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Topcomics 2011 – Die Favoriten der Redaktion

Welche Comics aus dem vergangenen Jahr haben wir am besten in Erinnerung? Welche haben uns am stärksten beeindruckt, am tiefsten bewegt und am meisten Spaß gemacht? Comicgate-Redakteure blicken zurück und stellen ihre ganz persönlichen Lieblingscomics des letzten Jahres vor. Subjektiv und ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit – hier sind unsere Topcomics 2011!

Unsere Topcomics der Vorjahre: 2009 und 2010.

DIE TOP 3 VON MARC-OLIVER FRISCH

5000 Kilometer in der Sekunde3. Fünftausend Kilometer in der Sekunde
von Manuele Fior
Avant-Verlag
19,95 Euro

Die an Metaphorik und Farbensymbolik reiche, in sechs Episoden erzählte Kurzgeschichte des Italieners Manuele Fior enthält kein Gramm narratives Fett – und doch könnten Fiors Strich, seine Szenen und Bilder kaum eindringlicher sein. Man kann die Sehnsucht und das Bedauern der Figuren, deren Leben das Buch umspannt, geradezu schmecken.

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Asterios Polyp2. Asterios Polyp
von David Mazzucchelli
Eichborn
29,95 Euro

David Mazzucchellis „Erstlingswerk“ nach dreißig Jahren in der US-Comicszene zeichnet sich aus durch ein Höchstmaß an schöpferischer Kontrolle, in jeder erdenklichen Hinsicht. Von der Geschichte bis zur graphischen Umsetzung, vom Design des Buchumschlags bis zur Farbe des Stoffs, der den Einband säumt – Mazzucchelli hat buchstäblich nicht das Geringste dem Zufall überlassen. Die Tragödie des Architekten Asterios Polyp ist eins der wenigen Werke, die tatsächlich die Mittel des Comics ausschöpfen, um romanhafte Tiefe zu erzeugen.
[Rezension bei Comicgate]

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Der alltägliche Kampf1. Der alltägliche Kampf
von Manu Larcenet
Reprodukt
29 Euro

Mit den Mitteln des Comics romanhafte Tiefe erzeugen kann auch der Franzose Manu Larcenet, dessen Vierteiler über das Leben 2011 erstmals gesammelt auf Deutsch erschien. Doch Larcenets Geschichte um den jungen Fotographen Marco schafft vor allem, was Mazzucchelli seinem Asterios Polyp schuldig bleibt: Sie ist bereits vom Inhalt her ganz große Kunst. Larcenet traut sich etwas. Mit bestechender Beobachtungsgabe und einem verflucht sturen Humanismus hat er ein Werk geschaffen, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite mit der Authentizität seiner Figuren fesselt.  

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DIE TOP 5 VON MICHEL DECOMAIN

5.  Personal Paradise – Killer Kid IIPersonal Paradise – Killer Kid II
von Melanie Schober
Carlsen Manga
5,95 Euro

Der futuristische Jugend-Thriller Personal Paradise ist sicherlich eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Manga. Über die fünf Bände der Serie hinweg hat sich die österreichische Mangaka Melanie Schober konstant gesteigert und ihren Stil weiter verfeinert. Im vorerst letzten Band, dem zweiten Teil des Killer-Kid-Arcs, gibt die Autorin noch einmal Vollgas und überzeugt mit temporeichen Action-Szenen und ihrer gewohnt hochdetaillierten und mit aufwendigen Schraffuren glänzenden Zeichentechnik. Schwächelte der erste Teil noch etwas unter der Last etwas zu ausschweifend erklärender Exposition, geht es im zweiten Band wesentlich flotter zur Sache, und der Leser fühlt sich Dank der sympathischen Figuren während des ganzen Bandes bestens unterhalten.

Dass Melanie Schober auch diesen Band wieder in einem etwas zu wohlwollenden Happy End auflöst, dass weder der Figurendramaturgie noch dem Setting so richtig gerecht werden will, hat man da schnell verziehen. Im Personal-Paradise-Universum bleiben jedenfalls auch nach diesem Band noch viele Anknüpfungspunkte für weitere Geschichten, und vielleicht hält die Zukunft ja noch eine Fortsetzung für uns bereit!

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Royal Lip Service

4. Royal Lip Service
von Marika Paul
Carlsen Manga
6,95 Euro

Dass Boys‘ Love auch weiterhin eines der Top-Genres unter heimischen Manga-Projekten bleibt, kann man sicher sehen, wie man will. An sämtlichen Diskussionen über kurzsichtige Verlagspolitik und Zielgruppenübersättigung vorbei lässt sich jedenfalls einfach nicht leugnen, dass auch dieses Genre hochwertige Comic-Erzählungen hervorbringt. Und das Highlight 2011 war da sicherlich Marika Pauls Royal Lip Service. Die Autorin mischt hier erotische Jungenromantik zwischen einem Kunststudenten und einem Band-Leader mit angenehm erfrischendem Dresdner Lokalkolorit inklusive heimischer Sehenswürdigkeiten und lustiger Dialekte. Zugleich überrascht sie mit ihrem außergewöhnlichen und angesichts kräftiger und ausdrucksstarker Inks für das Genre sehr untypischen Zeichenstil.

Dank des unterhaltsamen Erzählstils und der lebendigen Dialoge kommen hier nicht nur Freunde schön gezeichneter Männerkörper auf ihre Kosten. Wer noch keine Erfahrungen mit homoerotischen Manga gemacht hat, findet mit dem Einzelband sicherlich auch einen stilvollen Einstieg in das Genre.

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Frostfeuer 13. Frostfeuer 1: Herzzapfen
von Marie Sann und Yann Krehl
Splitter
13,80 Euro

Kai-Meyer-Adaptionen im Albenformat hat die deutsche Comic-Landschaft ja schon einige gesehen. Was diesen Band von seinen Vorgängern abhebt, ist die Mitwirkung der Berliner Zeichnerin Marie Sann. Hatte diese bereits in ihrem Vorgänger-Projekt Krähen zusammen mit dem alten Comic- Haudegen Guido Neukamm als Autor mit extrem hoher zeichnerischer Qualität geglänzt, überrascht hier zuerst der Stilwechsel: Alben-Comic statt Manga-Format, Vollfarbe statt Schwarz-Weiß, Digitalkunst statt Bleistift, Splitter statt Tokyopop. Auf den zweiten Blick bleibt Marie Sann aber weiter unverkennbar: hohe technische Qualität, wunderschöne Figurenzeichnungen, ebenso liebe- wie stimmungsvolle Hintergründe. Frostfeuer ist ebenso wie Krähen eine reine Augenweide!

Dazu kommt Yann Krehls grundsolide Adaption des Meyer-Stoffes, die den Leser gut in Figuren, Setting und die ebenso märchenhafte wie bedrohliche Atmosphäre der Geschichte einführt. Der Auftakt macht auf jeden Fall gespannt auf die zwei Fortsetzungen. Schöne Sache!

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Grimms Manga Sonderband2. Grimms Manga: Sonderband
diverse Autoren
Tokyopop
6,50 Euro

Als Kei Ishiyamas zwei Grimms Manga-Bände sich seinerzeit monatelang an der Spitze der Tokyopop-Verkaufscharts hielten, war man wohl auch im Hause des größten deutschen Manga-Indies überrascht über den Erfolg der unter japanischer Federführung inszenierten Eigenproduktion. So bekam die freche Neuinterpretation deutschen Kulturguts 2011 noch einen Tributband mit acht weiteren Adaptionen von bekannten und weniger bekannten Märchen spendiert, umgesetzt von sieben deutschen Nachwuchs-Zeichnerinnen und einer japanischen Gastkünstlerin.

Unter den heimischen Autorinnen gibt es unter anderem ein Wiedersehen mit einer stilistisch gereiften Nina Werner, etablierten Tokyopop-Zeichnerinnen wie Anike Hage oder Inga Steinmetz und Newcomern wie Luisa Velontrova. Die Beiträge überzeugen durchweg durch extrem hohe zeichnerische Qualität, die die individuellen Stile der Künstlerinnen schön zur Geltung bringt. Wahres Augenfutter liefern zum Beispiel der hervorragenden Tierzeichnungen von Anike Hage und Reyhan Yildirim, die einen fast an selige Disney-Zeiten erinnern. Die Umsetzungen sind mal sehr treu, mal nehmen sie sich originelle Freiheiten heraus. Insgesamt bleiben sie aber für Märchen-Freunde sogar ein besserer Einstieg als die recht abenteuerlichen Neuinterpretationen von Kei Ishiyama.

Zum Abschluss trumpft die japanische Gastautorin Misaho Kujiradou noch mit höchst originellem Seiten-Layout auf, das den Satzspiegel auf einen schmalen vertikalen Streifen in der Seitenmitte eingrenzt und dann frei darüber hinweg improvisiert. Ein weiterer höchst vergnüglicher Beitrag zum Thema Märchen meets Manga, bei dem Dank niedrigem Preis auch Quereinsteiger nicht viel falsch machen können.

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Steam Noir: Das Kupferherz 1

1. Steam Noir: Das Kupferherz 1
von Felix Mertikat und Benjamin Schreuder
Cross Cult
16,80 Euro

Nach zehn weiblichen Zeichnerinnen aus heimischen Landen zum Abschluss noch ein männlicher! (Für mich gibt es jedenfalls keinen Grund mehr zu zweifeln, dass der Nachwuchs der deutschsprachigen Comics – die hier vorgestellten Künstler sind im Schnitt Mitte 20 – mindestens ebenso weiblich wie männlich ist.)

Steam Noir ist derzeit fraglos das deutsche Comic-Projekt, das den höchsten Originalitätsgrad aufweist und diesen sowohl erzählerisch wie auch zeichnerisch auf absolut höchstklassigem Niveau umsetzt. Die von Steampunk und unheimlicher Fantasy geprägte Handlungswelt steht tatsächlich ganz für sich selbst. Zudem ist Benjamin Schreuder schlau genug, dem Leser nicht in ausschweifenden Expositionsdialogen die Eigenheiten von Landsberg vor die Füße zu werfen, sondern diese langsam und indirekt über die eigentliche Handlung Stück für Stück zu vermitteln. So wird die Neugier des Lesers lange am Leben gehalten, und man geht bei der Lektüre gleich ein bisschen mit auf Entdeckungsreise in die rätselhafte Ätherwelt.

Die Zeichnungen sind ebenso ansprechend und detailliert wie stimmungsvoll. In das Design wurde offensichtlich ebenso viel Mühe investiert wie Erzählung, und dies zahlt sich hier eindrücklich aus. Auch wenn Benjamin Schreuder dem Projekt als Autor leider nicht erhalten bleiben wird, hat er doch mit geholfen, den Grundstein für das wohl vielversprechendste deutsche Comic-Franchise dieser Tage zu legen, und ich fiebere den weiteren Bänden gespannt entgegen!
[Rezension bei Comicgate]

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DIE TOP 3 VON THOMAS KÖGEL

Orc StainOrc Stain Vol. 1 (US)
von James Stokoe
Image Comics
17,99 US-Dollar

Kein anderer Comic hat mir im letzten Jahr beim Lesen so viel Spaß gemacht wie der erste Sammelband von James Stokoes Heftserie Orc Stain. Auf den ersten Blick ist das zwar ein relativ simpler Fantasycomic, aber in der Ausführung alles andere als gewöhnlich. James Stokoe ist ein Meister des „world building“, der eine ganz eigene phantastische Welt schafft. Und was für eine Welt das ist: dreckig und schmutzig, voller mieser Typen vom hasserfüllten Weltenzerstörer bis zum gierigen Kleinkriminellen. Das Edle und Gute gibt’s hier nicht, selbst unser One-Eye genannter Held schaut zuallererst auf seinen eigenen Vorteil.

Das wertvollste und wichtigste, um das sich in James Stokoes Ork-Welt alles dreht, ist: der Gronch. Das männliche Genital. So ziemlich jeder Ork ist hinter dem Pimmel der anderen her. In Scheiben geschnittene Penisse dienen als Zahlungsmittel und die Höchststrafe für einen Ork lautet nicht „Kopf ab“ sondern „Schwanz ab“. Das klingt jetzt fürchterlich pubertär, pseudo-provokant, und eklig, wird aber so augenzwinkernd und selbstverständlich aufs Tablett gebracht, dass es einfach nur ein Riesenspaß ist.

Als würde die erfrischend originelle Welt voller kleiner und großer grotesker Ideen noch nicht reichen, haut uns Stokoe (der hier von den Zeichnungen über die Farben bis zum Lettering alles selber macht) auch noch ein Artwork um die Ohren, das die selbigen zum Schlackern bringt: Extrem detailreich, teilweise sehr witzig und wenn’s sein muss auch mal ziemlich blutig oder supersexy. Moebius meets Geof Darrow, wenn man so will. Dazu kommt eine Kolorierung, die – statt die Szenerie in dunkle Finsternis zu tauchen – die Seiten in Blau- und Rottönen zum Schillern bringt. Die Welt von Orc Stain sieht dadurch ungeheuer organisch aus, wie ein lebender Körper, der pumpt und atmet und jeden Moment vor Energie zu platzen droht. Eine deutsche Edition ist vorerst leider nicht in Sicht, die US-Ausgabe lohnt sich daher umso mehr.

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HabibiHabibi
von Craig Thompson
Reprodukt
39 Euro

Das ganz große Meisterwerk, als das es mancherorts gefeiert wurde, ist Habibi nicht, dazu hat es zu viele Schwächen (vor allem die kaum vorhandene Charakterentwicklung seiner beiden Hauptfiguren und der allzu verschwenderische Umgang mit Klischees). Ob der monumentale Comic von Craig Thompson in zehn Jahren noch als absolutes Muss gelten wird, ist eher zu bezweifeln. Aber im Jahr 2011 kam man um Habibi nicht herum. Schon durch sein Format (über 600 Seiten, mehr als sechs Jahre Entstehungszeit) und seine Ambitionen, die ganz großen Themen (Liebe, Sex, Religion und einiges mehr) abzuhandeln, nimmt der Comic eine Sonderstellung in der Flut der Neuerscheinungen ein und wurde zu Recht fast überall besprochen. Auch wenn es Habibi nicht auf die Liste meiner Lieblingscomics schaffen wird, ist es doch unbedingt lesenswert. Vor allem auf der grafischen Ebene überzeugt und überwältigt Craig Thompson mit Ideenreichtum, filigranem Handwerk und einer überbordenden Freude am Geschichtenerzählen. Wie er mit Kalligraphie, orientalischen Ornamenten und der Sprache des Comics spielt, ohne dabei auf die Nase zu fallen, sollte man gesehen haben. Und inhaltlich sorgt schon die schiere Menge an Themen, die Thompson hier reingepackt hat, für reichlich Stoff zum Weiterdenken und Weiterdiskutieren.
[Rezension bei Comicgate]

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Paying For ItPaying For It (US)
von Chester Brown
Drawn & Quarterly
24,95 US-Dollar

Ähnlich wie mit Habibi verhält es sich auch mit Chester Browns autobiographischen Bekenntnissen eines Freiers. Um ein echter Lieblingscomic zu werden, ist Paying For It und seine Botschaft zu problematisch. Trotzdem zählt das kleinformatige Hardcoverbuch mit den briefmarkengroßen Panels zu den bemerkenswertesten Comics des letzten Jahres. Ohne Scheu vor Peinlichkeiten breitet der kanadische Zeichner sein Sexualleben aus – und die dazugehörige, sehr eigenwillige Lebensphilosophie, die romantische Zweierbeziehungen ablehnt und in einer strikten Trennung von Liebe und (bezahltem) Sex besteht. Brown liefert einen betont sachlichen und nüchternen Blick in den unglamourösen Alltag von Prostituierten und ihrer Kundschaft. Und mit seinem wortreichen Anhang ist Paying For It nicht nur ein intimer Seelenstriptease, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den Moralvorstellungen der Gesellschaft und ein streitbares Plädoyer für eine Liberalisierung der strengen Prostitutionsgesetzgebung in Kanada. Eine deutschsprachige Version ist für 2012 beim Verlag Walde & Graf angekündigt.
[Eine längere Rezension steht im Comicgate-Magazin Nr.6]

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DIE TOP 3 VON BENJAMIN VOGT

The Unwritten 13. The Unwritten oder Das wirkliche Leben
von Mike Carey und Peter Gross
Panini
bisher zwei Bände, je 16,95 Euro

Mike Careys neue Vertigo-Serie dreht sich um einen Mann namens Tom Taylor, der als Vorlage für die Hauptfigur einer Fantasy-Romanreihe in einen literarischen Strudel gerät, als die Grenze zwischen Realität und Fiktion völlig verschwimmt. Careys The Unwritten ist spannend, mysteriös und anspruchsvoll und bewegt sich stilistisch irgendwo zwischen Sandman und Harry Potter.
[Eine längere Rezension steht im Comicgate-Magazin Nr.5]

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Asterios PolypIm Schatten keiner Türme2. Im Schatten keiner Türme
von Art Spiegelman
Atrium Verlag
34,90 Euro
Asterios Polyp
von David Mazzucchelli
Eichborn
29,95 Euro

Zwei allein schon optisch beeindruckende Werke. Während Art Spiegelman im erstgenannten die Geschehnisse rund um die Anschläge am 11. September 2001 als in New York lebender Künstler verarbeitet, widmet sich David Mazzucchelli mit Asterios Polyp einem zeichnerisch aufwändigen Projekt, welches das fiktive Leben eines egomanischen Architekten von hinten aufrollt.

Im Schatten keiner Türme:
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Betelgeuze GesamtausgabeDer alltägliche KampfAll Star Superman1. Die Gesamtausgaben von
Betelgeuze
von Léo
Epsilon
40 Euro
Der alltägliche Kampf
von Manu Larcenet
Reprodukt
29 Euro
und All Star Superman
von Grant Morrison und Frank Quitely
Panini Comics
24,95 Euro 

(Alle drei Gesamtausgaben sind 2011 erschienen, streng genommen handelt es sich jedoch um Sammelbände von Einzelausgaben, die in den Jahren zuvor bereits veröffentlicht wurden.)

In Betelgeuze eröffnet Zeichner Léo einen neuen Zyklus, der direkt an den Vorgänger Aldebaran anschließt. Es gilt, einen weiteren Planeten zu kolonisieren. Betelgeuze ist als abgeschlossene Serie qualitativ sogar noch höher einzustufen als Aldebaran, von dem ich auch schon begeistert war.   

 Ein Fotograf in der Midlife-Crisis ist die zentrale Figur in Manu Larcenets ursprünglich vierbändigen Geschichte Der Alltägliche Kampf. Viel lebensnaher, emotionaler und zauberhafter gezeichnet kann eine Comicerzählung nicht sein.

In All Star Superman darf sich der geniale Autor Grant Morrison mal wieder völlig frei an einem Superhelden austoben. Zusammen mit dem nicht minder brillanten Zeichner Frank Quitely gelingt dem Schotten dann auch prompt die wahrscheinlich beste Interpretation des Stählernen aller Zeiten.

Betelgeuze:
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All Star Superman:
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DIE TOP 3 VON DANIEL WÜLLNER

seed, toss, kick it overseed toss, kick it over (US)
von Warren Craghead III
Kostenloser Download auf craghead.com

Revolutionen beginnen meist im Kleinen. Manchmal genügt schon ein kleiner Funke, um Menschen mitzureißen. Zwar hat der kleine Minicomic seed toss, kick it over selbst keine solche ausgelöst, doch erzeugt er auf nur 12 Seiten ein Gefühl der Verbundenheit. Während der Arabische Frühling im Januar letzten Jahres in Ägypten seinen Anfang nahm, starrte der amerikanische Comickünstler Warren Craghead III wie gebannt auf seinen Fernseher. Immer neue Bilder vom Tahrirplatz strömten auf ihn ein und wie der Rest der Welt schwankte er beim Anblick zwischen Begeisterung, Angst und Hilflosigkeit.

Um dieses Gefühl der beginnenden Revolution, diesen Funken, einzufangen und das Feuer zu verbreiten, fotografierte Craghead die Bilder von der Mattscheibe mit seinem iPhone ab. Er bearbeitete sie und setzte sie zu einer zwölfseitigen Geschichte neu zusammen. Diesen Minicomic gibt es seit dem 4. Mai auf seinem Blog als Gratis-Download. Mit dem Herunterladen ist es aber noch nicht getan, denn jeder Leser muss seinen eigenen Comic selber falten, selber tackern und selber schneiden, um Teil der Revolution zu werden.

Craghead hat es mit seed toss, kick it over nicht nur geschafft, das Internet kreativ zu nutzen, sondern auch die Form des Minicomics auf eine neue Ebene zu heben.

StopptanzStopptanz
von Leo Leowald
Reprodukt
18 Euro

Um ehrlich zu sein, lese ich wirklich nur sehr selten Webcomics. Vielleicht zu selten, um hier ein objektives Urteil abzugeben. Ich lächele manchmal bei Joscha Sauers nichtlustigen Lemmingen und fühle mich bei Sarah Burrinis nostalgischen Guybrush-Threepwood-Anspielungen in meine Jugend zurückversetzt. Doch mit allen Sinnen unterhalten fühle ich mich nur bei Zwarwald. Leo Leowalds Online-Strips fordern und fördern mich.

Wie die meisten zeitgenössischen Kolumnisten beobachtet er den grotesken Alltag und spinnt das Gesehene grotesk weiter. Während Axel Hacke seinen Kühlschrank gegen Verschreiber auf Speisekarten eingetauscht hat und Harald Martenstein lieber über Literatur philosophiert, beobachtet Leowald weiterhin Menschen, Schilder, Emotionen und baut daraus seinen eigenen Gedankenstrip. In Stopptanz sind einige Meilensteine aus seinem virtuellen Tagebuch abgedruckt: die Jahresversammelung seiner vergangen Ichs, die Schweigeminute für Robert Enke oder die Brüste von Kate Winslet. Ohne zu zögern würde ich Leo Leowald gegen alle Kolumnisten unser Nation eintauschen. Allein gegen Max Goldt würde es nur für ein Unentschieden reichen.

Neulich fragte mich ein Kollege, ob eigentlich schon alle Menschen, denen Zwarwald gefallen würde, ihn bereits kennen. Kennt ihr alle schon zwarwald.de?

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Asterios PolypAsterios Polyp
von David Mazzucchelli
Eichborn Verlag
29,95 Euro

Der schönste Comic des Jahres 2011 erschien bereits 2009 auf Englisch. Zum Glück für die deutsche Leserschaft hat sich der Eichborn Verlag die Mühe gemacht, Asterios Polyp trotz der strikten Vorstellungen des Zeichners herauszugeben. David Mazzucchellis Meisterwerk wurde bereits so oft gelobt, dass Rezensenten sich mittlerweile bemühen müssen, um etwas Schlechtes an dem Band zu finden. Zwei Aspekte, die zwischen dem formal grandiosen Layout jeder einzelnen Seite, dem einzigartigen Lettering und der griechisch angehauchten Tragödie verloren gehen und nun herangeführt werden, um die Lobeshymnen ein wenig abzumildern, sind eine flache Handlung und eine nicht überzeugende emotionale Darstellung des Protagonisten. Um die höchste Bewertung wieder herzustellen, seien beide Kritikpunkte hier kurz widerlegt.

Natürlich lässt sich die Handlung auf einen Satz herunterbrechen: Der egoistische Architekt Asterios hat seine große Liebe und dabei sich selbst verloren und sucht nun nach seiner Katharsis. Und ebenso einfach ließen sich die großen Klassiker der Literatur, wie Romeo und Julia raffen: Ein Junge liebt ein Mädchen, obgleich ihre beiden Familien die Beziehung nicht tolerieren. Schließlich geht es bei einem Werk nicht nur um den Plot, sondern auch um die Form und die Verbindung aus beiden. Gerade durch Verbindung aus einfachem Inhalt und komplexer Form kreiert Mazzucchelli einzigartige Momente in Asterios Polyp: Das erste Zusammentreffen von Asterios und seiner Frau ist wohl die mit Abstand romantischste Comicszene aller Zeiten. Genauso wirkungsvoll ist der stream-of-consciousness, an dessen Ende Asterios erkennt, was ihm wirklich fehlt.

Zwar ist uns als Leser genau bewusst, was da vor unseren Augen passiert, doch um diese Mechanismen in Gang zu setzen, braucht es einen meisterlichen Comic-Architeken. Ein eben solcher ist Mazzucchelli.

 

 

DIE TOP 5 VON JONS MAREK SCHIEMANN

PolinaEs ist dieses Jahr nicht gerade einfach, eine Top-5-Liste zu erstellen. Vielleicht hatte ich ja auch einfach Glück, fast nur überzeugende Bände auf den Tisch bekommen zu haben. Eine Flop-Liste wäre jedenfalls schneller gegangen. Auch wenn hier nun deutlich mehr als fünf Titel aufgeführt werden, so kann ich doch keine Reihenfolge festlegen, welcher Band nun den ersten Platz für sich beanspruchen dürfte. Als einer der großen Kandidaten dafür gilt aber definitiv Polina von Bastien Vivès (Reprodukt, 24 Euro). Einfach ein großartiger Band. Es ist erstaunlich, wie sehr es Bastien Vivès schafft, ein auf den ersten Blick unspektakuläres Thema graphisch so grandios umzusetzen. Er braucht nicht viele Worte, um dennoch mit hoher emotionaler Wucht erzählen zu können. Und so gelingt ihm vielleicht sogar im Finale einer der besten Comicmomente überhaupt. Mit Sicherheit ist Polina aber eine der schönsten Graphic Novels des  Jahres.

 

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ScarletVon gänzlich anderer Art ist Scarlet von Brian Michael Bendis und Alex Maleev (Panini Comics, 16,95 Euro). Er ist der richtige Comic zur richtigen Zeit. Weltweit gehen die Menschen auf die Straße, um gegen die bestehenden Ungerechtigkeiten und Verhältnisse zu protestieren. Scarlet ist ein Comic, der dazu aufruft, hinter die Kulissen zu blicken und sich aktiv zu wehren. Dabei werden weder eine spannende Story noch gute Zeichnungen vergessen. Durch Verfremdungseffekte, die den Leser direkt ansprechen, gerät der Band etwas geschwätzig, liefert aber auch unterschiedlichste Perspektiven zu manchen kontroversen Passagen. Aber letztere provozieren wieder eine Diskussion, welche das Thema unterstützt. Hervorragend.

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Auch die Superhelden seien hier nicht vergessen: Supreme 1 und 2 von Alan Moore (Nona Arte, je 19,50 Euro) ist ein einziger großartiger Metatext über die Helden. Fast jedes Panel hat einen Verweis oder eine generelle Referenz nicht nur zu den Superhelden an sich, sondern auch zum Verlagswesen oder zur Geschichte der Veröffentlichungen. Über diese beiden Bände könnte man eine ganze Studie schreiben. Jedenfalls ein unterhaltsames wie intelligentes und vielschichtiges Vergnügen.
[Rezension bei Comicgate]

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Kraa von Benoît Sokal (Splitter, 19,80 Euro) ist dann wieder von einem ganz anderen Kaliber. Ein sensibler, spannender, bewegender und schockierender Band. Dennoch kann man sich dem Zauber dieses Abenteuers kaum entziehen, das auch wütend macht. Ich kann den zweiten Band kaum noch erwarten.
[Rezension bei Comicgate]

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Der 2011 neu aufgelegte Comicroman Stuck Rubber Baby von Howard Cruse (Cross Cult, 26 Euro) versteht es, mit der Kombination von Einzelschicksalen in einer gesellschaftlichen Entwicklung ein breites Publikum zu fesseln. Die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung (ihre Gründe, ihre Aktionen und ihre Erfolge) wird anhand von Einzelschicksalen in den USA der 1960er Jahre deutlich gemacht. Das ist informativ, spannend und bewegend. Ein ganz großer Wurf.
[Rezension bei Comicgate]

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Green WomanUnd manchmal wird man auch sehr positiv überrascht. Green Woman (Panini Comics, 16,95 Euro) ist eine Quasi-Adaption eines Romans von Peter Straub. Michael Easton und John Bolton erzählen eine weitere Geschichte von einer Figur Straubs. Große Namen erfüllen dabei große Erwartungen. Kongenial illustriert von John Bolton, schildert diese abgeschlossene Graphic Novel die Themen Schuld und Sühne und die Faszination von Gewalt. Spannend, unangenehm und faszinierend. Zugreifen.

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Und schließlich der Band, der sich mit Polina um den ersten Platz streiten mag: Gemma Bovery von Posy Simmonds (Reprodukt, 20 Euro). So müssen nämlich Adaptionen sein. Nicht nur wurde der klassische Stoff von Gustave Flaubert modernisiert und mit einer gesamtgesellschaftlichen Analyse der Moderne verbunden, sondern auch die Vorlage an sich wird thematisiert. Damit wird die Adaption auch zu einer respektvollen Hommage an das Buch insbesondere und an die Macht der Literatur allgemein. Vielleicht eine der besten Literaturadaptionen im Comic überhaupt.

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Annas Paradies 1Aber auch Nine Anticos Coney Island Baby (Edition Moderne, 26 Euro) mit seinen Reflexionen über Emanzipation, Feminismus und sexuelle Selbstbestimmung konnte faszinieren, ebenso wie die graphische Erzählweise eines der bemerkenswertesten Debüts des Jahres: nämlich Annas Paradies von Daniel Schreiber (Splitter, 13,80 Euro) .
[Rezension bei Comicgate]

Coney Island Baby:
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Annas Paradies 1:
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Generell kamen dieses Jahr wieder viele interessante und sehr gut gestaltete Bände auf den Markt. Und die Schwierigkeiten dabei, eine Top-Liste zu erstellen, spricht nur für die Entwicklung. Hoffentlich habe ich zur selben Zeit nächstes Jahr ebenso große Probleme, eine Auswahl zu erstellen