seine Linie klar dargestellt. Zunächst hatte Hitlers NSDAP keine großen Veränderungen im politischen Status Deutschlands vorgenommen, seit 1935 revidierte jedoch Hitler den Versailler Vertrag schrittweise und öffentlich durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes (1936). Am meisten hatten jedoch bereits zu dieser Zeit die Juden unter Hitlers Politik zu leiden: das “Reichsbürgergesetz” und das “Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” vom 15. September 1935 boten die rechtliche Grundlage für die Diskriminierung der Juden in Deutschland (“Ein Jude kann nicht Reichsbürger sein.”, wie dies eine Durchführungsverordnung vom 14. November 1935 klarstellte), die den nächsten Höhepunkt in der “Reichspogromnacht” (bzw. “Reichskristallnacht”, wie es zynisch genannt wurde) finden sollte, in der die SA auf Geheiß der NSDAP die Zerstörung jüdischer Geschäfte und Synagogen in ganz Deutschland durch das Volk organisierte und daraufhin die Juden für die Schäden finanziell aufkommen ließ und 30.000 Juden in Konzentrationslagern internierte (9./10. November 1938).

Während diese Rechtsbrüche primär im Inneren Deutschlands stattfanden, begannen sich bald auch in Hitlers Politik nach Außen hin seine Intentionen zu zeigen. Beim “Münchner Abkommen”, im September 1938, wurde das Sudetenland an Deutschland abgetreten, sofern Deutschland für die Sicherheit der Resttschechoslowakei garantierte. Der Garantie zum Trotz eroberte Deutschland im März 1939 eben diese. Im Zuge der Appeasement-Politik Großbritanniens (unter Premier Neville Chamberlain) blieb dies ohne Folgen – und die Wehrmacht marschierte am 1. September 1939 in Polen ein (kurz darauf marschierte die UdSSR von der anderen Seite her ein, was die UdSSR zuvor durch einen Nichtangriffspakt mit Nazideutschland vereinbart hatten). Frankreich und Großbritannien erklärten dem deutschen Reich den Krieg (allerdings ohne Polen militärisch beizustehen), die USA erklärten sich für neutral.

The Impact on Comics

Das deutsche Reich erfüllte also zum Erscheinungstermin von “Marvel Comics #1” bereits alle Voraussetzungen, um als weit mehr als ein bloßer “Schurkenstaat” zu gelten, und dies machte sich auch in den Comics bemerkbar. Superheldencomics waren zu dieser Zeit noch in ihren Krippenjahren; die meisten Aspekte des Superheldencomics, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht. Storybögen, psychologische Leitmotive, echte charakterliche Tiefe… all das sollte erst im “Silver Age” der Comics zum Vorschein treten. Besonders auffällig an den Comics der späten 1930er/frühen 1940er Jahre ist das oftmalige Fehlen der traditionellen Superschurken (wobei einige Helden dennoch bereits eine Schurkengallerie aufbauten, so etwa Superman). Stattdessen zogen Superhelden oft und gerne in den Krieg. In dieser Hinsicht fällt auch auf, dass es das “Nicht Töten”-Leitmotiv, das später moralischer Anker für die meisten Superhelden werden sollte, hier nicht gab. Dass Superhelden Maschinengewehre oder Bazookas verwendeten war keine Seltenheit.

Das deutsche Reich bot sich als Gegner für die Superhelden demnach geradezu an. Allerdings hatten sich die USA für neutral erklärt, und dieser Erklärung folgten auch die meisten Comicschaffenden. Statt das deutsche Reich direkt als Gegner zu benennen, verwendete man oftmals Spottversionen, die allerdings schnell auf den wahren Hintergrund hindeuteten. Die Kämpfe, in denen die Superhelden mitmischten, fanden meist in Europa statt, DCs Superman trat gegen Panzer an, auf denen Kreuze zu sehen waren (wenn auch weiß und ohne Haken), und in Superman #10 (Mai/Juni 1941) erklärte der dukalianische Führer Karl Wolff auf einem Sportfest: „You have seen them perform physical feats, which no other human can. Proof, I tell you, that we Dukalians are superior to any other race or nation.”. Eine eindeutige Anspielung auf Hitler bei den olympischen Spielen 1936, wobei die Athleten von Hitlers Herrenrasse hier ironischerweise von Jesse Owens (einem Afro-Amerikaner, einem Mitglied einer – nach Nazitheorie – “minderen Rasse”) auf die hinteren Ränge verwiesen worden waren.

Viele jüdische Comicschaffende befanden sich in einer Zwickmühle. Einerseits wollten sie mit ihren Comics einen Bezug zu den unterdrückten Juden sowie zu den anderen Völkern, die unter dem deutsch-italienisch-russischen Militarismus zu leiden hatten, schaffen und diesen zumindest indirekt beistehen, andererseits war da immer noch die Sache mit der Neutralität. Hinzu kam das Problem, dass es durchaus einflussreiche Amerikaner, auch in führenden Positionen, gab, die mit Hitlers Politik und dem Nationalsozialismus liebäugelten (Henry Ford war einer davon, er schenkte Hitler zu dessen Geburtstag immer einen neuen Ford… bis zum Ende des Krieges, also selbst als die USA offiziell eingetreten waren) und die darum gegen jede Form der Kritik an Nazideutschland waren. Das vielleicht bekannteste Beispiel für diese Problematik lässt sich außerhalb der Comics in Hollywood finden: “Der große Diktator” von Charles Chaplin.

Chaplin, selber Jude, entschied sich, einen Film zu machen, mit dem er auf die Unterdrückung der Juden in Europa aufmerksam machen und Hitler sowie dessen Regime der Lächerlichkeit preisgeben wollte [zu diesem Zeitpunkt ahnte man noch nichts von dem wahren Ausmaß von Hitlers “Judenpolitk”]. Dies plante Chaplin 1939/40, also zu einer Zeit, als die USA offiziell noch neutral waren. Chaplin wurden beim Drehen des Filmes von obersten Stellen viele Steine in den Weg gelegt, da die Kritik am Nationalsozialismus zu deutlich sei und auch amerikanische Nazisympathisanten traf. Ihm wurde sogar angedroht, er würde nie wieder einen Job in Hollywood finden, machte er den Film.

Chaplin schaffte es zuletzt, seinen Film zu drehen und ging mit “Der große Diktator” endgültig in die Filmgeschichte ein. Aber auch er verwendete die Methode der, zumindest oberflächlichen, Verschlüsselung. Aus Adolf Hitler wurde Adenoid Hynkel, der Diktator von Tomanien, das unter dem Zeichen des Doppelkreuzes stand (ein englisches Wortspiel: “Double-Cross” = “doublecross” = betrügen, hintergehen). Wenn Chaplin, der sich in Hollywood immerhin einen Namen durch erfolgreiche Filme gemacht hatte (z.B. “City Lights” oder “Modern Times”), schon mit derartigem Druck zu tun hatte, wenn es um die Einbindung des Dritten Reiches ging, wie groß musste dann der Druck sein, der auf einem kleinen Comicschaffenden lastete?

Comics go to War

Die Stimmung in Amerika begann sich allerdings im Jahre 1940 zu ändern. Die USA selber hatten sich von ihrer Wirtschaftskrise und Schwächephase der späten 20er und frühen 30er Jahre längst erholt (dank Franklin Delano Roosevelts “New Deal”) und begannen nun ihre isolationistische Position, die sie 1918 nach dem Ende des ersten Weltkrieges wieder eingenommen hatten, aufzubrechen. Das lag auch an der Entwicklung des Krieges in Europa. Das deutsche Reich (inzwischen zusammen mit Japan und Italien zur Achsenmacht geworden) eroberte Luxemburg, die Niederlande, zwang Frankreich in den Besatzungsstatus und begann den “Battle of Britain” (Luftschlacht über England), welcher der Vorbereitung der Invasion in England dienen sollte. Hierbei wurde von deutscher Seite aus auch Bombardement gegen Zivilzentren vorgenommen. Die Auslöschung ganzer Ortschaften bezeichnete Propagandaminister Paul Joseph Goebbels damals nach der Zerstörung eines Großteil des Ortes Coventry höhnisch als “coventrieren”.

Diese Entwicklung des Krieges war ein Aspekt, der dafür sorgte, dass Timely Comics dem Deutschen Reich offiziell den Krieg erklärte. Der andere Grund lag an der Behandlung der Juden im Deutschen Reich… immerhin war ein großer Teil von Timely Comics Belegschaft jüdischen Glaubens. Herausgeber Martin Goodman beauftragte daraufhin Joe Simon und Jack Kirby (dessen richtiger Name Jacob Kurtzberg war) mit der Schaffung eines neuen Superhelden. Und am 20. Dezember 1940 (wobei das Heft auf März 1941 datiert war) erschien “Captain America #1”. Ein ungewöhnliches Vorgehen, denn normalerweise wurden Superhelden damals zunächst als Zweitserie in anderen Heften erprobt.

Und Captain America sollte das “Golden Age” offiziell einleiten. Fast alle bisher erschienenen Superhelden zogen nun gegen Nazideutschland in den Krieg, eine ganze Heerschar später erfundener Helden sollte es ihnen gleich tun. Timelys wichtigste “Weltkrieger” waren allerdings die Fackel, Namor (dessen Atlantis nun von Hitler bedroht wurde) und eben erwähnter Captain America. Der Comic hielt sich keineswegs so zurück wie das bisher der Fall gewesen war, sondern ging in die Offensive. Gleich auf dem ersten Cover durfte der Captain dem Führer – eindeutig zu erkennen, inklusive Hakenkreuzarmbinde und einer Karte auf dem Tisch, die die USA darstellte (!) – einen Schwinger verpassen. Der Comic wurde auch aufgrund seiner Verkaufszahlen zum Vorbild, fast 1.000.000 Hefte wurden von dieser Ausgabe verkauft.

Die Captain-America-Comics lebten vor allem von Kirbys Stil, auch wenn sie im Vergleich zu den heutigen Comics simpel wirken mögen. Das Schwarz-Weiß-Gut-Böse-Schema war klar, die Rollen verteilt. Die Nazischaren bestanden zumeist aus Stereotypen (der klassische Heinz oder Fritz Krautfresser, wenn man so will) oder seltsamen Monstrositäten in Naziuniform (wozu sicher auch der “Red Skull” zu zählen ist, der es schaffte, den Weltkrieg zu überdauern und zu Caps wichtigstem Feind aufzusteigen). Die Geschichten fußten zumeist darauf, dass der Captain dabei half, etwas “kriegsentscheidendes” zu tun, etwa eine Nazistellung zu zerstören, geheime Dokumente zurückzubeschaffen oder aber eine junge Dame – bzw. seinen Sidekick Bucky – aus den Fängen der Nazis befreien musste, die sich hier gerne verhielten wie klassische Schurken aus den Kino-Serials der 1920er und ihre Opfer in verschiedensten Fallen fesselten. Gleich in Captain America #2 retteten Captain America und Bucky einen britischen Bankier aus den Händen des Führers persönlich.

Allerdings waren Superheldencomics zu der Zeit, wie gesagt, noch jung und die klassischen Elemente der Superhelden-Oper existierten noch nicht. Zudem diente Captain America als eine Vorbildfigur, mehr als alle anderen in den Krieg ziehenden Superhelden. Der einzige legitime Vergleich wäre Superman, der ab September 1941 auch offiziell in den Krieg zog und – ebenso wie der Captain – eine Personifikation uramerikanischer Werte darstellte. Die Cover von Superman konzentrierten sich nun auch auf die Patriotismuswelle, egal ob Superman mit Adler auf dem Arm vor einem amerikanischen Schild posiert, Lois Lane, mit amerikanischen Soldaten (Sea, Air, Land) flanierte und zu diesen sagte: “You are my Supermen.” oder Superman in Überlebensgröße Hitler und Hirohito am Schlawitchen packt.

Superman hatte allerdings bestimmte Nachtteile. Anders als Captain America war er kein echter Amerikaner, sondern ein Außerirdischer. Zudem konnte Superman nicht aktiv in den Krieg eingreifen, dafür war er zu unverwundbar, zu mächtig. Superman hätte den Krieg binnen weniger Minuten beenden können (wie er es in einer “Was wäre wenn?”-Story auch tat, indem er Stalin und Hitler packte und sie dann vor den Völkerbund [der Vorläufer der heutigen U.N., obwohl ungleich wirkungsloser] zur Aburteilung brachte… dass das eine simplifizierte Ansicht des Problems “Krieg” war, ist klar). Darum ließ man bei DC Superman an der Heimatfront kämpfen. Seinen Eignungstest für die US Army verbockte Clark Kent, als er durch seinen Röntgenblick die falsche Tafel beim Sehtest las… nämlich die im nächsten Raum. Superman war somit 4-F (untauglich) und durfte weiterhin in Metropolis gegen seine klassische Schurkengarde antreten, deutsche Agenten in Amerika bekämpfen oder später als Techniker der Air Force (und damit den Lesern einen Einblick in die Tätigkeitsbereiche jenseits der Soldaten bieten) und Kriegsberichterstatter arbeiten.

Captain America hingegen war ein Soldat, der Seite an Seite mit den Soldaten kämpfte. Und so sollte sein Erfolg mit offiziellem Kriegseintritt der USA noch größer werden. Neben Rip-Offs von anderen Kompanien entstanden auch Spin-Offs der Serie, so kämpften die Sidekicks von Captain America und der Human Torch (Bucky und Toro), zusammen mit Whitewash (einem klischeehaft dargestelltem Afro-Amerikaner) ab 1941 als “Young Allies”. Noch vor Kriegseintritt allerdings feuerte man Kirby und Simon bei Timely Comics, nachdem Goodman erfahren hatte, dass sie nebenher für National Comics arbeiteten. Stan Lieber (Stan Lee), Goodmans Neffe, der in Captain America bereits seine erste eigene Geschichte veröffentlicht hatte, sollte sie nun in ihren Positionen ersetzen.

This means War

Am 7. Dezember 1941 bombardierten japanische Truppen ohne vorherige Kriegserklärung die amerikanische Flotte in Pearl Habour. Einen Tag später traten die USA offiziell in den Krieg ein, und die Comichelden hatten einen neuen Gegner. Hatte sich Captain America bisher auf Europa konzentriert, so kämpfte er nun an zwei Fronten, nämlich auch noch gegen die Japaner. Captain America #13 (auf April 1942 datiert) zeigte dies ebenso deutlich, wie Captain America #1 das mit den Nazis getan hatte. Ein überlebensgroßer Captain verpasste einem überlebensgroßem japanischen General (die Darstellung der Japaner in den Comics folgte, anders als bei den Deutschen, nicht nur inhaltlich, sondern auch zeichnerisch dem Klischee) einen Kinnhaken mit den Worten: “You started it! – Now, we’ll finish it!”.

Die USA schickten von nun an Truppen nach Europa und Asien, und bei diesen Truppen erfreuten sich die Comics großer Beliebtheit, auch weil die US-Regierung Comics im großen Stile zu den Truppenbasen verschiffte. Und die Comics änderten nun auch ihre Grundhaltung. Statt nur auf Patriotismus zu setzen, wurden sie ab dem Kriegseintritt der USA zu Propagandamaterial (man beachte dabei den Unterschied zur deutschen Propaganda dieser Zeit, und man bedenke, dass einer der größten Filmklassiker aller Zeiten auch als Propaganda gedacht war: this one’s looking at you… Casablanca, 1942). Dadurch, dass sie direkt zu den Truppen im Ausland geschickt wurden dienten sie der moralischen Erbauung der GIs (angeblich kauften rund 40% und lasen sogar rund 60% der US-Soldaten diese Comics).

Captain America kämpfte Seite an Seite mit den Soldaten gegen die Nazis (wobei beide Seiten nicht “the real McCoy” waren, weder die Nazis noch die Amerikaner… die Comics blieben weiterhin sauber, auch der Krieg wurde nicht als Gemetzel und in all seiner Grausamkeit dargestellt, da dies natürlich den Effekt der moralischen Unterstützung – den sie haben sollten – zerstört hätte). Als heroische Vorbildfigur für den amerikanischen Soldaten wäre es Captain America jedoch nicht bekommen, hätte er an einer Schlacht teilgenommen, die von den Alliierten verloren worden wäre. Captain America nahm also am Krieg aktiv teil, obwohl er immer eine gewisse Distanz zu diesem einhielt und das “Gut-Böse”-Schema auch zum Ende des Krieges nicht verändert wurde. Aus verständlichen Gründen wurden weder Alliierte Methoden hinterfragt, wie das Flächenbombardement als Antwort auf dieselbe Methode durch die Nazis in England oder Internierungslager für asiatische Amerikaner in den USA, noch wurden die Nazis umgestaltet, obwohl sich die echten Nazis – wie man zum Ende des Krieges immer mehr bemerkte – weit über “normale” Comicschurkerei (wie sie den Nazis bis dahin in den Comics zugeschrieben war) hinausgewagt hatten. Die am Wannsee ausgearbeitete “Endlösung” für die “Judenfrage” in Europa, der grausame Vernichtungskrieg im Osten, die Abwertung von bestimmten Gruppen (ethnische Minderheiten, Juden, demokratische oder linke Denker und Autoren)… all das ging weit über alles hinaus was man sich je für einen Comicbösewicht hätte ausdenken können.

In Amerika startete Timely derweil andere Maßnahmen zur Unterstützung der US-Regierung. 1943, in Captain America #33, gab man bekannt, dass man an “Club-Mitglieder” (es gab eine offizielle Fan-Club-Seite in den Cap-Heften) keine Metallabzeichen mehr ausgeben würde. Grund hierfür war die Metallknappheit, die der Krieg verursacht hatte. Metall wurde dringend für die Produktion von Waffen und Munition benötigt. Gleichzeitig empfahl man den Leser die Dimes (10 Cent-Stücke) die man bisher eingesandt hatte, um diese Abzeichen zu kaufen, an das US-Kriegsministerium zu schicken und dafür “War Saving Stamps” [in etwa “Kriegsanleihen”] zu kaufen, mit denen man die US-Armee unterstützte.

Allerdings begann das Golden Age langsam zu enden. Die Heldenflut, die Anfang der 40er eingesetzt hatte, war zum Erliegen gekommen, viele Superheldencomics wurden eingestellt, weil sie unrentabel waren oder das Papier von der US-Armee rationiert wurde, und als der Krieg 1945 endete und Comics nicht mehr im großen Stil an die Truppen in Übersee geliefert wurden- brach eine der wichtigsten Stützen weg. Die Superheldencomics verschwanden in der Versenkung, Mädchencomics, Tiercomics, Horrorcomics… aber auch “Kriegscomics” sollten in der Folgezeit ihre Rolle übernehmen.

War is over, if you want it…

Der Zweite Weltkrieg endete am 7. Mai 1945 in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands. Trotzdem waren die Nazis als Schurken in den verbleibenden Superheldenserien noch nicht abgemeldet. Einige Comickrieger führten den Zweiten Weltkrieg weiter. Immer mal wieder wurde auf diesen zurückgegriffen. So arbeitete man in “Young Men #24” [1953] das Ende des dritten Reichs auf, indem man den Tod Hitlers Revue passieren ließ und dabei erklärte, dass Hitler keineswegs Selbstmord begangen hatte, sondern von der “Human Torch” in seinem Bunker gestellt und getötet wurde, als er eine Bombe zünden wollte, die ganz Berlin zerstören sollte. Und damit verschwand Hitler aus dem Marvel Universum… oder?

Diese Art von Geschichtsaufarbeitung ist in Comics und anderen Medien keineswegs unbeliebt. Scheinbar ist es einfach ungerecht, dass der Mann, der soviel Elend über die Welt gebracht hat, sich dermaßen leicht selber aus der Affäre ziehen konnte, ohne seine gerechte Strafe zu erhalten. Der Tod Hitlers durch fremde Hand lässt sich ebenso in DCs “Unknows Soldier #268” finden, in welchem der Unknow Soldier Hitler erschießt, und die Möglichkeit, Hitler zu erschießen, machte sicher einen großen Teil des Reizes aus, den das Computerspiel „Wolfenstein 3D“ Anfang der 1990er auf tausende Spieler ausübte.

Anfang der 50er sah es für Superheldencomics jedoch schlecht aus, besonders, wenn diese sich auf eigentlich veraltetes Material verließen (der Zweite Weltkrieg war noch nicht lange genug vorbei, um Geschichten über ihn als Nostalgie durchgehen zu lassen), und so versuchte man bei Marvel die Superheldencomics wieder zu beleben mit neuen, zeitgemäßen Feinden. In schon erwähntem “Young Men #24” trafen sich also die drei Großen des 2. Weltkriegs wieder (Cap, Torch, Namor) und berichteten zunächst über das, was sie in den vergangenen sieben Jahren getan hatten (obwohl die Comics der drei erst 1949 eingestellt worden waren). In den folgenden Heften und Storylines stellten sich diese drei dann den neuen Bösewichten, den “Commies”, die hier einfach in die Rolle der Nazis aus den Golden Age Comics schlüpften (und einige Nazis wie der Red Skull wechselten einfach die Seiten und traten nun auf Seiten der Kommunisten an). Diese Comics entstanden auf dem Höhepunkt von Joseph McCarthys Kommunistenjagd in den USA (die unter anderem Künstler und Wissenschaftler wie Berthold Brecht, Arthur Miller oder Robert Oppenheimer betraf) und zeigten deutlich, dass Marvel (nun unter dem Signet “Atlas”) wieder versuchte, die Patriotismuswelle zu reiten. “Captain America #76” läuft unter dem Titel “Captain America… Commie Smasher”. Keine der drei Serien verkaufte sich sonderlich gut und alle drei Serien wurden noch im selben Jahr wieder eingestellt.

In der Nachbetrachtung wurde Marvel klar, dass dieser Teil der Geschichte des Captains, im Hinblick auf die Ungerechtigkeit, die während dieser Zeit unzähligen US-Bürgern widerfahren war, nicht stehen bleiben konnte, schon alleine, weil er die gesamte Figur des Captains als aufrechten Amerikaner ad absurdum führen würde. 1972 erklärten Steve Englehart und Roy Thomas in “Captain America #153”, dass der Captain der frühen 50er nicht der echte Captain America war (der laut Avengers #4 seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Eis gefangen war), sondern ein verrückter Nachahmer. Selbiges galt auch für den kommunistischen Red Skull (wobei man darüber streiten darf, in wie weit es klug ist, von den “Commies” einen durchgeknallten Nazi-Kriegsverbrecher als Vorbildfigur für ihre Absichten auszuwählen… aber wenn die Kommunisten meinen, dass sie sich der Welt am Besten präsentieren, indem sie einen Nazi-Kriegsverbrecher als Vorreiter ihrer Ideologie aussuchen, bitte sehr. Aber das sind Comics, böse ist böse und insofern kann man hier wohl der Kommunistennazi-Verschwörung die Schuld geben).

Agenten sterben einsam

Der Krieg wurde in der Folgezeit in Kriegscomics verschiedenster Machart aufgegriffen. Hierbei konzentrierte man sich allerdings nicht primär auf den Zweiten Weltkrieg, sondern ebenso auf Ausflüge in den Koreakrieg, den ersten Weltkrieg oder den amerikanischen Bürgerkrieg. Zudem änderte sich die Darstellung des Krieges. Der Krieg war nicht mehr das große Abenteuer, das er in den Golden Age Comics darstellte. Die Geschichte hatte den Krieg als grausam und brutal dargestellt, und dies griffen immer mehr Hefte, zumindest im Ansatz, auf. Es wurde gelitten, geflucht und gestorben… der Krieg war in den Comics ein dreckiges Geschäft, das kaum noch an die Kriegscomics des Golden Age erinnerte, auch weil die Superhelden aus diesen Comics verschwunden waren und sich nun auf beiden Seiten echte Menschen gegenüber standen. Wobei, all der Gewalt zum Trotz, auch hier der Aspekt des Abenteuers und des “Gut gegen Böse” (besonders im Koreakriegscomic) im Vordergrund stand. Diese Comics waren definitiv “War Adventures” (wie ein Magazin hieß) und keineswegs “Anti-War-Comics”.

Der Krieg wurde im Jahre 1963, also nach dem Beginn des “Marvel Age of Comics”, wieder in den Comics thematisiert. Er bekam sogar eine eigene Serie: “Sgt. Fury and his Howling Commandos” (The War Mag For People Who Hate War Mags). Diese Serie machte inhaltlich einen Spagat zwischen den Formen des klassischen Kriegscomics, der Superheldengeschichte (wiederkehrende Oberschurken und Gastauftritte von Superhelden) und Kommandofilmen im Stile von ”Die Kanonen von Navarrone”.

Die frühen “Sergeant Fury And His Howling Commandos” (einigen wir uns auf Howlers) wurden von Stan Lee und Jack Kirby realisiert, die ja schon an Captain America während des Zweiten Weltkriegs zusammengearbeitet und später beide als GIs in Europa gedient hatten. Dies bezeichnete Jack Kirby auch als einen der Gründe für den Erfolg der Serie: „There was reality in the stories because of my own war experiences. Sgt. Fury had the essence of military life in it.”

In diesen Heften ging es nun also um die Abenteuer eines Alliierten Kommandounternehmens für quasi unmögliche Aufgaben. Ein Team, das in vielerlei Hinsicht gleich zu Beginn nach albernen Stereotypen aussah, dabei aber das Beste und das… nun, vielleicht nicht das Schlechteste, zumindest aber das Bizarrste des Silver Age miteinander verband. Denn die Howlers symbolisierten die multikulturellen Wurzeln Amerikas. “Dum-Dum” Dugan war Ire, der selbst in der Schlacht – in bester Dr. Watson Manier – seinen Bowler-Hut aufbehielt, “Junior” Jiper war Ivy-League Abgänger, der früh verstarb und durch Percival Pinkerton (Brite, eh?) ersetzt wurde [inklusive Bommel-Kappe], “Izzy” Cohen war der vielleicht erste Charakter in der Comic-Geschichte, der definitiv Jude war und Gabriel Jones war Afro-Amerikaner, der in Furys Platoon kämpfte, obwohl während des Zweiten Weltkrieges noch Segregation in der US-Army vorgeherrscht hatte. Dies war eine klare Stellungnahme in Hinblick auf die Diskussion über das Ende der Rassentrennung (separated but equal), die zu dieser Zeit in den USA geführt wurde.

Die Charaktere starteten als Stereotype, sollten sich aber bald entwickeln. Ein Vorteil der ersten wirklich großen “2. Weltkriegs-Serie” nach dem Weltkrieg war, dass der Weltkrieg vorbei war. Dadurch stand zwar einerseits das große Ergebnis des Krieges schon fest, andererseits konnten Lee und Kirby ihre Charaktere nun an echten historischen Ereignissen teilnehmen lassen, ohne deren Ausgang fürchten zu müssen, wie es in den 1940ern der Fall gewesen war. In Sgt. Fury #2 fanden sich die Howlers in einem Konzentrationslager wieder, in dem Kirby und Lee auch den Mord an den KZ-Insassen anschneiden und unter anderem eine Gaskammer darstellen. Viel weiter wollte man in dieser Richtung allerdings nicht gehen. In dem Moment, in dem man sich zu sehr mit dem Genozid befasst hätte, hätten die Hefte nicht mehr gewirkt, denn dann wäre Fury und seine Kommandos automatisch zu Verlierern des Krieges geworden, weil sie eben dieses nicht verhindern konnten (die Flucht am Ende des Comics hätten einen äußerst schalen Beigeschmack bekommen…) und die Nazis würden zu grausam, zu real, wirken, um sie als Schurken in einer Abenteuerserie auftreten zu lassen [die Vernichtungslager griff man bei Marvel wieder auf, als man den Hintergrund Magnetos entwarf, der ein Auschwitzüberlebender war).

Die Howlers sollten jedoch auf einige Prominente treffen, sowohl historische (in Heft #6 galt es für die Howlers, Feldmarschall Rommel zu entführen [und sich nebenbei mit dem Problem der Bigotterie auseinanderzusetzen, da ein Reservehowler, der Juden und Farbige hasst, die Mission verbockt und am Ende ausgerechnet von “Izzy” und Gabriel Jones gerettet wird], und in Ausgabe #9 war es die Aufgabe der Commandos, Hitler zu fangen) als auch fiktive (Captain America in Sgt. Fury #13 und Reed Richards in Sgt. Fury #4… im Gegenzug durfte Nick Fury bei den Fantastischen Vier auftreten, dazu weiter unten).

Man integrierte die Serie dadurch in das reguläre Marveluniversum und begann hiermit erstmals “Golden Age”-Geschichte zu schreiben, denn es war unklar, in wie weit die Geschichten der Timely- und Atlas-Hefte ins Marvel-Universum übernommen werden sollten. Immerhin waren bestimmte Charaktere einfach verschwunden und nie wieder erwähnt worden, dazu zählten auch die “großen Drei” (in den Fantastic Four wurde nicht erwähnt, dass es schon einmal eine “Human Torch” gegeben hatte).

Das Heft bekam aber auch die Attribute zugeschrieben, die das “Marvel Age” auszeichneten. In vielerlei Hinsicht war die Serie wegweisend. In Sgt. Fury #4 stirbt ein Howler und bleibt auch tot, was damals ein wirklich neues Konzept war und die Serie um ein vielfaches spannender machte, da es die “Scheinsuspense” gegen echte “Suspense” austauschte (dass ein Dauercharakter tot bleibt ist eigentlich auch heute noch ein revolutionäres Konzept, aber das nur am Rande). Sergeant Fury darf sich derweil in derselben Ausgabe verlieben, seine Liebe für sich gewinnen (und zwar ohne die übliche “versteckte Romanze”, die auch ein Archetyp in Comics ist) und sie in Heft #18 schon wieder durch den Krieg verlieren. All dies geschah Jahre vor der “Death of Gwen Stacy”-Storyline in Spider-Man.

Nick Fury bekam eine passende Nemesis zugeschustert. Baron Wolfgang von Strucker, preußischer Aristokrat, der felsenfest an die Herrenmenschen- Ideologie glaubte und später die “Blitzkrieg Squad” (sic!) – eine Naziversion der Howlers – führte, war der ideale Konterpart zum “all american hero” Nick Fury, der eine ethnisch gemischte Truppe führte und aus ärmlichen Verhältnissen (Hell’s Kitchen) stammte. Ebenso wurde in Sgt. Fury #8 Doktor Heinrich Zemo eingeführt, inklusive “Todesstrahler” (das waren die 60er, damals lief alles über Strahlen… dazu später mehr). Beide Schurken sollten auch weiterhin große Bedeutung im Marvel-Universum haben.

Fury derweil war dermaßen beliebt, dass er reguläre Auftritte im “aktuellen” Marvel-Universum hatte und dort sogar eine Zweitserie zugeschrieben bekam. In Anlehnung an die TV-Serie “The Man from U.N.C.L.E.” wurde ein älterer Nick Fury (der eine Augenklappe trug; der Vorfall, der hierzu führte, wurde in Sgt. Fury #27 erklärt, die Verzahnung der Serien funktionierte also) zu “Nick Fury, Agent of S.H.I.E.L.D.” (unterstützt von Gabe und Dum-Dum als S.H.I.E.L.D.-Mitgliedern) und bekam es mit der Terroristenorganisation Hydra zu tun, als deren Chef sich niemand anderes entpuppte als Wolfgang von Strucker.

Die Verknüpfung funktionierte also in beide Richtungen. Gleichzeitig kann man an Strucker und Hydra eines erkennen: Die Organisation Hydras kann darauf hindeuten, warum Nazis auch nach dem Zweiten Weltkrieg als Gegner so beliebt waren. Die Nazis waren die perfekte Schurkenorganisation.

Sie hatten einen megalomanischen Führer, eine hierarchische Struktur, ein System von für viele Leser faszinierender Uniformen und Abzeichen, eine Neigung zum Mystischen (beginnend mit der Übernahme alter keltischer Symbole und Indo- sowie Ur-Germanischer Mythen), ein Faible für Technik (am Anfang des Zweiten Weltkriegs war das deutsche Reich den anderen Staaten militärisch überlegen; im “Hoßbach-Protokoll” vom November 1937 wurde Hitler geraten, einen Krieg bis spätestens 1940 zu beginnen, da solange die technologische Überlegenheit noch gewährt sei… man hatte ziemlichen Respekt vor den deutschen Panzern und der deutschen Luftwaffe), und unzählige namenlose (okay, sie hatten Namen in den Comics… meist Heinz oder Fritz) Nazisoldaten, die dem Helden als Kanonenfutter dienten…

All das sind Vorraussetzungen die noch heute die meisten Superschurkenorganisation erfüllen, egal ob in Comics oder Filmen (man denke auch an die S.P.E.C.T.R.E.-Organisation, den langwierigen Gegenspieler von James Bond, angeführt von Ernst Blofeld, die sich unter anderem aus ehemaligen SS-Standarten rekrutiert hatte).

Wichtig in Hinblick auf die Nazis war allerdings, dass sie “Pappmaché- Gegenspieler” waren, deren reale Grausamkeiten zwar für zusätzlichen Kribbel beim Leser sorgten, ihm aber nie zu explizit dargestellt wurden, da dies die Struktur der Serien zerstört hätte. Auch wenn dies historisch nicht legitim und je nach Intention äußerst fragwürdig ist: es galt die Lebensraummaxime (Weltherrschaft… was insofern wie ein klassisches Comicschurkenziel wirkte) von einem Großteil der Schrecken, die dabei begangen wurden (Zivilbombardements, Massenhinrichtungen, der Holocaust), so weit wie möglich zu trennen. Die Comics sollten Spaß machen und nicht Geschichtsunterricht ersetzen, und so sind die Nazis der meisten Comics ebenso wenig real wie die Nazis aus “Indiana Jones”.

Während die “Agent of S.H.I.E.L.D.”-Serie schon nach 18 Ausgaben wieder eingestellt wurde, sollte die Sgt. Fury-Serie ein riesiger Erfolg werden und sich mit ihrem Konzept zwischen klassischem Kriegs- und modernem Superhelden-Comic insgesamt 18 Jahre halten [Sgt. Fury #167, Dezember 1981] und mit “Captain Savage and his Battlefield Raiders” (1968) eine – ziemlich erfolglose – thematische Bruderserie erhalten, in der Fury sogar Gastauftritte hatte…

Während der Sergeant-Fury-Zeit wurden auch “echte” Golden Ager wieder zum Serienerfolg erweckt. Captain America durfte mit den “Avengers” in der Gegenwart herumfuhrwerken, während er in “Tales of Suspense” Abenteuer im Zweiten Weltkrieg erlebte. 1975 sollte Roy Thomas dann endgültig die Geschichte des Zweiten Weltkrieges im Marvel Universum definieren, indem er “The Invaders” schrieb, eine Serie, die unter dem Signet “The Greatest Superheroes of Warld War II” den Captain, Namor, die erste Human Torch und einige andere vereinte. Und da, wo sich Sgt. Fury noch halbwegs zurückgehalten hatte, sollte es nun wiiiiirklich bizarr werden…

Ein goldenes Zeitalter

Mit dieser Serie wird zumindest in unseren Gefilden die Frage aufgeworfen: “Darf man das?” Darf man eine Serie über Superhelden im Zweiten Weltkrieg machen, mit den Nazis als ziemlich “normaler” Superschurkengalerie? Verharmlost man damit die Verbrechen der Nationalsozialisten und den Schrecken des Krieges nicht? Ist es legitim, wenn die Invaders gleich auf dem Cover des ersten Hefts in den “Battle of Britain” eingreifen?

Eine Antwort hierauf kann und will ich nicht geben. Ich denke, jeder muss für sich selber entscheiden, ab wann und in welchem Maße man schreckliche Ereignisse “entspannter” angehen darf.
Aber eines ist sicher. Eine Serie wie diese hätte es in Deutschland nicht gegeben, da man zur Erscheinungszeit das Thema “Nationalsozialismus” selbst in “Unterhaltungsform” [oder eben “Verharmlosung”] selbst dann lieber ausklammerte, wenn es aus den USA kam. Beispiele hierfür kann man bei “Kobra, übernehmen sie” oder “Raumschiff Enterprise” finden. Die Folgen “Echo of Yesterday” (in der das IMF-Team einen Coup zwischen einem Rüstungshersteller und der deutschen Neonazi-Bewegung verhindert, indem Rollin Hand [Martin Landau] verkleidet als Adolf Hitler auftritt) und “Patterns of Force” (in der Kirk und seine Mannen einen Planeten entdecken, auf dem der Nationalsozialismus [mit Uniformen, Symbolen und allem] als Staatsform eingerichtet wurde) wurden erst gar nicht für’s deutsche Fernsehen synchronisiert. Und auch Robert Harris’ brillanter Parallelwelt-Roman “Fatherland” (auf deutsch als “Vaterland” erschienen, verfilmt mit Rutger Hauer in der Hauptrolle) wurden verharmlosende Tendenzen unterstellt, da er hier ein Deutsches Reich zeigte, das den Zweiten Weltkrieg gewonnen und den Holocaust erfolgreich vertuscht hatte (ein erschreckender Gedanke, der im Buch aber wirklich nichts mit Verharmlosung zu tun hat).

Die in Amerika von 1965 bis 1971 produzierte Serie “Hogan’s Heroes” etwa (die in Amerika immerhin zwei Emmys abräumte und jahrelang Spitzenratings einfuhr), die vielleicht ein Musterbeispiel für den lockeren Umgang der Amerikaner mit der Nazizeit ist und die schlimmsten Seiten des Nazi-Regimes definitiv ignoriert, sollte erst 1992 zum ersten Mal auf einem deutschen Bildschirm erscheinen; bei SAT1 unter dem Titel “Stacheldraht und Fersengeld” [inzwischen wird sie hin und wieder als “Ein Käfig voller Helden” ausgestrahlt].

Dennoch: selbst heute ist der Umgang mit dem “Nationalsozialismus in der Populärkultur” in Deutschland ein heikles Thema. Man denke an das Darstellungsverbot von Hakenkreuzen jenseits historischer Darstellung (das auch die Bilder zu diesem Artikel betrifft, auf denen die Hakenkreuz wegretuschiert wurden, obwohl weder der Artikel noch die dargestellten Hefte Naziideologie bewerben sollen), das Zuschlagen übereifriger Staatsbeamter bei MAUS, die bewusst falsche Synchronisation von South-Park-Folgen (Episode 104: “I haven't seen a jew run like that since 1938.” wurde zu “Das letzte Mal, wo ein Kind so gerannt ist, war 1987 bei der Schlacht um den Pickelfrei-Cup.” Man bedenke: Matt Stone, Miterfinder South Parks, ist jüdischen Glaubens) oder die Diskussion über die Gefahren, die von Walter Moers “Adolf”-Comics ausgehen.

Roy Thomas, der für Marvel in den 70ern eine lange Zeit die “Avengers” Serie schrieb, hatte schon in dieser immer wieder alte und längst vergessene Timely Charaktere auftreten lassen, und betonte den Marvelschaffern gegenüber seinen Wunsch eine Serie über den Zweiten Weltkrieg schreiben zu dürfen, die allerdings kein typischer Kriegscomic sondern eine Remineszens an die Superhelden Comics jener Zeit sein sollte. Roy Thomas Bitte wurde schließlich bei Marvel akzeptiert, der Weg für “The Invaders” war frei.
Die zweite Frage, die man sich stellen kann, ist: “Wieso erscheint eine Hommage an die Comics des Golden Age ausgerechnet 30 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs?”.

Auch hierauf gibt es keine sichere Antwort. Fest zu stehen scheint einerseits, dass Roy Thomas eine unglaubliche Liebe und ein unglaubliches Wissen im Bezug auf die Comics der 1940er mitbrachte. Zudem hatte sich “Captain America” inzwischen wieder zu einer der erfolgreichsten Serien Marvels aufgeschwungen, so dass eine Serie mit dem Captain im Zweiten Weltkrieg (zusammen mit Namor) auf ein bereits bestehendes Fan-Potential aufbauen konnte.

Ein anderer Grund könnte allerdings auch in der Situation zu finden sein, in der sich die USA und seine Comics Mitte der 70er wiederfanden. Amerika befand sich im Jahre 1975 auf der Suche nach sich selbst. Und auch “Krieg” hatte damit zu tun. Während die USA sicher waren, im 2. Weltkrieg und auch im Koreakrieg richtig gehandelt zu haben, hatte der Vietnamkrieg das Selbstverständnis der amerikanischen Bevölkerung verändert. Der Krieg, der für die USA ab 1961 begann (wobei man schon 1955 zur offiziellen Schutzmacht Vietnams ernannt worden war) war im März 1973 für die Amerikaner verloren, das unterstützte Süd-Vietnam fiel im März 1975 endgültig. In der Bevölkerung, vor allem in der Jugend, der Protestbewegung der späten 1960er, wurde der Sinn dieses Krieges, der alleine auf US-amerikanischer Seite 57.000 GIs das Leben kostete (auf der Gegenseite starben circa 2.000.000 Vietnamesen), hinterfragt. Zudem war man auch in der Heimat dem Vorgehen der US-Truppen kritisch begegnet, besonders der großflächige Einsatz von Napalmbomben und Agent Orange-Entlaubungs- mittel ab 1967 hatte Proteste hervorgerufen. Aus diesem Grund wurde der Vietnamkrieg während seiner Zeit, als auch später, generell viel schonungsloser dargestellt als etwa der Zweite Weltkrieg (Filme: Apocalypse Now, Platoon, Die durch die Hölle gehen).

Sich der eigenen Sache außenpolitisch schon nicht mehr sicher, sollten die USA schließlich auch die größte innenpolitische Krise seit dem Bürgerkrieg erleben. Richard M. Nixon, der 1972 noch mit dem größten Vorsprung in der Geschichte der USA den Wahlsieg gegen seinen Herausforderer – den liberalen “Grassroots”-Politiker George McGovern – errungen hatte, nahm am 24. Juli 1974 im Zuge der “Watergate”-Affäre seinen Hut, um einem Amtsenthebungs- verfahren zu entgehen.
Sein Nachfolger, Gerald Ford [der in politischen Dingen als eher ungeschickt galt und keineswegs das verkörperte, was die Amerikaner von ihrem Präsidenten erwarteten], sollte Nixon einen Monat später begnadigen und somit vor strafrechtlicher Verfolgung bewahren. Nicht wenige Amerikaner witterten hier einen Kuhhandel.

Als die Invaders erstmals erschienen, befanden sich die Amerikaner also in einer Phase innen- wie außenpolitischer Unsicherheit, die sich auch in den Comics bemerkbar gemacht hatte. Spider-Man bekam es mit der Protestbewegung zu tun und verlor 1973 in Spider-Man #121 seine Geliebte Gwen Stacy durch die Hand des Green Goblin. Schon drei Jahre zuvor hatte DC unter der Federführung von Dennis O’Neil Green Lantern und Green Arrow als “Hard Traveling Heroes” auf eine Reise ins dunkle Herz Amerikas geschickt (Green Lantern/Green Arrow #76, Mai 1970). Die beiden Superhelden stellten sich Problemen wie sozialer Ungerechtigkeit, Drogen und der Diskriminierung von Farbigen (der berühmte Satz an Green Lantern gerichtet: “How you work for the the blue skins… and how on a planet someplace you helped out the orange skins… and you done considerable for the purple skins! Only there’s skins you never bothered with–! …The Black skins! It to know… how come?! Answer me that, Mr. Green Lantern.”).

Diese Serie zeigte aber auch das Problem zu starker Realitätseinbindung. Die Helden konnten zwar Planeten retten und Superschurken bezwingen, aber bei “realen” Problemen mussten sie passen. Dasselbe Problem, das auch besteht, wenn man den realen Zweiten Weltkrieg zu stark in die Serien (egal welche) eingebunden hätte. Im Angesicht von mehr als 50.000.000 Toten, davon über 6.000.000 Juden in den KZs der Nationalsozialisten, mussten die Helden automatisch wie Verlierer wirken.

Und auch in Captain America hielt die politische Grundstimmung der frühen 1970er Einzug. In “Captain America #175” fand der Captain heraus, dass der US-Präsident gleichzeitig Kopf einer Verschwörung (des “Secret Empire”) war. Als Cap ihn damit konfrontierte, beging der Präsident Selbstmord. In der Folgezeit wurde er durch einen Doppelgänger ersetzt und ein künstlicher Skandal herbeigeführt, um dieses Problem loszuwerden (Watergate).

Es ist also nur verständlich, dass man sich bei all diesem Negativen, bei all der Unsicherheit, in der Realität wie auch in den Comics, nach etwas “Althergebrachten” zurücksehnte. Und der Zweite Weltkrieg bot sich hier an. Nicht als akkurate Darstellung, sondern als Rückkehr zu den Wurzeln des Genre. Eine Hommage an das Golden Age. Als Männer noch Männer, die Amerikaner noch sicher im moralischen Recht, der Präsident noch vertrauenswürdig und die Bösen, hier also die Nazis, noch ganz eindeutig definiert waren. Und auf dieser Grundlage scheint die Veröffentlichung von “The Invaders #1” nicht so seltsam.

These wacky Nazis

“The Invaders” folgte den Grundlagen von Sgt. Fury, indem es dazu diente, die Geschichte des “Golden Age” im Marvel Universum neu zu definieren. Dies geschah, wie bereits angedeutet, dadurch, dass Avengers Autor Roy Thomas es – bei allen Referenzen auf die Timely-Hefte – ins aktuelle Marvel-Universum einband. So fanden sich immer wieder Verweise auf die andere große Kriegsserie (Sgt. Fury), aber auch auf aktuell laufende Marvel Serien wie “Thor”.

Warum ist diese Serie nun so bizarr?
Das beginnt bereits mit der Grundprämisse: Thomas wollte eine Hommage an das “Golden Age” schaffen, gleichzeitig aber auch die Strukturen des auslaufenden “Silver Age” in die Hefte einfließen lassen. Wo Sergeant Fury zumindest meistens noch eine Kriegsserie mit einem Bein in der Realität war, war “The Invaders” nichts anderes als eine “Superheldenserie” (à la “Fantastic Four” oder eher “The Avengers”) vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.

Die vorher schon genannte Nationalsozialisten – Superschurkengruppen-Analogie wurde in diesem Comic nun noch deutlicher, was auch daran lag, dass die Serie nunmal mit Geschichte arbeitete. Der Zweite Weltkrieg war vorbei, die Nazis hatten verloren und somit blieb Adolf Hitler nichts anderes übrig, als am Ende jeder Story-Arc zu verlieren. Hitler wurde von der historischen Figur, zu einem “normalen” Comicsuperschurken (wobei diese Transformation schon vorher stattfand, dazu komme ich im folgenden Abschnitt), der eine vergleichsweise “normale” Superschurkentruppe (die Nazis) führte.
Die Invaders waren ein Team, das 1941 von Winston Churchill ins Leben gerufen wurde, um gegen die Achsenmächte anzutreten (ihr Schlachtruf [den nunmal jedes Team zu dieser Zeit brauchte… “Rächer! Sammeln!”] sollte “Okay Axis! Here we come!” werden). Ursprünglich bestand das Team aus Captain America, der ersten Human Torch, den Sidekicks der beiden [Bucky und Toro] und Namor, dem Sub-Mariner.
Und da der durchschnittliche “Comic-Kraut”, der ohnehin nicht viel mehr konnte als “Halt! Allied Schweinhund!” rufen, gebrochenes Englisch zu sprechen (“Ze Führer will be very erfreut.”) und sich dann effektiv besiegen zu lassen, diesem Superheldenteam nicht gewachsen war, brauchte man passendere Gegner. Die Nazis entwickelten sich zu einer Galerie der vielleicht bizarrsten Superschurken der Comicgeschichte:

Gleich im ersten Heft traf man auf das deutsche Gegenstück Captain Americas: Willi Lohmer, den Master Man (in etwa: Herrenmensch), den “perfekten Arier”, gegen den die Alliierten im Alleingang nicht ankamen, weshalb Churchill die Invaders ursprünglich gegründet hatte. Der Master Man überschätzte seine Kraft gegen die vereinten Invaders und wurde schließlich von Bucky besiegt.
In Ausgabe #3 (November 1975, Blitzkrieg at Bermuda) taucht Namors Widersacher “Meranno, the U-Man” auf, der neidisch darauf war, dass Namor zum Regent von Atlantis wurde und darum der deutschen Marine die Position Atlantis verriet, welches die Nazis auch gleich bombardierten. Namor verstieß ihn daraufhin aus Atlantis, und Meranno schloss sich den Nazis ein für alle mal an. Der Nazi aus Atlantis sollte nicht die einzige Monstrosität in brauner Uniform bleiben.

In Ausgabe #5 (März 1976, Red Skull in the Sunset) taucht der größte Widersacher Captain Americas zum ersten und einzigen Mal bei den Invaders auf, fängt Captain America, die Human Torch, Namor und Toro und sorgt via Gehirnwäsche dafür, dass sie Nazis werden, deren Ziel es ist amerikanische Denkmäler zu zerstören (sicherlich kriegsentscheidend)! Daraufhin gründet Bucky die “Liberty Legion”, um die amoklaufenden Invaders zu stoppen. Hier findet eine Veränderung von der “Golden Age”-Mythologie statt. Bucky, dessen Hauptfunktion es bisher war … nun, er war ein “Golden Age”-Sidekick, also hatte er keine große Funktion, außer den jungen Lesern als Identifikationsfigur zu dienen und sich in Gefahrensituationen zu begeben, aus denen Cap ihn retten musste. Mit “Invaders #6” löst sich Bucky nun von Cap und wird ein wirklich eigenständiger Charakter, der später die “Kid Commandos” (analog zur “Golden Age”-Serie) gründete.

In Heft #7 wurde es kompliziert, zwei wichtige Charaktere wurden eingeführt. Baron Blood und Union Jack. Union Jack wurde als Held aus dem ersten Weltkrieg vorgestellt (Lord Montgomery Falsworth) wohingegen sich Baron Blood als dessen Bruder entpuppte (Jason Falsworth), der während des ersten Weltkriegs nach Transylvanien reiste, um dort Kontrolle über Graf Dracula zu erlangen. Wie man aus unzähligen Dracula-Filmen weiß, ist das die wahrscheinlich schlechteste Idee, die man haben kann, und so wurde Jason von Dracula in einen Vampir verwandelt. Nachdem er als “Baron Blood” im ersten Weltkrieg gegen “Union Jack” gekämpft hatte, kehrte er nach Lodon zurück und gab sich als Montgomery Falsworths Neffe aus. Baron Blood wollte nun Rache dafür nehmen, dass er nicht zum Lord geworden war und Falsworths Tochter Jaqueline zum Vampir machen. Dieser Plan scheiterte, Union Jacks Beine wurden von Baron Blood zerquetscht, Baron Blood auf einem Stalagmit gepfählt und Jaqueline erhielt eine Bluttransfusion von der Human Torch, die sie zu Spitfire machte, dem ersten weiblichen Mitglied der Invaders.

Die Einführung von “Union Jack” zeigte derweil, was durch die Invaders mit dem Marvel Universum geschah: Roy Thomas begann damit, die gesamte Geschichte der Marvel Comics vor Fantastic Four #1 (also die Atlas- und Timely-Hefte) umzuschreiben beziehungsweise erstmals wirklich festzulegen.

Die Einbindung von Horror-Elementen in die “Invaders”-Stories setzte Roy Thomas fort. In Invaders #12 sollten die Invaders Jacob Goldstein aus dem Warschauer Ghetto holen (hier findet man wieder das Problem mit “too much reality”. Man kann nicht den ganzen Schrecken der Naziherrschaft in Polen zeigen, weil das den Grundton der Serie zerstören würde), damit sein Bruder “The Blue Bullet” nicht mehr erpresst werden konnte, für die Nazis zu arbeiten. Im Ghetto allerdings wurden die Invaders von einer Wehrmachtseinheit überrascht, die damit drohte, das Ghetto und alle Einwohner zu vernichten, würden sie sich nicht ergeben. Die Invaders kapitulierten und wurden von schließlich von Jacob Goldstein befreit, der -frei nach Rabbi Löw- einen Golem erschuf, um die Festung zu stürmen, in der die Invaders gefangen gehalten wurden. Goldstein blieb schließlich in Polen, um als Golem die jüdische Bevölkerung gegen die Nazis zu verteidigen.

In Heft #17 wurde der Charakter “Warrior Woman” [die sich im Heft als “Kriegerfrau” bezeichnet; kein Wunder, dass man Deutsch im Ausland für eine sehr elegante Sprache hält] eingeführt (außerdem sollte der GröFaZ hier sein Stell-dich-ein bei den Invaders geben), eine Nazispionin, die durch das “Supersoldaten”-Serum übermenschliche Kräfte erhielt und die Hitler schließlich mit Master Man verheiraten ließ, damit die beiden die ultimative Rasse arischer Supermenschen zeugten.
In Heft #20 wurde der Sohn von Lord Falston, der sich bisher Destroyer genannt hatte, Mitglied der Invaders (ein Verweis von Thomas auf einen echten “Golden Age”-Charakter selben Namens, eine Art Proto-Punisher) und übernahm den Titel seines Vaters “Union Jack”.

Ein interessantes Heft war #26 (“Day of Infamy… Day of Shame”, 1978), in dem Bucky die Internierungslager japanischstämmiger Amerikaner besuchte. Nicht nur, dass hier einer der erschreckenden Aspekte der Realität in die Serie eingebracht wurde, es war zudem noch ein Aspekt, der das Verhalten und das Denken der Amerikaner betraf. Ein ausgesprochen ungewöhnlicher und mutiger Vorstoß.

In der Folgezeit sollten die Hefte allerdings wieder zur bisherigen Seltsamkeit zurückkehren, die Schurkengalerie umfasste am Ende der Serie unter anderem “Agent Axis” (ein deutscher, italienischer und japanischer Agent, die durch einen Blitzeinschlag in ihr Flugzeug in eine Person verschmolzen wurden), den “Shark” (ein alter Feind Namors, den Hitler beauftragte, Namors Schuppenshorts zu beschaffen, damit er diese für seine Kampftaucher einsetzen konnte (“Invaders Annual #1”)), den “Teutonic Knight” (ein religiöser Verrückter, der sich als Inkarnation eines Kreuzritters aus dem Mittelalter sah und schließlich im Alleingang einen Bombenkrieg gegen England führte), die “Hyena” (ein alter Feind der “Human Torch”, der versuchte, eine Blutprobe von diesem für Hitler zu besorgen), “Iron Cross” (eine Art Nazi-Iron-Man), einem Gastauftritt von Baron Strucker (womit die Serie eine Verknüpfung zu “Sgt. Fury” geschaffen hatte), “Brain Drain” (einem Naziwissenschaftler, dessen Körper zerstört worden war und der nun als Gehirn mit Augen (!) einen Roboter-Körper kontrollierte) und “Frankensteins Monster” und “Thor”!

In Ausgabe #31 (“Heil Frankenstein”) trafen die Invaders auf den Neffen von Victor Frankenstein (aus Mary Shellys “The Modern Prometheus”), der für die Nazis als Wissenschaftler die Tat seines Großvaters noch einmal vollbrachte und nun plante, eine Armee von “Zombie-Nazis” zu erschaffen (wirklich!), die den Krieg gewinnen sollten. Wie sein Großvater wurde auch dieser Frankenstein zuletzt von seinem Monster in den Tod gerissen. Bemerkenswert seltsam ist definitiv das Cover des Heftes. Frankensteins Monster in Nazi-Offiziersuniform, das dem Captain einen Schlag versetzt.

Mit der Einbindung von Thor in die Serie erstellte Thomas die größte Verknüpfung zum aktuellen Marvel-Universum. Hitler hatte in Ausgabe #32 (“Thunder in the East”) einen norwegischen Wissenschaftler und dessen Helfer Hans zu sich berufen, um eine Maschine zu bauen, mit der er nordische Götter zur Erde holen konnte. Zumindest bei Thor klappte dies, und Thor kämpfte gegen die Invaders, bevor diese ihn davon überzeugen konnten, dass Hitler der wirkliche Schurke war (ein eher klassischer Plot, eh?). Thor kehrte nach Asgard zurück und niemand konnte sich an dieses Ereignis erinnern. Die Maschine derweil wurde von “Hans” zerstört, der in Wirklichkeit Victor von Doom war und der Hitler erklärte, dass er ein Zigeuner (“Gypsy”… ich weiß, dass der Term ‚Zigeuner’ nicht politisch korrekt ist) sei, einer jener Völkergruppen, die Hitler in den KZs vernichtete. Zudem hatte Josef Stalin einen Gastauftritt in dieser Ausgabe. In “Marvel Universe #2” (1998) griff man diese Geschichte nochmal auf und erklärte, dass Doom seine Zeitplattform genutzt hatte, um in die 40er zurück zu reisen.

1979 wurde die Serie dann nach 41 Heften mangels Erfolgs eingestellt (nachdem sie bereits von wöchentlicher auf ein- und dann zweimonatliche Erscheinungsweise zurückgestuft worden war) Dennoch hatte Thomas mit dieser Serie den Zweiten Weltkrieg für das Marvel-Universum definiert. Und was der Zweite Weltkrieg im Marvel-Universum war, das machten die letzten beiden Ausgaben nochmal deutlich, in denen die Invaders zunächst gegen ein Team bestehend aus Baron Blood und Merrano dem U-Mann antraten und zuletzt gegen die “Battle-Axis” kämpften. Eine Gruppe, die Thomas aus vergessenen “Golden Age”-Helden zusammensetzte, die nun auf Seiten der Nazis antraten (unter anderem Sky Shark, Volton und Dr. Death).

Der Weltkrieg der Invaders war mit Ausnahme des Kriegssettings eine relativ “normale” (für die 70er) Superheldenserie, die Elemente aus dem “Golden Age” einband, an die “besten Zeiten” der Amerikaner erinnerte und ansonsten fröhlich in den Gebieten der SciFi und Horror-Literatur wilderte. Nazi-Zombie-Armeen, ein britischer Nazi-Vampir, ein Nazi aus Atlantis, Gehirne in Robotkörpern… all das spricht eine relativ deutliche Sprache im Hinblick auf den “Trash Appeal” dieser Serie.
Dadurch, dass sie laut Thomas im Jahre 1942 endete, hatte man zudem dass Glück, dass man es umging, die Elemente “Totaler Krieg” und “Endlösung” in die Hefte einbringen zu müssen, die sich sicherlich nicht gut mit der Grundkonzeption der Serie vertragen hätten.

Und selbst wenn sie gestorben sind…

Die Nazis waren nun also ganz eindeutig zu nichts weiter als eine unter vielen Comic-Superschurkentruppen geworden. Und genau so sollten sie sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg verhalten. Denn auch in Heften, die nach eben diesem spielten, mischten die Nazis fröhlich weiter mit. Warum auch nicht, Nazis hatten sich als hervorragende Gegner für Helden aller Art erwiesen und bis heute kommen Deutsche, mit dem seltsamen Akzent, in Filmen (wegen der immer noch bestehenden gedanklichen Verbindung zu den Nazis) [Anm. d. Red.: die durch diese Filme weiter verbreitet wird. Ein Teufelskreis also.] bevorzugt als Schurken vor. Die James-Bond-Filme sind in der Kategorie “böse, eiskalte, deutsche Killer” weit vorne mit Gerd Fröbe als Auric Goldfinger, auch wenn dessen Akzent so schwer war, dass man ihn in den USA schließlich nachsynchronisieren musste [in Deutschland allerdings sprach Fröbe seine Rolle selber], Curd Jürgens in “Der Spion der mich liebte”, Klaus Maria Brandauer (gut, der Präzision halber… Brandauer ist Österreicher, aber diese Differenzierung verschwimmt öfter) als Emilio Largo in “Sag niemals nie” (dessen schwerer deutscher Dialekt perfekt zur Selbstironie des Filmes passt) oder zuletzt Götz Otto als Stamper in “Die Welt ist nicht genug”. Auch in anderen Filmen gaben Deutsche hervorragende Gegenspieler ab, man denke dabei an “Die Hard I & III” mit Alan Rickman, bzw. Jeremy Irons, als Hans und Simon Gruber.

Die Rolle des Deutschen in der Popkultur ist also klar auf den Bösewicht festgelegt. Wenn er dann noch Verbindungen zum Dritten Reich hat: umso “besser”. Und es sollte nicht lange dauern, bis die ersten Nazis wieder auftauchten. Dies wurde auch durch die Realität untermauert, neben jeder Menge Verschwörungstheorien über den Tod Hitlers (am beliebtesten ist die Idee, dass ein Doppelgänger starb, während Hitler nach Südafrika oder auf den Mond floh… … …das ist auch der Grund, warum die Amerikaner 1969 die Mondlandung fälschten, damit sie den Mondnazis nicht begegneten! Ganz sicher…) waren einige Nazibonzen dank der sogenannten Persilscheine schon wieder angesehene Mitglieder der deutschen Gesellschaft, während sich andere sicher (Dr. Mengele, der Todesarzt von Auschwitz, der Zeit seines Lebens nicht vor Gericht gestellt wurde und 1979 wahrscheinlich bei einem Badeunfall ums Leben kam, und Adolf Eichmann, einer der führenden Köpfe der Wannsee-Konferenz, den der Mossad 1960 aus Argentinien nach Israel entführte und vor Gericht stellte) oder vermutlich (Martin Bormann, wobei 1998 eine Genanalyse belegte, dass er im eingekesselten Berlin 1945 umkam) nach Südamerika abgesetzt hatten.

Und während 1964 Baron Strucker als Kopf Hydras wiederauftauchte und mit Captain America auch der Red Skull zurück kehrte, war ein höchst prominenter Nazi schon 1963 in Fantastic Four #21 zurückgekehrt. In diesem Heft stellten die Fantastischen Vier und Nick Fury einen Superschurken namens “Hate-Monger”. Dieser trat in einer Ku-Klux-Klan artigen Kutte auf (in geschmackvollem Flieder) und besaß einen “Hass-Strahler” (da ist sie wieder, die Liebe der 60er zu Strahlenwaffen aller Art) mit dem er Hass in jedem Menschen erzeugen konnte. Diesen Hass-Strahl konnte er auch von einer Orbitalplattform abschießen, um ganze Regionen in einen Hassrausch zu versetzen, was er auch im südamerikanischen “San Gusto” sogleich versuchte.

Die Fantastischen Vier und Nick Fury konnten diesen Plan verhindern, der Hate-Monger wurde von einem seiner eigenen Soldaten erschossen (nachdem dieser eine Dosis Hass-Strahlen abbekommen hatte). Und als man den Mann seine Kapuze abnahm, offenbarte sich die wahre Identität des Hate-Mongers: ADOLF HITLER!
Jawohl, schon ein Dutzend Jahre vor “The Invaders” hatte Hitler in dieser Storyline den Sprung vom verachtenswertesten Verbrecher der Geschichte (und ich wage hier zu werten) zum Comic-Superschurken geschafft. “Silver-Age” wackiness at its best…

Den Widerspruch, dass die Human Torch doch den Führer getötet hatte, löste Marvel später auf, indem man in “Super-Villain Team Up #17” (1980) erklärte, dass der deutsche Wissenschaftler Arnim Zola kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Körper Adolf Hitlers geklont hatte und der Führer nun in der Lage war, im Notfall seinen Körper zu wechseln wie andere Leute ihre Unterwäsche und der so auch dem Flammentod durch die Hand der Human Torch entgangen war. Und so durfte der Hate-Monger nun immer mal wieder auftauchen und möglichst effektvoll sterben… der kommt schon wieder. Eine eindeutiger “Abwertung”, Hitler war in dieser Hinsicht nichts weiter als ein typischer Comicschurke eben, der sogar eine Liga tiefer spielte als klassische Schurken wie Doc Ock, der Green Goblin oder der Red Skull (für den er zeitweise arbeitete). Allerdings sollte Hitler sein Körper-Wechsel-Dich- Spielchen zuletzt übertreiben: als kein neuer Klonkörper mehr vorhanden war, wurde Hitlers Geist in einem “Cosmic Cube” (einem von A.I.M. [eine Untergruppe von HYDRA]) konstruierten Allmachtsobjekt) gefangen.

Dass der Krieg fast ein halbes Jahrhundert vorüber war sollte die Marvel-Nazis nicht davon abhalten, auch weiterhin nach der Weltherrschaft zu streben. Nach der Wiedervereinigung der BRD mit der DDR tauchten zwei weitere “alte Bekannte” auf. Kurz vor Kriegsende ließ ein Herr Nacht “Warrior Woman” und “Master Man” kryogenisch einfrieren und erwähnte später gegenüber seinem Sohn, dass dieser die Aufgabe habe, die beiden wiederzuerwecken. Warrior Woman und Master Man blieben unter Berlin verborgen, bis sie in einer Geschichte von 1991, die in Namor #10 – 12 nachzulesen ist, wiedererweckt wurden, nachdem die beiden Nazis bisher durch die Berliner Mauer voneinander getrennt waren (Achtung, meine Interpretation: zum Hintergrund dieser Geschichte… ich denke, hier kann man zumindest im Ansatz eine gewisse Angst erkennen, die nach zwei Weltkriegen viele westliche Staaten immer noch hatten, als 1990 die BRD und die DDR wiedervereinigt wurden… weder der französische Präsident Francois Mitterrand noch Englands Noch-Premierministerin Margaret Thatcher waren von diesem spontanen Wandel im Status Quo sonderlich begeistert. Vielerorts kam zumindest unterbewusst die Angst auf, dass bald wieder ein militaristisches Deutschland den Frieden in Europa bedrohen würde). Der junge Nacht verliebte sich in “Warrior Woman”, betrog den alten “Master Man” so, dass dieser gegen Namor in einem Duell verlor, und machte sich selber zum neuen “Master Man”, der nun das Vierte Reich über die Menschheit bringen sollte. “Master Man I” nahm diesen Verrat als Anlass, das Labor in die Luft zu jagen; allerdings wurden weder die Leichen von “Master Man II” noch von “Warrior Woman” gefunden… [der Master Man sollte auch in “Heroes Reborn” zusammen mit dem Red Skull wieder gegen Cap antreten].

Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass auch in Zukunft Comicnazis mit bizarren Namen versuchen werden, die Weltherrschaft an sich zu reißen…

Ein letzter “They never come back”-Widerleger tauchte in den West Coast Avengers #98 – 100 (1993) auf, und hier wurde ein real existierender Nazi zum Comicschurken gebogen, in ähnlicher Form, wie das mit Hitler 1963 geschah. Das heißt: dümmlicher Name und dümmliches Kostüm inklusive.

Heinrich Himmler, Reichsführer SS und einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust (ihm unterstanden die Totenkopfverbände der SS und die Organisation der KZs, die Heydrichs SD seit 1933 in Deutschland errichtet hatte). Verantwortlich für die “Germanisierung” der Ostgebiete (Ansiedlung von “Volksdeutschen” und Vertreibung oder Massenmord der dort ansässigen slawischen Bewohner) und die Umwandlung bestimmter Konzentrations- in Vernichtungslager, inklusive der Vergasung von Millionen von Juden [durch Zyklon B]. Himmler beging nach Ende des Zweiten Weltkrieges in britischer Gefangenschaft Selbstmord.

Im Marvel-Universum ist Himmler für all dies in der Hölle gelandet (alles andere wäre auch verwunderlich gewesen, eh?). Genauer: in einer Abteilung der Hölle, die der Dämon Mephisto kontrollierte. Hier stahl ein anderer Dämon, Satannish, die Seele Himmlers, damit dieser zusammen mit anderen Insassen der Hölle als “Lethal Legion” Rache an den Westküsten-Avengers nehmen konnte, die Satannish zuvor geschlagen hatten. Himmler wurde nun der Name “Zyklon” gegeben (an dieser Stelle wäre sicher ein Adenoid-Hynkel-Preis für die geschmackloseste Idee angebracht) und “Zyklon” war in der Lage, Giftgas aus seinen Handschuhen zu verschießen, um seine Feinde zu besiegen. Zu der Lethal Legion gehörte auch “Cold Steel”… die Seele Josef Stalins. Himmler, Stalin und der Rest der Lethal Legion wurden schließlich entmachtet, als Satannish ihnen die Fähigkeiten wieder entzog, um sich gegen Mephisto zu verteidigen.

Zis eevil Germans

Und zum Abschluss möchte ich noch ein Beispiel für böse Deutsche im Comic nennen, das zwar nicht von Marvel stammt, aber alle Eigenschaften des Comicdeutschen aufzeigt. Gnadenlosigkeit, Brutalität, Bösartigkeit und ein generell bedrohliches Auftreten. In “Elongated Man” #1 bis #4 (1992) trat Ralph Dibney gegen die Verbrecherorganisation “Eurocrime” an, deren Mitglieder sich als Landesspeisen verkleideten (sic!). Und die Erwähnung der deutschen Abteilung dürfte Angst und Schrecken in jedem noch so hartgesottenen Superhelden hervorrufen, nannte sie sich doch (in Anlehnung ans Dritte Reich… da haben wir wieder die Gedankenverbindung) “Wurstwaffe” [Heft #3 hieß dann auch treffenderweise “From Bad to Wurst”] und bestand aus so bedrohlichen Schurken wie Knackwurst, Blutwurst, Bockwurst und Leberwurst, die noch mächtiger wurden, wenn sie sich zusammenschlossen… Soviel dazu.

Und mit einem Zitat aus der Simpsons Episode “Cape Feare” beende ich dann diesen kleinen Exkurs: “No one who speaks German could be an evil man.”