Welt am Draht

52 mal berührt: Demon Knights #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 23 von 52: DEMON KNIGHTS #1 von Paul Cornell und Diógenes Neves.

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MARC-OLIVER: Hier wird vor allem deutlich, wie schizophren der US-Markt inzwischen ist. Einerseits versucht man bei DC auf Teufel komm raus, den Preis eines Einzelhefts bei 2,99 US-Dollar zu halten, und kürzt deswegen sogar den Inhalt um zehn Prozent auf 20 Seiten. Andererseits tut hier selbst ein gestandener Autor wie Paul Cornell so, als hätte er allen Platz der Welt, und haut dem Leser in Demon Knights #1 erst mal zehn Seiten – zur Erinnerung: das halbe Heft – Vorgeplänkel um die Ohren, bevor er sich ohne Hast an seine eigentliche Geschichte rantastet. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass 13 Seiten der Ausgabe aus maximal drei Panels bestehen (inklusive drei Splash-Seiten, die sich auf ein einziges Motiv beschränken), möchte man ihn fragen, ob er vielleicht den Schuss nicht gehört hat.

Zeichner Diógenes Neves macht zwar einen ordentlichen Job und nutzt seine Freiräume für ein paar nette Motive, aber er ist halt auch keiner, der allein aufgrund seines Stils für offene Mäuler sorgt. Das Problem ist nicht, dass hier zu wenig Plot vermittelt würde. Plot ist schließlich auch nur ein Mittel zum Zweck. Das Problem ist, dass die erzählte Geschichte und die erzählerischen Mittel nicht zusammenpassen. Die erste Hälfte dieses Comics ist nichts weiter als dramaturgisches Gepäck: Camelot fällt, Merlin „entschärft“ den Dämon Etrigan, eine böse Horde reitet durchs Land. Mag sein, dass dieses Gepäck später einmal relevant wird, aber als Einstieg ist es ungefähr so spannend wie die ostfriesischen Urlaubsbilder von Tante Annelies.

Wenn man die Hauptfiguren – ab Seite 11 – erst einmal trifft, deuten sich auch gleich ein paar interessante Verwicklungen an. Aber wer genau diese Leute sind oder was sie wollen, das erfährt man dann auch nicht mehr – Platzmangel, vermutlich, denn es sind ja mindestens fünf Protagonisten. Und so kann die Geschichte nie richtig Fahrt aufnehmen. Über diese Schludrigkeit liest man nächstes Jahr im Sammelband vielleicht hinweg, aber als erstes Heft einer Serie ist es ein Fehlschlag.

ZOOM-FAKTOR: 4 von 10!


 

BJÖRN: Ich stimme dir im Hinblick auf die erste Hälfte des Hefts völlig zu, das hätte Paul Cornell in zwei oder drei Seiten ohne Platznot unterbringen können. Gleichzeitig finde ich es interessant, dass Cornell in seinem zweiten Team book die genaue Gegenrichtung zu Stormwatch einschlägt und bisher keine Figur wirklich vorstellt. Empfand ich aber nicht als allzu störend, weil ich den zweiten Teil des Heftes für unterhaltsam genug hielt: Wir haben Schurken, die ganze Schlösser auf Dinosaurierrücken rumschleppen lassen, ein (vermutlich bewusst gewähltes) typisches Rollenspiel-Setting von „ihr alle trefft euch in einer Taverne“ und am Ende haben wir Velociraptoren mit Dolchen in den Händen, die sich mit unseren Helden prügeln werden. Die Verbindung von Superheldengeschichte und Fantasysetting funktioniert, die momentane Welle der komplett spaßfreien Dark Fantasy wird geschickt umschifft und die Figuren zwar nicht explizit charakterisiert, aber jede einzelne Figur hat einen definierenden Moment, der ihre Grundattitüde zeigt. (Vandal Savage rennt die Tür mit dem Kopf ein, Madame Xanadu legt sich mit der Dame des Sees an, Shining Knight ist sehr von sich selbst eingenommen, etc.) Das reicht für mich als Start der Serie und ist meilenweit besser als die vollgerümpelten Pseudo-Dialoge in Stormwatch.

Die Dreiecksbeziehung zwischen dem Dämonen Etrigan, Madame Xanadu und Etrigans menschlichem Wirt Jason Blood ist als Idee sogar richtig Klasse, und die Zeichnungen von Neves treiben das alles ordentlich voran und lassen es dabei ziemlich schick aussehen. Für einen Action-Fantasy-Comic genau der richtige Stil. Wenn Etrigan jetzt noch reimen würde, dann wäre ich wirklich glücklich. Aber auch so war das eine erste Ausgabe, die mich als Leser nicht verjagt hat.

ZOOM-FAKTOR: 7 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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