Welt am Draht

52 mal berührt: Batwing #1

 DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 3 von 52: BATWING #1 von Judd Winick und Ben Oliver.

batwing

altBJÖRN: Der Comic, bei dem ich im Vorfeld die größten Sorgen hatte. „Batman of Africa“ klang nach ungefilterten Afrika-Klischees, aber die vermeidet Winick weitgehend und belehrt wird zum Glück auch eher selten (bis auf eine Passage darüber, warum Polizisten in dieser Stadt korrupt werden). Trotzdem tauchen immer wieder „Wir Afrikaner“- oder „Wir in Afrika“-Momente auf, die den ganzen Kontinent dann doch zu einem homogenen Block machen, der er nicht ist.

Abgesehen davon bewegt Winick sich sicher im Setting in der Demokratischen Republik Kongo, ohne in Fettnäpfchen zu treten und deutet an, dass das Konzept „Superhelden in Zentralafrika“ interessante Einblicke erlaubt. Warum sollte ein Schurke einen Kerl im Fledermauskostüm fürchten, wenn sein Land in naher Vergangenheit zwei Bürgerkriege und die Auswirkungen des Genozids in Ruanda erlebt hat. Wobei der Nebensatz, dass ein paar inzwischen verschwundene Superhelden die Revolution in der DRC beendeten und das Land befreiten, schon wieder problematisch wirkt und potenziell die noch immer bestehende Problematik imperialistischer Grenzziehung außen vor lässt. Will sagen: Die Möglichkeit hier die Idee des Superhelden im Rahmen eines anderen Kultur- und Gesellschaftskreises neu zu beleuchten, ist gegeben. Aber auch das Potenzial, sich in den folgenden Ausgaben kulturell ganz böse ins eigene Knie zu schießen. Winick wird sich hier wohl in jeder Ausgabe durch ein Minenfeld maneuvrieren.

Der Umstand, dass Batwing nicht nur als Superheld das Böse bekämpft, sondern versucht, die Polizei in seiner Heimatstadt von Korruption zu befreien und zu einer wirklich stabilisierenden Kraft zu machen, interessiert mich auch sehr. Sollte das Ende dieser Ausgabe auch das Ende dieses Handlungsstranges sein, so fände ich das ungemein bedauerlich. Da würden Möglichkeiten verschenkt.

Jenseits all dessen ist Batwing ein grundsolider Superheldencomic, mit etwas überzogenen Dialogen und Monologen, Superschurken-Dutzendware (Massacre mit der Totenkopf-Maske) und einem „gemalten“ Stil, der das Heft aus der Mehrheit der anderen Neuerscheinungen heraushebt und den Comic wirklich anders und wie etwas ganz Eigenes wirken lässt. Das kann immer noch böse nach hinten losgehen, aber ich bin derzeit interessiert zu sehen, in welche Richtung Judd Winick diese Kiste fährt.

ZOOM-FAKTOR: 6 von 10!


MARC-OLIVER: Grundsolide? Oha. Zunächst mal hast du Recht: Batwing ist bei weitem nicht die Katastrophe, die es hätte werden können. Winick hat sich zwar den genauen Ort des Geschehens (die Stadt „Tinasha“) auch nur ausgedacht, umschifft aber zumindest die meisten Fettnäpfchen, und am Ende wartet er noch mit einem ganz netten Kniff auf, den ich – vorausgesetzt, ich interpretiere ihn richtig – so nicht habe kommen sehen.

Damit sind meine positiven Eindrücke aber auch schon erschöpft. Die Zeichnungen von Ben Oliver mochte ich mal, aber er verzichtet hier leider komplett auf Hintergründe, was in Kombination mit den seltsamen Lava-Texturen von Kolorist Brian Reber ein vollkommen statisches und antiseptisches Bild ergibt. Alles in diesem Comic, inklusive der Figuren, kommt mit einer Art metallischem Schimmer daher, der den Zeichnungen jegliche Dynamik raubt und eine leblose und leere Chromwelt abbildet. Den Zeichnungen nach zu urteilen, könnte das Ding auch in einer Lagerhalle in New Jersey spielen.

Das gleiche gilt für Winicks Manuskript. Batman gammelt unmotiviert im Hintergrund rum und wird als Stichwortgeber für Batwing missbraucht, weil Winick offenbar keinen Bock hatte, ordentliche Szenen zu konstruieren. „Was machst du als nächstes?“ – „Und seine Akte?“ – „Was hast du gefunden?“ Irgendwann verschwindet er dann kommentarlos, ohne was zur Handlung beigetragen zu haben. Plumper geht’s nicht. Die Figuren liefern zwar jede Menge Lippenbekenntnisse zu Korruption, Mythen, Hastenichtgesehen und kommen mit blumig-exotischen Namen wie „Blood Tiger“ oder „Earth Strike“ daher, aber leider vergisst Winick dabei, sie mit Alleinstellungsmerkmalen auszustatten. Authentizität gleich null. Ich nehme den Machern hier keine einzige Figur ab, und ich nehme dem Comic auch keine Sekunde ab, dass die Geschichte in einer afrikanischen Stadt spielt – oder sonst irgendwo.

ZOOM-FAKTOR: 1 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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