Seit letzter Woche sind die deutschsprachigen Comicleser wieder aufgerufen, ihre Stimme für PENG!, den Münchner Comicpreis, abzugeben, der am 30. Mai beim Comicfestival in München verliehen wird. Das Prozedere, mit dem die Gewinner ermittelt werden, ist allerdings nicht ganz leicht zu durchschauen.
Ein Kommentar von Thomas Kögel.
Am 30. Mai wird beim Comicfestival München wieder der PENG!-Preis verliehen. Neu ist in diesem Jahr die Kategorie „Beste Comic-Berichterstattung“, dafür fällt die Webcomic-Kategorie leider weg.
A propos Berichterstattung: Keine der Websites, die über die letzte Woche gestartete Nominierungsrunde berichten, hat es bislang geschafft, klar und zweifelsfrei zu erklären, wie eigentlich die PENG!-Preisträger ermittelt werden. Und beim Versuch, es selbst zu tun, stelle ich fest: Es ist nicht möglich. Jedenfalls nicht anhand der online vorliegenden Informationen.
Im Moment gibt es jedenfalls Vorschlagslisten für die meisten Kategorien, die von einer vierköpfigen Jury stammen: Diese besteht aus den beiden Festivalleitern Heiner Lünstedt und Michael Kompa, dem Journalisten Rainer German, der im auflagenstarken Stadtmagazin in münchen Comics bespricht, sowie Gerhard Schlegel (eine Hälfte von Laska Comix und ehemaliger Mitorganisator des Münchner Comicfests). Diese Listen sind aber nicht als Nominierung zu verstehen, sondern lediglich als „Vorschläge“. Auf verschiedenen Wegen kann nun jeder Comicinteressierte seine Stimme für einen dieser Vorschläge abgeben oder eigene Vorschläge machen: Im Comicforum können Einträge in freier Form geschrieben werden, die Vorschlagslisten werden daraufhin ergänzt, der aktuelle Zwischenstand der Abstimmung ist nicht bekannt. Im Forum von Comicguide gibt es dagegen zu jeder Kategorie eine Umfrage, deren Ergebnis für alle direkt sichtbar ist. Auch hier können weitere Vorschläge abgegeben werden (die dann aber nicht in die Umfrage aufgenommen werden). Für die beiden Manga-Kategorien gibt es keine Jury-Vorschläge, um diese kümmert sich die Community von Animexx, wo aber bislang noch keine Abstimmung zu sehen ist. Und als vierten Weg gibt es noch eine Rundmail der Veranstalter an viele Leute in der Comicszene (u.a. an mich) mit dem Betreff „Du bist in derJury“ und der Bitte um Abstimmung per E-Mail.
Man merkt schon: Das ist ein ziemliches Durcheinander, bei dem es letztlich alles andere als transparent und nachvollziehbar ist, wer auf welchem Weg in welcher Kategorie gewinnt. Die Verwirrung steigt, wenn man auf der Festival-Website liest: „Die Auswahl der Preisträger wird wieder auf eine breite Basis gestellt und durch eine unabhängige Jury aus professionellen Zeichnern, Autoren und Experten und mit Unterstützung von Online-Plattformen gewählt.“ Wer wählt denn nun eigentlich: erst die Jury, dann die Online-Communities? Oder anders herum? Oder erst die Jury, dann die Communities und dann noch einmal die Jury? Ist der PENG! dann ein Jury- oder ein Publikumspreis? Auf Nachfrage erklärt Heiner Lünstedt, es sei eine „Mischung aus beidem“. Die drei Abstimmungen (in den beiden Foren und per E-Mail) liefen parallel und würden gleichwertig nebeneinander gestellt. Die Ergebnisse der drei Votings würden dann abgeglichen, „so dass die Gewinner jene Titel sind, die zumindest in zwei Abstimmungen vorne liegen.“ Getrennt davon liefe der Prozess bei Animexx, „da hier eine geballte Manga-Kompetenz vertreten ist.“ Dass manche Teilnehmer mehrfach Stimmen abgeben können, wenn sie Mitglied in beiden Foren und womöglich auch im E-Mail-Verteiler vertreten sind, ist für Lünstedt kein Problem, da es „kaum zu Verzerrungen des Ergebnisses führt.“
Neben den undurchsichtigen Wegen der Gewinner-Ermittlung gibt es noch weitere Ungereimtheiten beim PENG!-Preis und seinen Vorschlagslisten. Dass die Rechtschreibfehler in den Nominierungen („Daniel Liske“, „Essex Country“), von allen Multiplikatoren per copy & paste fröhlich übernommen wurden, kann man vielleicht noch verschmerzen. Merkwürdig wird es aber, wenn die einzige Bedingung, die ein zu nominierender Comic erfüllen muss, bei den Jury-Vorschlägen gleich wieder außer Kraft gesetzt wird: „Potenzieller Preisträger ist alles, was in letzten zwölf Monaten in Deutschland erschienen (bzw. im Kino gelaufen) ist“, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Damit wären gleich sechs Vorschläge der Jury [Omni-Visibilis (Februar 2012), Stiche (März 2012), AÏR (Januar 2012), Die Einladung (Januar 2012), Polina (Dezember 2011), Mosaik-Handbuch (Februar 2012)] ungültig.
Darauf angesprochen, meint Heiner Lünstedt: „Manche Titel fanden wir dann doch so bemerkenswert, dass wir hier etwas flexibler mit unseren eigenen Regeln waren, bzw. wir haben sie nicht sofort nach Drucklegung gelesen. Andere Titel, die wir auch schon bemerkenswert finden, liegen uns jetzt schon vor, obwohl diese noch nicht im Handel sind. Diese Titel können wir leider auch noch nicht berücksichtigen, da eben keine repräsentative Menge davon gelesen werden kann. Grob sagen wir halt, für den Preis eignet sich alles, was rund um Erlangen bis rund ums Comicfestival erscheint, damit mit dem Peng!-Preis eine Lücke zwischen den Max & Moritz-Preisen geschlossen wird und nicht in Erlangen und München die gleichen Künstler und Werke prämiert werden.“
Es geht also recht locker und ungezwungen zu beim PENG!-Preis, was ja auch irgendwie ganz sympathisch ist. Nur leider führt das nicht unbedingt dazu, dass man den Preis auch ernst nehmen kann. Dazu passt auch diese Äußerung von Gabriel Nemeth (der als Urgestein der Münchner Comicszene an vielen der örtlichen Festivals beteiligt war) im Comicguide-Forum. Sinngemäß sagt er, man solle sich nicht so haben, der PENG! sei doch eh nur ein Gaudipreis und wer ihn gewinnt, spielt eigentlich keine Rolle.
Es bleibt dabei: Die drei relevanten Preise für Comics in Deutschland sind der Max-und-Moritz-Preis mit seiner langen Tradition und seinem kulturellen Renommee, der Sondermann, der auf Verkaufszahlen und Online-Voting basiert und damit ein klarer Publikumspreis ist, sowie der auf deutschsprachige Indie-Comics beschränkte ICOM Independent Comicpreis, der durch seine Dotierung und die gute Besetzung der Jury vor allem innerhalb der Szene große Anerkennung genießt. Wenn der PENG! in seiner Bedeutung zu diesen Preisen aufschließen möchte, sollte man einiges am Prozedere verändern. Seriöse Auszeichnungen erfordern seriöse Wege der Ermittlung der Preisträger – der PENG! in seiner jetzigen Form kann das nicht bieten.