Welt am Draht

52 mal berührt: Green Lantern #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 15 von 52: GREEN LANTERN #1 von Geoff Johns und Doug Mahnke.

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altBJÖRN: Sinestro sagt sich vom Green Lantern Corps los. Er übernimmt seinen Heimatplaneten und stellt seine eigene Armee auf. Hal Jordan verliert seinen Job bei Ferris Enterprises, weil er zuviele Unfälle baut. Aus demselben Grund muss er seinen Ring abgeben und ist nun keine Green Lantern mehr.

Dieses und mehr erleben Sie in Green Lantern nicht! Geoff Johns erzählt seinen Lesern zwar davon, aber es zeigen? Ja, wozu denn auch? Es ist beeindruckend, wie es Geoff Johns schafft, ein ganzes Jahr an Storylines irgendwo in den Dialogen unterzubringen, statt uns irgendwas davon zu zeigen. Für eine erste Ausgabe, die neue Leser binden soll, ist das hier ein völlig hirnverbranntes Konzept: jede Menge Ereignisse erwähnen, die vor der ersten Ausgabe passiert sind, aber nicht eines der Kernkonzepte einführen: Was tut das Green Lantern Corps genau? Warum tut das Corps, was es tut? Wer sind die Guardians of the Universe? Nach welchem Prinzip funktionieren die Ringe? Wie suchen sie sich ihre Träger aus? Wer sind die Black Lanterns? Sowas wäre vielleicht ganz spannend zu erfahren, wenn man der Story folgen möchte, aber Johns hält sich damit nicht auf. Es werden doch wohl alle den Film gesehen oder Blackest Night gelesen haben.

All das sorgt auch dafür, dass nichts in dieser Ausgabe emotionale Wirkung hat: Ein Ring hat Sinestro ausgewählt. Ähm, den Kerl, den wir bis dahin auf ganzen vier Seiten gesehen haben, auf denen er seinen Grünleuchteneid aufsagt? Sollen wir jetzt schockiert sein? Oder sollte es uns interessieren, dass die anderen Guardians Ganthet attackieren, nur weil er der einzige Guardian in diesem Heft ist, der einen Namen hat? Wenn solche Dinge mich als Leser berühren sollen, dann muss ich zumindest wissen, wer die Figuren sind oder einen Grund bekommen, warum ich etwas empfinden soll. Mir einfach nur zu erzählen, dass Sinestro böse ist, reicht da nicht aus. Dass in Ausgabe 1 der Ring nur benutzt wird, um eine Garotte zu projizieren, ist auch eine völlige Konzeptvergeudung. Ihr habt einen Ring, mit dem der Träger alles machen kann und wir sehen nur, wie eine Garotte damit erdacht wird? Geht es noch etwas dröger, Geoff Johns?

Green Lantern kann keine Ausgabe 1 sein, sondern das hier ist eindeutig eine falsch nummerierte Ausgabe 14, ein Zwischenheft zwischen zwei story arcs. Denn diese Ausgabe erklärt nichts, führt nichts ein, baut nichts auf … und aus dem Grund ist mir auch der Cliffhanger am Ende völlig egal. Ohnehin kein guter Comic, ist Green Lantern als erstes Heft einer neuen Serie eine totale Katastrophe.

ZOOM-FAKTOR: 1 von 10!


MARC-OLIVER: Was habe ich verbrochen, dass ich in die Lage gebracht werde, dieses Heft verteidigen zu müssen? Das war so nicht abgesprochen, Freunde der Südsee.

Ich bin auch nicht unbedingt Experte in Sachen Green Lantern, aber das Gefühl, etwas nicht zu verstehen, hatte ich hier nicht. Im Green Lantern Corps sind halt die Guten. Sinestro ist halt ein Abtrünniger, der jetzt irgendwie wieder mit im Geschäft ist. Und Hal Jordan hat’s halt verkackt und versucht jetzt, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Klar, über die ganzen Hintergründe bleibt man im Dunkeln, aber das ist ja auch gewollt.

In Sachen „Informationspolitik“ macht es Johns hier richtig, streut kleine aber vielsagende Häppchen und fängt ansonsten unten auf dem Boden an, bei den Figuren. Erst, wenn die mich interessieren, wird nämlich das ganze Drumrum relevant. Hier gleich alles über dem arglosen Leser auszukippen, wäre das Verkehrteste gewesen, was man hätte machen können. Und dass man erstmal die Rollen von Hal Jordan und Erzfeind Sinestro vertauscht, finde ich auch einen cleveren Schachzug, denn so kann man zeigen, was die Figuren ausmacht und gleichzeitig direkt in die Geschichte einsteigen. Vom Ansatz her finde ich das Heft gelungen. Allerdings hast Du Recht, dass es Johns an einigen entscheidenden Stellen verpasst, soviel Information zu liefern, dass die Handlung überhaupt etwas für den Leser bedeutet. Das ist, wie Du sagst, ein ziemlich großes Problem.

Ein weiteres Problem ist wieder das gleiche wie bei Justice League: Es ist eine fade Geschichte ohne Akzente. Hal Jordan ist als Figur doch gar nicht so schlecht. Ein Draufgänger, ein kompletter Bauchmensch, der ohne zu zögern instinktiv handelt und sein Herz am rechten Fleck hat – damit kann man als Autor was anfangen. Macht Johns ja auch, etwa in der Szene, als Jordan aus dem Fenster springt. Da fand ich den Comic für einen kurzen Moment interessant. Aber alles andere liest sich leider, als hätte Johns an den Autopiloten übergeben, um mal kurz ein Nickerchen zu machen, während der Comic sich selber schreibt. Der Gag beim Abendessen mit Carol hat schon einen Bart, aber Johns lässt ihn seine Figuren so intensiv auskosten, als hätte er sich ihn eben erst ausgedacht, ohne auch nur eine überraschende Variante reinzubringen. Das ist schon fast peinlich.

Auch Doug Mahnkes Zeichnungen waren schon mal besser. Vielleicht passt er sich auch nur an, aber im Gegensatz zu seinen früheren Sachen, die teils wunderbar stimmungsvoll und variabel sind, wirkt das hier stilistisch wie eine kompetente aber streckenweise erschreckend hölzerne Mischung aus Gil Kane und George Pérez. Wie man eine Seite aufbaut und die Geschichte von Panel zu Panel erzählt, weiß er zum Glück noch.

Das Green-Lantern-Konzept an sich kommt mir hier immer noch wie eine Art Glücksbärchis mit FSK-Freigabe ab 16 vor. Grüne Leuchten, gelbe Leuchten, etc. trallalla – das ist in erster Linie albern und passt mit dem verbissen ernsten Unterton und den brutalen Szenen (ich sage nur: Garrotte!) etwa so gut zusammen wie Saumagen und Nesquik. Diese groteske Mischung aus Grundschulniveau und übertriebener, blutrünstiger Gewalt ist typisch für Johns, aber er schafft’s auch hier nicht, mich davon zu überzeugen, dass sie sonst noch was ist außer auf eine unangenehme Art seltsam.

In Sachen Zugänglichkeit würde ich der Serie also kein ganz so vernichtendes Zeugnis ausstellen. Das Heft krankt eher daran, dass Johns entweder routiniert sein 08/15-Programm abspult oder an seine Grenzen als Autor stößt. Aber ja: vollkommen verzichtbar, das Ganze. (Neben der Garrotte gibt’s übrigens auch noch eine schwere Handschellenkonstruktion und ein Supermega-Fernrohr, der Vollständigkeit halber.)

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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