Aus dem Blätterwald tönen die Stimmen und warnen vor den Gefahren der digitalen Welt. Es heißt, die sozialen Netzwerke seien gar nicht so sozial und hätten es nur auf unsere Daten abgesehen. Während die digital Zugezogenen aus dem Feuilleton erst allmählich damit beginnen, sich über das Internet Gedanken zu machen, ist die Fiktion schon mehrere Schritte weiter. In dem Anime Summer Wars (2009) von Mamoru Hosoda drängt die virtuelle Welt OZ ihre Schwester, die reale Welt, bis an den Abgrund. Carlsen hat die dreibändige Manga-Adaption des japanischen Erfolgsanime auf den deutschen Markt gebracht.
In traditioneller Leserichtung wird die Geschichte des Oberschülers und Mathe-Genies Kenji Koiso erzählt. Der technophile Stereotyp kennt sich zwar gut mit Computern und Zahlen aus, aber mit der großen Liebe hapert es noch. In eben jenem beschriebenen Sommer wählt ihn seine heimliche Liebe Natsuki zu ihrem Verliebten. Natürlich hat sie eine Agenda; sie will damit ihre alternde Großmutter und den dazugehörigen Familienclan glücklich machen. An dieser Stelle könnte der Anime belanglos in die Annalen der peinlichen Momente zwischen den Geschlechtern eingehen. Gäbe es da nicht OZ.
Anime und Manga führen nicht nur auf den japanischen Inselstaat, sondern eben auch in eine virtuelle Welt, die dem heutigen Internet gar nicht mehr so unähnlich ist. Eine Welt, die all unsere Geheimnisse kennt, eine Welt, die unsere Stromversorgung und unseren öffentlichen Dienst lenkt. OZ vereint all dies in sich und seine Nutzer geben ihre Mündigkeit gerne am Eingang ab. Erst als ein Virus Besitz von OZ ergreift, kommen Zweifel ob des digitalen Angebots auf. Es ist obliegt Kenji, sich dem Virus zu stellen, Natuskis Herz zu gewinnen und ganz nebenbei die Welt zu retten.
Während der Anime die virtuelle mit der realen Welt liebevoll kontrastiert, gelingt dies in der gedruckten Adaption nicht. Die Welt OZ lebt gerade durch ihre animierte Tiefenschärfe, ihre unterschiedlich verpixelten Avatare und durch eine poppig-bunte Farbwelt, die dem legendären Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band-Cover der Beatles das Wasser reichen kann. Während dort rosa und blaue Wale die Sicherheitssysteme symbolisieren, versucht man im schwarz-weißen Manga erst gar nicht ein grafisches Pendant zu erzeugen. Eine wirklich durchdachte Verarbeitung des Stoffes durch Panel-Layout oder andere innovative Ideen in der Darstellung bleibt aus.
Punkten könnte die Umsetzung bei der Darstellung von Natsukis Großfamile, die dem Internet als vernetzte Gemeinschaft gegenübergestellt wird. Beim Familiendinner und in Gesprächen in der Küche wird im Film das Zwischenmenschliche durch Dialoge und Wortwitz hervorgehoben. Was erst als chaotisches Durcheinander präsentiert wird, verwandelt sich in der Not zu einem alternativen Netzwerk, das der digitalen Welt noch immer die Stirn bieten kann. Im ersten Band des Manga ist hiervon jedoch nicht viel zu erkennen. Obwohl die Geschichte grafisch äußerst sauber umgesetzt wurde, überzeugt der Manga auf der Handlungsebene nicht. Ein bisschen Slapstick, ein paar schnelle Wechsel der Settingsm unterlegt mit der koordinierenden Stimme der Großmutter; so konkurrieren die beiden Welten im Manga nur durch ihre Leblosigkeit.
Wertung:
Eine Adaption, die zwar der Geschichte treu bleibt, aber nicht die Lust des Originals versprüht.
Summer Wars 1
Carlsen Manga, Dezember 2011
Text: Mamoru Hosoda/Iqura Sugimoto
Zeichnungen: Yoshikyuki Sadamoto
192 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 6,95 Euro
ISBN: 9783551762962
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Carlsen Comics