Rezensionen

The Darkness 1 (US)

Cover von The Darkness 1 (neue Neue Serie)Es gab mal eine Zeit in den Neunzigern, da spielte Image Comics und besonders sein Unterlabel Top Cow richtig gut mit im Comicgeschäft. Zugpferde waren Witchblade von Fanliebling Michael Turner und der männliche Gegenpart zu Sarah Pezzinis ausladenden Kurven, The Darkness in Form des Mafiakillers Jackie Estacado. Diese beiden Serien spielten im selben Comicuniversum, hatten einige Crossover und waren das blühende Leben. Nun denn, alles hat mal ein Ende, und während sich Witchblade noch einigermaßen hielt (die meisten Comicleser sind halt Männer), ging es immer weiter bergab mit Jackie. Ich bin sicher nicht die Einzige, die The Darkness schon des öfteren eingestellt gesehen hat, aber Totgesagte leben nun mal länger. Und das mitunter gar nicht so schlecht.

Ich gebe zu: unbefangen bin ich nicht. The Darkness war eine meiner ersten Comicserien und beinhaltete zudem mal nicht das damals übliche Zeug, so viel dralle Weibsbilder wie möglich einzusetzen. Jackie war ein Antiheld, politisch eigentlich immer unkorekt, und viel Tiefsinn hatten die Mafiageschichten rund um den Träger der Finsternis (eine Macht, die Jackie an seinem 21. Geburtstag erhielt und mit der er im Dunklen alles formen kann, was er will) nicht wirklich. Aber irgendwie mochte ich ihn, wie er, einer seiner wenigen Gefühlsregungen folgend, innerlich seiner Jugendliebe hinterstolperte und sie dann durch seinen Onkel Franchetti verlor, dem Paten des Mafia-Clans und so etwas wie sein Stiefvater.

Nun, ich werde hier jetzt nicht die ganze Vorgeschichte runterrattern. Es gab Höhen und Tiefen in der Serie. Als die Schreiberlinge auf einmal Jackie ein schlechtes Gewissen verpassten und ihn von jetzt auf gleich zu einem – für seine Verhältnisse – Gutmenschen machten, gehörte das wohl eher zu Letzterem und ließ die Fanboys aufheulen, die Serie stieg ab. Und Jackie starb. Und tauchte wieder auf: in der „neuen Serie“ (so genannt bei Infinity, dem Verlag für die deutschsprachigen Ausgaben), die wieder mit der Nr. 1 losging und in der Jackie den Franchetti-Clan anführte. Das fühlte sich im Lauf der Zeit aber alles recht halbherzig an, die Teams wurden schnell durchgewechselt, die Geschichten waren zum Teil abstrus und nie wirklich mein Ding. Die für Profiverhältnisse mitunter grottenschlechten Zeichner fabrizierten Seiten, die wie bessere Fanarts aussahen und man hatte das Gefühl, dass niemand mehr wirklich an die Serie glaubte. Ein Ende schien vorprogrammiert.

Und dann, oh Wunder, interessierte man sich für The Darkness, um es als Videospiel umzusetzen. Und das war wohl gar nicht so schlecht. Das Interesse stieg letztes Jahr wieder an, es wurden ein paar Comics zum Spiel produziert und in einem extra TPB veröffentlicht (in Bezug zum Spiel wurden sie mit Level 0 bis 5 betitelt, haben aber nicht viel mit der Comicserie zu tun), und man scheint nun wieder Potenzial in den Comic zu sehen und päppelt ihn dementsprechend wieder hoch. Mich freut's.

Beispielseite aus The First Born In der dreiteiligen, geschniegelt und gebügelten Miniserie The First Born, die in den USA im Sommer/Herbst 2007 erschien und in der nochmal alles aufeinandertrifft, was im Top-Cow-Universum Rang und Namen hat (The Darkness, Sarah Pezzini, die neue Trägerin der Witchblade Dani, Magdalena, Angelus und ihre ganzen Himmelsscharen etc. pp.) wird von Autor Ron Marz (u.a. Sojourn) der Grundstein gelegt für Neuanfänge bei Witchblade und The Darkness. Und da tut sich so einiges. Die Story ist reichlich krude und neigt mitunter sogar zum Kitsch, reinigt aber auch vom Mief des Vergangenen und macht Platz für Neues. Die Zeichnungen von Stjepan Sejic mit ihrem Mix aus extremer Detailtreue und grobem Drübergepinsel sind als Splashpages faszinierend, an manchen Stellen im Comic aber über's Ziel hinausgeschossen. Hier wäre weniger mehr gewesen; nichtsdestotrotz ein Augenschmaus.

Seite aus The Darkness 1 Nun aber endlich zum eigentlich vorgestellten Comic, der von Phil Hester (u.a. Zeichner von Green Arrow mit Kevin Smith als Autor) geschrieben wird: Jackie hält am Ende von The First Born nichts mehr in New York und er macht sich auf in Richtung Mittel-/Südamerika, nach „Sierra Munoz“, um dort ein neues Leben zu beginnen. Wie sich auf den einführenden Seiten herausstellt, hat er den vorherigen (mutmaßlichen) Drogenbaron und Landesvater entsorgt und sich dort breit gemacht. Dabei versucht er, sich bei dem Volk beliebt zu machen, was ihm wohl auch ganz gut gelingt. Ein Anschlag auf sein Leben lässt ihn aber nichts Gutes ahnen (wobei von ihm Typen gekillt und Frauen laufen gelassen werden …?), und auch seine neuen Geschäfte, die Produktion von Drogen auf ganz neuen Wegen, laufen noch nicht so recht an. Schlussendlich gibt es noch einen Cliffhanger, der vielleicht ein altes Problem von Jackie endlich lösen kann …

Alles in allem lässt sich die neue neue Serie für Fans ganz gut an. Die Zeichnungen von Michael Broussard sind (Alt-)Image-typisch – die Damen erinnern mitunter an Michael Turner – und eine Erholung von der schlechten Qualität am Ende der zweiten „Staffel“. Jackie sieht endlich wieder so aus, wie er für Fangirls aussehen sollte, nur hat er jetzt einen Bart. Aufatmend nimmt der Leser zur Kenntnis, dass storytechnisch keine Angelus oder sonstiger kruder Schnickschnack auftaucht. Und es gibt keine abstrusen Träume. Eine Wohltat für geplagte Fans: Das hier scheint eine geradlinige Geschichte zu werden. Vielleicht nicht mit besonders viel Tiefgang, aber auch nicht mit irgendwelchem ausuferndem Geschwafel, einem hilflosen Protagonisten oder himmlischen Heerscharen. Ebenfalls interessant: Jackie scheint diesmal völlige Kontrolle über die Finsternis zu besitzen – der Kontrollverlust war ja eines der Themen der zweiten Staffel. Man kann nur noch hoffen, dass Phil Hester & Co Jackie wieder ein wenig zum Ursprung zurückführen und ihn etwas kantiger umsetzen, so wie er von Marc Silvestri, Garth Ennis und David Wohl erschaffen wurde. Dann sollte eigentlich nichts schief gehen. Ob sich dies schon darin manifestiert, dass Shit und Fuck nicht mehr so lustig zens1*@t werden wie früher – wer weiß.

Übrigens gibt es einen „First Look“ für 99 US-Cent. Das Heft lohnt sich aber nur, wenn man sich nicht sowieso die erste Normal-Ausgabe kaufen möchte, denn im First Look sind einfach nur die ersten acht Seiten abgedruckt.

The Darkness VOL 3 #1 (US)
Top Cow, Dezember 2007
Autor: Phil Hester
Zeichner: Michael Broussard
32 Seiten, farbig, Softcover; 2,99 USD

Produktseite bei Top Cow

Videotrailer zur neuen Serie mit Links zu einem sehr interessanten Interview mit den Darkness-Autoren Paul Jenkins, Phil Hester and Ron Marz zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Serie (bei CBR, englisch)

Kein schlechter Start