Schön ist er geworden, der erste Tarzan-Band des Bocola Verlags. Zehn weitere Bücher sollen demnächst folgen, so dass die legendären Jahrgänge von Hal Foster und Burne Hogarth bald in einer hochwertigen Ausgabe vorliegen. Auch heute noch sind die Tarzan-Sonntagsseiten unbedingt lesenswert, über einige Holprigkeiten im ersten Jahrgang muss man allerdings hinwegsehen.
Der Start der Reihe ist alles andere als rund: Das einzig Positive, das sich über die von Rex Maxon gestalteten Sonntagsseiten 1 bis 28 sagen lässt, ist, dass sie schön bunt sind. Es geht sofort mitten in der Handlung los, ohne Exposition oder Einführung von Figuren: Tarzan hat gerade einen Keiler erlegt und gabelt zufällig zwei Kinder auf, die völlig unmotiviert zunächst seine ständigen Begleiter sind. Was folgt, ist eine Reihe von Standardsituationen, die Maxon ohne jegliche Verve abarbeitet: Die Kinder werden von Tieren bedroht, Tarzan muss sie retten, die Kinder werden von Wilden bedroht, Tarzan muss sie retten, usw. usf. Auch Edgar Rice Burroughs, Autor der ursprünglichen Tarzan-Romane, beschwerte sich damals über die uninspirierten Skripts der Strip-Autoren und die teilweise recht statischen Zeichnungen. Diese Kritik fand Gehör: Burroughs gewann an Einfluss, was sich sehr positiv auf die Serie auswirkte. Eine weitere Verbesserung trat ein, als mit Seite 29 Hal Foster den Zeichenstift übernahm – die Serie war danach eine andere.
Dabei waren die Tarzan-Sonntagsseiten nicht Fosters erster Kontakt mit dem Material. Bereits 1929 hatte er in Tagesstrips den ersten Tarzan-Roman Tarzan of the Apes adaptiert. Auch hier zeigte Foster bereits, dass ihm spannende und atmosphärische Bilderzählungen scheinbar mühelos von der Hand gehen. Die ersten 20 Daily-Strips, in denen das Schicksal von Tarzans Eltern, Lord und Lady Greystoke, nacherzählt wird, die von Meuterern im Urwald ausgesetzt werden, ist auch heute noch unheimlich und fesselnd. In Fosters weiteren Bildstreifen von 1929 mäandert die Erzählung dann mal mehr, mal weniger spannend dahin, bis mit Strip 60 ein vorläufiger Schlusspunkt steht. Diese frühen Foster-Strips, die mit der Greystoke-Geschichte ja auch Tarzans Origin-Story nacherzählen, sind im Bocola- Band mit abgedruckt. Man misstraute wohl zu Recht dem abrupten und ungelenken Anfang der ersten Sonntagsseite von Rex Maxon.
Hal Foster, bzw. seine Skript-Autoren, schüttelten in den weiteren Sonntagsseiten von 1931 sehr schnell die ungeliebten Elemente der Maxon-Phase ab. Zunächst erzählen sie ein routiniertes Abenteuer um eine französische Garnision in Afrika. Nach diesem gelungenen Einstand wird es erzählerisch richtig interessant: Um die Weihnachtszeit 1931 wurde das Prinzip der fortlaufenden Handlung für ein paar Wochen aufgehoben zugunsten einseitiger Miniatur-Geschichten, die zu verschiedenen Zeitpunkten in Tarzans Vergangenheit spielen. Die erste Seite dieser Art erzählt in einer Rückblende vom Weihnachtsfest der Greystokes mit ihrem frisch geborenen Sohn Tarzan im Urwald. Die Folgegeseite – ebenfalls völlig losgelöst vom bisherigen Erzählzyklus – handelt vom erwachsenen Tarzan im zivilisierten England. Es ist ein Teil des ursprünglichen Tarzan-Mythos, dass der erwachsene Tarzan sich in die Zivilisation einzugliedern versucht, sich dabei aber letztlich für den Urwald entscheidet; die erste Sonntagsseite von 1932 zeigt davon einen schönen Ausschnitt. Solche Rückblenden, die im Lauf des Jahrgangs 1932 – dann durch die Handlung motiviert – noch öfter stattfinden werden, lassen diese alten Strips teilweise ungewöhnlich modern wirken. Durch diese erzählerischen Kniffe ist der Jahrgang 1932 ein früher Höhepunkt der Reihe.
Aber noch etwas anderes gab es ab 1932: Humor und einen Sinn für Ironie. Besonders deutlich wird das in der Geschichte um die junge Frau Hulvia, die im Dschungel strandet und dank ihrer Abgebrühtheit binnen kürzester Zeit von den Eingeborenen als Göttin verehrt wird. Sie ist deutlich ein Vorläufer der kratzbürstigen Frauen, mit denen es Prinz Eisenherz Jahre später zu tun haben wird. Am Anfang der Hulvia-Geschichte geht ein junger Abenteurer auf Expeditionsreise mit Tarzan, um diese geheimnisvolle Hulvia zu suchen. Sein Vater verabschiedet sich von ihm mit den Worten: „Wenn du also unbedingt dein Abenteuer willst – ich will dich nicht davon abhalten. Nur bring mir nicht so eine heidnische Göttin als Frau mit nach Hause. Was würde Mutter Barry dazu sagen!“ Natürlich vorhersehbar, wer am Ende wen mit nach Hause bringt. Foster lernte mit solchen Episoden, wie man gelungene Pointen vorbereitet – etwas was er bei Prinz Eisenherz dann zur Meisterschaft brachte.
Der Tarzan von 1932 hatte mit dem düsteren und romantischen Tarzan of the Apes – anders als noch bei bei Harold Fosters Adaption in den Dailies 1929 – nur noch den Schauplatz gemein. Vielleicht war die Welt 1932 schon zu klein geworden und der Traum vom Platz an der Sonne ausgeträumt – 1912, als Edgar Rice Burroughs‘ Tarzan zum ersten Mal erschien, hatte die Welt da noch anders ausgesehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Tarzan-Sonntagsseiten postmoderne Ironie sind – tatsächlich handelt es sich um eine der wegeisenden Stripserien aus dem Golden Age der Newspaper-Comicstrips. Damals waren die Tarzan-Comics völlig auf der Höhe ihrer Zeit, aber auch heute wirken die Geschichten – ab der Jahreswende 1931/32 – dank des Erzähltalents aller Beteiligten zeitlos modern. Und während andere Comics heute auf charmante Retro-Optik getrimmt werden, erhält man mit den Tarzan-Sonntagsseiten die authentische Vorlage.
Die kurze, aber gut recherchierte und dokumentierte Einführung von Detlev Lorenz und Uwe Baumann rundet die Ausgabe zusätzlich ab. Da kann man nur hoffen, dass nach den Sonntagsseiten in einer weiteren Reihe auch die Daily Strips noch veröffentlicht werden.
Wertung:
Gelungene Präsentation der klassischen Tarzan-Sonntagsseiten, die ab dem zweiten Jahrgang mit verblüffender Zeitlosigkeit beeindruckt.
Edgar Rice Burroughs’ Tarzan – Sonntagsseiten Band 1 – 1931/32
Bocola Verlag, November 2012
Text und Zeichnungen: Rex Maxon, Hal Foster
Übersetzung: Barbara Propach
144 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 29,90 Euro
ISBN: 978-3-939625-61-2
Leseprobe (PDF)
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Bocola Verlag