Métal Hurlant Chronicles
Frankreich 2010/2011
Regie: Guillaume Lubrano
Hauptdarsteller: Scott Adkins, James Marsters, Michael Jai White, Dominique Pinon, Jean-Yves Bertelot, Rutger Hauer u.a.
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Das französische Comicmagazin Métal Hurlant, gegründet 1975, gehört zu den wichtigen Wegmarken der Comicgeschichte, nicht nur weil dort die ersten Comics erschienen, die Jean Giraud unter seinem Pseudonym Mœbius schuf. Die Anthologie, die sich an erwachsene Leser richtete, enthielt überwiegend Geschichten aus dem Science-Fiction- und Fantasy-Genre und bediente sowohl die trashigen Wurzeln dieser Gattungen als auch avantgardistisch-künstlerische Ambitionen. In Frankreich wurde das Magazin 1987 eingestellt, ehe es 2002 noch einmal für zwei Jahre wiederbelebt wurde. In dieser zweiten Phase verstand sich Métal Hurlant als „transatlantisches“ Projekt, erschien parallel in Europa und den USA und enthielt Kurzgeschichten von Autoren und Zeichnern aus beiden Kontinenten.
Aus dieser Epoche stammen die Episoden, die nun für eine Fernsehserie adaptiert worden sind. In Frankreich lief sie auf dem Sender France 4, bei uns erscheinen sie direkt auf Blu-Ray und DVD. Wie die Zeitschrift funktioniert auch die TV-Serie als Anthologie, enthält also einzelne, in sich abgeschlossene Geschichten, die nicht miteinander verbunden sind. Als einziges Bindeglied dienen die Reste des Planeten Schwermetall, die – wie in der pathostriefenden Einleitung jeder Episode verkündet wird – „schreiend vor Schmerz und Verzweiflung für immer ziellos durch Zeit und Raum treiben“. Die erste Staffel besteht aus sechs Folgen à 25 Minuten, die vor allem Science-Ficition-Stories erzählen. Gedreht wurde auf Englisch mit überwiegend britischen und amerikanischen Schauspielern. Darunter sind keine großen Stars, aber ein paar bekannte Gesichter wie James Marsters (Spike aus Buffy), Dominique Pinon (aus allen Filmen von Jean-Pierre Jeunet) oder der unvermeidliche Rutger Hauer.
Episode 1, „Die Krone des Königs“ (deren Comicvorlage von Richard Corben gezeichnet wurde), spielt in einer mittelalterlich anmutenden Welt, deren Herrscher durch Gladiatorenkämpfe bestimmt werden, in der es aber auch Roboter, fliegende Drohnen und TV-Übertragungen gibt. In einem Turnier soll die Nachfolge des sterbenden Königs bestimmt werden. Im Mittelpunkt stehen hier also Kampfszenen, bei deren Inszenierung Regisseur Guillaume Lubrano sichtbar dem Vorbild von Zack Snyder nacheifert. Er liefert eine Art 300 fürs Fernsehen, nur dass bei ihm alles ein gutes Stück billiger wirkt. Die Geschichte endet mit einem ziemlich überraschenden Twist, der gleichermaßen erschreckend und witzig ist.
Diese Art von Schlusspointe zieht sich durch die gesamte Serie: Jede Episode endet mit einer Wendung, die das zuvor Erzählte auf den Kopf stellen, ironisch brechen oder besonders betonen soll. Leider sind diese Twists nur selten so originell, wie es wünschenswert wäre, sondern meist ziemlich vorhersehbar. Trotzdem tut dieses Element der Serie gut, denn es steigert (zumindest beim ersten Sehen) den Unterhaltungswert, wenn man über das Ende spekulieren kann. Und eine Steigerung des Unterhaltungswerts ist auch dringend nötig, denn ohne die Schlusspointen wären fast alle Folgen recht langweilig. Da jede Episode andere Protagonisten hat, gibt es keine Figur, die einem im Lauf der Serie ans Herz wachsen und mit der man mitfiebern kann. Und trotz der kurzen Laufzeit fühlen sich die Kurzgeschichten arg gedehnt und langatmig an. Es gibt eben doch einen Unterschied zwischen einer 10-seitigen Comicstory und einem 25-minütigen Film. Selbst Episode 4, die aus zwei Kurzgeschichten besteht, wirkt nicht so knackig, wie sie eigentlich müsste.
Einen etwas merkwürdigen Eindruck hinterlässt auch die Tatsache, dass Gewalt zwar ein wesentliches Merkmal der meisten Episoden ist, aber kaum ein Tropfen Blut fließt. Hier wurde wohl sehr darauf geachtet, die strengen Jugendschutzregeln des Fernsehens nicht zu verletzen, was für eine recht sterile und im wahrsten Sinne des Wortes blutarme Atmosphäre sorgt, die dem Esprit der Comics nicht gerecht wird, welche in den Siebzigern ja tatsächlich Neuland betreten und erzählerisch etwas gewagt hatten.
Schon eher im Geiste der Comics ist das vorgestrige Frauenbild, das die Serie durchzieht: Bis auf Episode 2 tauchen Frauen hier bestenfalls als schmückendes Beiwerk auf, als Dienerinnen im Bikini, als Huren oder als Kampfbabe im engen, Dekolleté-quetschenden Lederanzug. Da ist das Fernsehen im Jahr 2012, auch im SF- und Fantasygenre, eigentlich schon wesentlich weiter.
Was die digitalen Effekte angeht, schlagen sich die Chronicles wacker: Man merkt den Folgen zwar an, dass hier bei weitem nicht das Budget amerikanischer Großproduktionen zur Verfügung stand, vielen CGI-Bildern ist ihre Herkunft aus dem Computer deutlich anzumerken. Wenn man diesen Umstand jedoch hinnimmt, bekommt man sehr ansprechend designte Settings und einige schick anzusehende Szenerien. Zudem gelingt es den Machern meistens sehr gut, ihre knappen Mittel zu kaschieren, indem sie viel mit Licht, Farben und der geschickten Wahl von Bildausschnitten arbeiten.
Unterm Strich bleiben die Schwermetall Chronicles ein eher enttäuschendes TV-Erlebnis. Der modernen Variante von Anthologie-Reihen wie Twilight Zone oder Geschichten aus der Gruft fehlt vor allem der Charme und die Ironie, die aus den erzählerischen und technischen Unzulänglichkeiten eine spaßige Trash-Gaudi hätten machen könnten. Doch trotz des gelegentlich aufblitzenden schwarzen Humors nehmen sich die Kurzgeschichten viel zu ernst und setzen auf Pathos und blutleere Action, wo eine Prise Augenzwinkern gut getan hätte.
Wertung:
Blutleere Umsetzung der Kultcomics, in der sich selbst kurze Geschichten noch überlang anfühlen
DVD-Box | Blu-Ray-Steelbook |
Abbildungen © Universal Pictures