Der Kri-Ticker

Der Kri-Ticker #66

 Kurz vor Weihnachten haben wir nochmal etliche Kurzrezensionen zusammengestellt. Und weil es schon seit vielen Wochen keine neue Folge des Kri-Tickers gab, bekommt ihr diesmal gleich 17 (!) Besprechungen zu lesen, wie gewohnt querbeet durch alle Genres, Stilrichtungen und Herkunftsländer.

Diesmal mit dabei: Robur, Der Heckenritter, Der Leuchtturm, Der Verlag, 5 Songs, Lenas Reise, Fables 4, B.U.A.P. 3, Hieronymus B., Einzelgänger, The Boys 1, Torpedo 3, Lin_c 3, Die Gilde 1, The Hills Have Eyes – Der Anfang, Jungle Town und The Red Star 2.

Besprochen von Christopher Bünte (cb), Benjamin Vogt (bv), Daniel Wüllner (dw) und Thomas Kögel (tk).

ROBUR 1
 Edition 52
Im Jahr 1931 befindet sich die Erde unter der Herrschaft der Seleniten, einer außerirdischen Metall-Spezies, und deren menschlichen Kollaborateuren. Der Widerstand formiert sich unter waghalsigen Piloten und den an vorderster Stelle stehenden Helden. Als aber Robur, die Galionsfigur des Widerstandes, scheinbar im Kampf fällt, scheint es kaum noch Hoffnung zu geben. Doch, man mag es ahnen, Robur, als der trickreiche Verwandlungskünstler der er ist, hält mit einer brisanten Disk nach seiner Auferstehung noch ein As im Ärmel.
Robur ist eine auf drei Bände angelegte Science-Fiction-Serie, die eine ungewöhnliche Mischung aus Futurismus- und Retro-Story bietet. So pendelt der Comic auch optisch stets zwischen charmanter Atmosphäre der 30er Jahre und überberstenden Kampfszenen mit den technologisch hoch entwickelten Invasoren. Am Himmel kreisen Doppeldecker und Zeppeline neben furchteinflößenden Raumschiffen, und das auf einer Erde, die den ersten Ausflug auf den Mond bereits Ende des 19. Jahrhunderts erlebte und deren geschichtlicher Verlauf nach dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand 1914 komplett anders verlief als in unserer Realität. Das parallele Universum von Randy und Jean-Marc Lofficier besitzt einen nachvollziehbaren und interessanten Hintergrund, vor dem Robur sich als Protagonist gegen eine imperiale Übermacht feurige Schlachten liefert. Das ist wenig mehr als pure Action, aber einfach überzeugend, insbesondere im historisch realen Kontext, dargereicht und zeichnerisch im großen Stile dargestellt von Gil Formosa. bv

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DER HECKENRITTER
 Panini Comics
Einen Comic zu etwas Geschriebenem von George R. R. Martin zu machen, dürfte für die meisten Fantasy-Fans einen ähnlichen Stellenwert besitzen, als würde jemand etwas von J. R. R. Tolkien verfilmen. (Nur als Beispiel jetzt…) Eine Sache äußerster Heiligkeit! Mit Der Heckenritter wird nämlich nicht auf irgendeinen Fließband-Schreiberling zurückgegriffen, sondern auf George A Game of Thrones Martin! Ganz folgerichtig erscheint der Name des Autors auf dem Panini-Cover auch in größerer Schrift als der Titel. Mitgearbeitet haben aber auch noch andere, zum Beispiel der Szenarist Ben Avery und der Zeichner Mike S. Miller (Lullaby, Superman).
In sechs Heften stellt er die Geschichte des fahrenden Ritters Duncan dar, der in die Fußstapfen seines verstorbenen Meisters treten und an einem großen Turnier teilnehmen will. Natürlich läuft dabei nicht alles glatt. Vom Beschaffen einer Rüstung über das Techtelmechtel mit einer Puppenspielerin bis hin zu einem blutigen Gottesurteil wird mit viel Ruhe und Liebe zum Detail ein Spannungsbogen aufgebaut. Dieser ist in sich sehr stimmig und solide, leidet aber unter zwei Dingen. Erstens wird der Leser von der großen Anzahl der Figuren überfordert. Viele verschiedene Charaktere agieren mit verschiedenen Motiven auf viel zu engem Raum. Was einerseits dazu dient, die Fiktion einer komplexen Ritter-Gesellschaft zu erzeugen, sorgt andererseits für Verwirrung. Zweiter Kritikpunkt: Das Ende ist unspektakulär.
Wer auf Fantasy-Comics steht, greift mit Der Heckenritter sicherlich nicht daneben. Die realistischen Figurenzeichnungen machen dem Auge Spaß, ohne anstrengend zu sein. Ein Höhenflug ist aber nicht drin. cb

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DER LEUCHTTURM
 Carlsen Comics
Ein ambitionierter Ingenieur wird 1911 in ein Küstendorf in die Bretagne geschickt. Er soll mithilfe der dortigen Arbeiterschaft einen Leuchtturm bauen. Das Problem dabei ist nur, dass die Wetterumstände sowie die schwankende Finanzierbarkeit die Pläne des Ingenieurs regelmäßig erschweren.
Eindrucksvoll gelingt es Bruno Le Floc’h, selbst aus der bretonischen Gegend stammend, die Atmosphäre des Küstenstädtchens, die Anziehungskraft des Meeres darzustellen. Mit deutlichen Anleihen an der zeichnerischen Präsenz eines Hugo Pratt, setzt der Franzose kräftige Farben wirkungsvoll ein und akzentuiert damit gelungen seine gröberen Striche. Seine Hauptfigur, den Ingenieur, stellt Le Floc’h als einen Mann dar, der sich zwischen der Erfüllung seiner Arbeit und den Ansprüchen an ihn immer mehr aufreibt bzw. sich sogar in wirkliche Schwierigkeiten manövriert. Die herbe Gangart, die er zu den Küstenbewohnern pflegt, steht im bewussten Gegensatz zu den äußerst formal gehaltenen, immer wieder auftauchenden Briefen und Notizen, die er ans Ministerium in Paris richtet. Und gerade dann, als der voranschreitende Leuchtturmbau immer weiter mit der Person des Ingenieurs zusammenhängt, löst sich die ruhige Erzählung um eine persönliche Lebensgeschichte auf und die ausgerufene allgemeine Mobilmachung (kurz vor dem 1. Weltkrieg) lässt Panik ausbrechen und die Geschehnisse um den Leuchtturm in den Hintergrund treten. Eine clevere, mehrschichtige Comicerzählung aus interessanten menschlichen Perspektiven. bv

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DER VERLAG
 Ehapa Comic Collection
Ob Volksbibel mit Centerfold, ein Pro-Walfang-Buch oder ein Buch, das Waffenbesitz für Kinder fordert, dieser Verlag publiziert einfach alles, solange die Fakten schönzureden sind und die Gewinne maximiert werden können. Roland Jungbluth persifliert ohne Hemmungen das, was sich viele Leute schon immer fragten: Was genau tut sich eigentlich hinter den Türen eines erfolgreichen Verlages? Erstaunlich ist tatsächlich, dass die Art und Weise, wie Jungbluth die Arbeit der Redakteure z.B. in den Sitzungen darstellt, der Realität sehr nahe kommt. Einzig die Inhalte sind natürlich völlig überspitzt, so verwundert es auch nicht, dass sein Verlag moralisch ganz und gar vorsätzlich entgegen dem guten Geschmack handelt, und das obwohl die L.M.A.A. als Kontrollinstanz für Anstand und Gerechtigkeit fungiert. Und warum der Chef des Verlags ein Hund ist, während alle anderen Personen menschlich sind? Auch das erklärt sich im Comicband von selbst, nämlich dann, wenn sich die Angestellten diese Frage selbst verwundert stellen. Die Antwort ist simpel, denn, so heißt es, einem Hund könne man nie lange böse sein, weshalb man sich diesen psychologischen Effekt auch u.a. bei Konferenzen zunutze macht, bei denen der Chef unbequeme Themen anspricht.
Die meisten der One-Pager des Künstlers sind genau nach jenem schrägen Humor gestrickt und reizen fast immer zum herzhaften Lachen. Ich war positiv überrascht und kann diesen Comic nur empfehlen. bv

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5 SONGS
 Avant-Verlag
Vier Freunde in einer kleinen italienischen Stadt verbindet vor allem eines: die Liebe zur Musik. Während der Proben ihrer Band in dem neu erworbenen Übungsraum träumen sie von der großen Karriere. Aber vor allem geht es darum, aus dem ärmlichen, lethargischen Leben in der Provinz auszubrechen. Alle vier haben typische Teenagerprobleme: Unverständnis seitens der Eltern, erste Erfahrungen mit Mädchen, die eigene Identifikation.
Jugendliche Tristesse, aber auch die Freundschaft, sind genauso wiederkehrende Themen von Gipi wie die Darstellung eines kleinbürgerlichen Italiens. Bereits in den Alben Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte und Die Unschuldigen setzt er auf ähnliche Szenarien. 5 Songs verlieh er allerdings nicht ganz diese Tiefe, trotzdem sind der Aufbau der Geschichte, die Sprünge in der Handlung, die gezielte Verlangsamung als narratives Stilmittel, sowie die in „Song 1“ bis „Song 5“ benannten Kapitel, atmosphärisch so gut gelungen, dass man sich sehr gut unterhalten fühlt. Erdige Aquarellfarben unterlegen die kantigen, sperrigen Striche. Ein mehrstufiger Zeichenstil, den man von Gipi bereits gewohnt ist und der sich sehr gut mit Elementen, die von ihm bevorzugt thematisiert werden, zu einem wunderbaren Comic verbindet. bv

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LENAS REISE
 Carlsen Comics
Die Reise, von der der Titel dieses Comics spricht, ist alles andere als ein Urlaub. Lena, eine sehr stille und etwas mysteriöse Frau, reist durch Europa und in den Nahen Osten als eine Art Dienstbotin in geheimem Auftrag. Erst nach und nach erfährt der Leser vom Zweck dieser Reise, von den Hintermännern und von Lenas Motiven, sich an der Sache zu beteiligen. Es geht, soviel sei verraten, um ein geschickt ausgetüfteltes Mordkomplott.
Autor Pierre Christin (Valerian und Véronique) erzählt diese Geschichte nicht als packenden, temporeichen Agententhriller, sondern in einem sehr ruhigen und bedächtigen Tonfall aus der Sicht von Lena, die lange Zeit selbst nicht so richtig weiß, zu welchem Zweck sie unterwegs ist. Die Zeichnungen von André Juillard sind passenderweise ebenso unaufgeregt, sehr ruhig, ein wenig statisch. Juillard hat ein Faible für Architektur und Landschaften, seine Hintergründe sind sehr detailliert und sehenswert. Die Figuren und ihre Gesichter wirken dagegen leider nicht besonders lebendig.
Lenas Reise ist ein bedächtiges, bisweilen behäbiges Road Movie auf Papier, in dem uns Christin und Juillard um den halben Globus führen und auch einen politischen Subtext zur Weltlage nach dem Ende des kalten Kriegs unterbringen. Wirklich brisant oder gewagt ist hier aber nichts. Die beiden Altmeister des frankobelgischen Comics präsentieren ihre Geschichte sehr souverän, mal mit vielen Textboxen, mal mit langen Dialogen, mal ganz ohne Text. Das kann man durchaus bewundern, und für Fans von Juillard und seiner Ligne Claire ist dieses Album sicher ein Meisterwerk. Mich persönlich hat die Story dagegen ziemlich kalt gelassen. So unnahbar und unterkühlt wie die Protagonistin Lena, so kühl und emotionslos bleibt letztlich auch dieser Comic. tk

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FABLES 4: DIE LETZTE FESTUNG
 Panini Comics/Vertigo
Bill Willinghams Fables gehen bei Panini in die vierte Runde. Der bisher seitenschwächste deutsche Band enthält eineinhalb Geschichten, nämlich „Die letzte Festung“ und die ersten drei Kapitel von „Aufmarsch der Holzsoldaten“. Inhaltlich wird an die vorangehenden Bände angeknüpft. Der Fables-Kosmos wird solider, und man spürt, dass Bill Willingham sich warm geschrieben hat.
In „Die letzte Festung“ gewährt er dem Leser endlich einen Blick in die Vergangenheit, als ein furchtbarer Krieg die Fabelwesen aus ihrer Heimat vertrieb. Blue Boy erzählt Snow White vom Kampf um die letzte Festung, den er als der letzte Überlebende hautnah miterlebt hat, bevor sich die Portale schlossen. In „Aufmarsch der Holzsoldaten“ wird an diese Erzählung von Blue Boy angeknüpft. Seine Freundin Rotkäppchen (Red Riding Hood) taucht plötzlich in Fabletown auf. Sie galt bislang als verschollen und behauptet, dem Feind durch eine List entkommen zu sein. Und das, obwohl alle Portale seit über zweihundert Jahren verschlossen sind. Bigby Wolf traut ihren Worten nicht und macht sich auf, um die Wahrheit herauszufinden. Neben dieser neuen Entwicklung gibt es natürlich auch noch diverse Altlasten, die offen herumliegen. Prince Charming will Bürgermeister von Fabletown werden, und Snow White ist schwanger.
Fables 4 vereint zwei Erzählbausteine miteinander. Zum Einen wird Hintergrundmaterial geliefert, das bislang fehlte und den Fables-Kosmos angenehm verdichtet. Zum Anderen werden mehrere richtig gute Cliffhanger aufgebaut: Intrige, Politik und Soap. Nicht unbefriedigt, aber doch extrem nervös bleibt der Leser nach der letzten Seite zurück. Vielleicht sollte man mal über ein Verbot von extrem gutem Storytelling und offenen Handlungssträngen nachdenken… cb

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B.U.A.P. 3: DIE TOTEN
 Cross Cult
Weiterhin beschäftigt die „Behörde zur Untersuchung und Abwehr Paranormaler Erscheinungen“ (B.U.A.P.) die Froschplage aus dem letzten Band, doch während sie deren Ausläufer untersuchen, werden die Mitglieder des Teams von ganz anderen Entwicklungen eingeholt: Ein neuer Vorgesetzter, eine neue Zentrale und ein verrückter Ex-Nazi-Forscher, der das neue Zuhause besetzt und diverse Geheimnisse verbirgt. Währenddessen begibt sich Abe Sapien weiter auf Spurensuche seines vergangenen Lebens…
Mit dem dritten Band „Die Toten“ holte sich Autor Mike Mignola mit John Arcudi einen Co-Schreiber ins Boot und man muss sagen, das tut der hohen Qualität der Erzählung absolut keinen Abbruch. Im Gegenteil, die Dialoge sind noch markanter, die Charaktere noch profilierter dargestellt. Aber auch neben Arcudi als zweitem Mann bringt diese Ausgabe einige wichtige Veränderungen mit sich, die auch innerhalb der Story glänzend eingebunden sind. Mit dem „Captain Zombie“ genannten neuen Anführer der Gruppe, einem harten Militär, wandelt die Behörde noch mehr zwischen situationsbedingter Komik und ernsthafter Monsterbekämpfung, zudem liefert der Alleingang von Abe Sapien ein herzzereißendes Intermezzo, das von immenser Wichtigkeit ist.
Im Nachwort schwärmt Mignola von Guy Davis’ „aberwitzigem Genius“, dem kann man zweifelsfrei nur zustimmen. Seine Designs von Monstern, Umgebungen, die detailreichen, von Dave Stewart perfekt kolorierten Bilder, das ist Comickunst vom feinsten. Deswegen wird der Zeichner am Ende des Buches auch noch mit einem Auszug aus dem Sketchbook sowie einem Interview gewürdigt. Ich sag es gerne noch mal ganz deutlich, in dieser Form von Mignola, Arcudi, Davis und Stewart, bzw. deren perfektem Zusammenspiel ist B.U.A.P. eine der besten US-Serien der letzten Jahre, die es auch auf dem deutschen Markt gibt. bv

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HIERONYMUS B.
 Edition 52
Ein wenig erinnert die neu erschienene Sammelausgabe der Geschichten von Hieronymus B. an Kafka: ein durchaus positiv gestimmtes Individuum sieht sich mit einem Alltag konfrontiert, über den es letztlich immer die Kontrolle verlieren muss. Paradigmatisch ist die Unterordnung der ihm zustoßenden Skurrilitäten, die abstrusen Traumwelten entsprungen scheinen. In seinen kurzen Episoden durchstreift der Protagonist Welten voll von Akten und Büros, dabei wirft er immer einen zaghaften Blick um die nächste Ecke auf der Suche nach der nächsten Ausgeburt dieser Bürokratie. Der Stil des Zeichners und Autors Ulf K. ist wie immer sehr minimalistisch: in schlichten schwarz-weißen Panels und ohne Sprache, sondern nur mit kryptischen Zeichen gefüllten Sprechblasen wird die Überwältigung des Protagonisten durch somit unlesbare Situationen gezeichnet. Leider bekommt aber der Leser den Eindruck, dass Ulf K. hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Die Episoden sind nicht immer ausreichend pointiert und auch der Preis scheint der Lesedauer nicht angemessen. dw

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EINZELGÄNGER
 Edition Moderne
Mit der neu eingeführten „Erstpublikation für junge Künstler“ stellte Fumetto, das internationale Comix-Festival in Luzern, dieses Jahr das kleine Büchlein Einzelgänger einer größeren Öffentlichkeit vor. Hierin bestechen dunkle, anrüchige Wesen, erschaffen von der Schweizerin Laura Jurt. Ihre Porträts verhalten sich nicht stringent zueinander, erzählen keine aufeinander aufbauende Geschichte, auch Sprache an sich sucht man vergebens. Und auch wenn man keinen Comic im eigentlichen Sinne vor sich hat, so lassen sich zwischen den Seiten, die jeweils eine andere Person abbilden, Gemeinsamkeiten entdecken und dadurch wird die Aufmerksamkeit dahingehend gelenkt, dass die Einzelwirkung der Bilder in der Imagination des Betrachters fortdauern und zum weitergesponnenen (Gedanken-)Plot animieren soll. Aber auch ohne diesen Hintergrund wird man zumindest auf den zweiten Blick beeindruckt: Erscheinen die in schwarzes Acryl getränkten Pinselstriche zuerst sehr verwaschen, undeutlich oder unkoordiniert, so entscheiden über die Besonderheit der sich sehr ähnelnden Mischfiguren von Laura Jurt Nuancen, Details und vor allem die Simplizität, mit der die Künstlerin vorgeht. Ein interessantes Buch, das man schnell durchgeblättert hat, das man aber gerne ein zweites Mal in die Hand nimmt. bv

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THE BOYS 1: SPIELVERDERBER
 Panini Comics
„Achtung! Nur für harte Jungs!“ Der rote Button auf dem Umschlag von The Boys spricht wahr. Garth Preacher Ennis ist wieder da! Und mit ihm eine neue Bande von Kneipenschlägern, die der Welt mit abgefuckten Armeestiefeln in den Arsch treten will. Derbe Sprüche, Sex und Gewalt – davor soll der rote Button jeden potentiell uninformierten Leser warnen. Mit gutem Grund.
The Boys sind eine Gruppe von fünf Radaubrüdern der übelsten Sorte. Okay, eine Schwester – genannt: „Das Weibchen“ – ist auch dabei, sie spricht aber nicht, sondern beschränkt sich darauf, Anlass für mehr oder minder bescheuerte Sprüche zu sein. Oder sie zieht Machos die Haut vom Gesicht, kann auch vorkommen. Kopf und Anführer der Terrorbrigade ist Billy Butcher, der deklariert wird als „der vielleicht gefährlichste Mann, dem die C.I.A je begegnet ist“. Gefährlich macht ihn in erster Linie seine Rücksichtslosigkeit, mehr nicht. Superkräfte haben andere. Und zwar die Gegner von The Boys. Das sind Superhelden wie der Homelander oder A-Train, glänzende Übermenschen, Reminiszenzen an Superman und The Flash, die sich um das Schicksal und das Leben gewöhnlicher Leute einen feuchten Dreck kümmern. Stattdessen pflegen sie ihre Eitelkeiten und, im Verborgenen, ihre perversen Obsessionen. Die Superhelden sind degenerierte, arrogante Arschlöcher. Und ihre Widersacher, The Boys, sind plumpe, derbe Kneipenschläger. Zu einer optimistischen Weltsicht geben beide Gruppen nicht den geringsten Anlass. Hoffnung geben höchstens Hughie und Starlight, beides Neueinsteiger, aber auf unterschiedlichen Seiten der Front. Sie finden das Verhalten beider Gruppen nicht in Ordnung, laufen aber trotzdem mit. Vielleicht kommen sie irgendwann dahin und gehen ihren eigenen Weg. Bis es soweit ist, darf Garth Ennis es aber gerne noch ein bisschen krachen lassen. Wer seinen Preacher oder Die Schlampe mochte, wird an The Boys nicht vorbeikommen. cb

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TORPEDO 3
 Cross Cult
Auch im dritten Band der insgesamt fünfteiligen Gesamtausgabe des s/w-Klassikers Torpedo büßt die Serie nichts von ihrem Charme ein. So wandelt Luca Torelli, ein aus Italien stammender Killer, weiterhin durch die USA der 30er Jahre. Enrique Sanchez Abuli und Jordi Bernet verleihen der Figur Luca Torelli jetzt mehr Tiefgang und schweifen mehrmals in dessen Vergangenheit ab, und das ist richtig nett mitzuverfolgen. Die schwere Kindheit in Sizilien, die Gewalt und das Rachemotiv, sogar die Herkunft seines Vornamens wird hier porträtiert. Und obwohl die Zeitsprünge wichtige Aufschlüsse über die Hauptperson geben, verwehrt sich die Erzählung an keiner Stelle einem Augenzwinkern. Torpedo ist niemals zum Brüllen komisch, aber wird im weiterem Verlauf zunehmend pointierter. Kriminalität wird hier zur Situationskomik, die Dialoge ironisieren ein eigentlich recht brutales, gefühlloses Werk, eine präzisere Umschreibung dieser Gratwanderung lässt sich nur schwer finden. In diesem Sinne kann auch der dritte Band als sehr gelungen betrachtet werden, Abnutzungserscheinungen in einzelnen Episoden sind glücklicherweise nicht erkennbar. Es bleibt also dabei: Wer auf Sex und Crime steht, kommt an Torpedo einfach nicht vorbei. bv

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LIN_C 3
 Zum dritten Mal erscheint bereits das „Heft für Comics und Bildliteratur“. Die ambitionierte Publikation ist auch weiterhin ein wohltuendes Sammelbecken kreativer Menschen und lässt sich inhaltlich in keine Kategorie pressen. Vorrangig bietet man damit österreichischen Künstlern eine Plattform, überdies blicken die Beiträge aber oftmals auch über den Comictellerrand hinaus und gar Rubriken wie in einem grafisch orientiertem Magazin (Reportagen, Interviews) finden sich. Diesmal gibt es u.a. Abdrucke der Ausstellung „Zeitloch“ des Wiener „Kabinett für Wort und Bild“ zu bewundern, zudem die Wanderausstellung „Comic-Land Schweiz“ oder den 2007er „Linc_c Comic-Wettbewerb“. Porträts zu Carl Barks, einem Videospielprojekt oder dem kleinkünstlerischen Daumenkino-Festival erweitern das Spektrum und lassen das „Heft“ (Magazin? Anthologie?) in seinem Aufbau mitunter etwas wirr erscheinen. Letztlich ist aber gerade die Vielfalt der Beiträge und deren Unberechenbarkeit innerhalb des Gesamten das große Plus. Im Kern bleibt aber immer noch der Querschnitt der eindrucksvollen österreichischen Comicszene im Vordergrund, und vor allem das macht Lin_c für Leser wie mich so dankbar und reizvoll. bv

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DIE GILDE 1: ASTRABAN
 Ehapa Comic Collection
Astraban, ein junger aufstrebender Alchimist, rettet eines Nachts ein junges Mädchen vor einem versuchten Attentat und macht sich damit selbst zur Zielscheibe. Es dauert nicht lange, bis seine Freunde und seine Familie ermordet werden, er selbst jedoch hat Glück. Der Onkel des geretteten Mädchens bietet Astraban an, ihn offiziell sterben zu lassen und ihm eine neue Identität zu geben. Damit gerät er jedoch mitten in finstere Ränkespiele zwischen konkurrierenden Alchimisten, die erbittert um Macht und Einfluss streiten und dafür über Leichen gehen.
Der belgische Autor Miroslav Dragan hat ein interessantes mittelalterliches Szenario erschaffen, in der verschiedene Alchimistengilden ihre Fehden austragen und damit den Mafiaclans aus Kinothrillern à la Scorsese nicht unähnlich sind. Seine besondere Note bekommt Die Gilde durch die Zeichnungen des Spaniers Oscar Martín, der lange Jahre Tom-und-Jerry-Comics gezeichnet und auch für Disney gearbeitet hat, und mit seinen vermenschlichten Tierfiguren das dort gelernte weiterführt. Seine Bilder erinnern aber wegen ihrer Düsternis gar nicht so sehr an Disney, sondern eher an den Noir-Krimi-Comic Blacksad.
Leider bekommt der Leser in diesem ersten Album nicht viel mehr als den Auftakt zu einer längeren Geschichte. Man fühlt sich ein bisschen, als wäre der Tisch gerade aufwendig und festlich gedeckt worden, das Abendessen muss aber erstmal ausfallen. Ein zweiter Teil ist nämlich frühestens im Jahr 2009 zu erwarten. tk

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THE HILLS HAVE EYES – DER ANFANG
 Cross Cult
Wes Craven wird gerne als einer der noch lebenden Altmeister des US-Horror-Kinos gehandelt. Das Remake seines Films The Hills Have Eyes darf sich auf jeden Fall sehen lassen. Das Original kam 1977 in die Kinos, das Remake 2006. Die Geschichte über eine amerikanische Familie, die während einer Reise durch die Wüste von New Mexiko in die Fänge von Mutanten gerät, war hart, blutig und ungeheuer spannend. Endlich einmal wieder ein Horror-Film, bei dem man die Fingernägel ins Sitzpolster graben konnte! Im März diesen Jahres folgte dann die Fortsetzung des Remakes, The Hills Have Eyes 2. Wer Spaß an den Mutanten-Szenarios hatte, bekommt jetzt das passende Lesefutter dazu.
Der Comic-Band erzählt die Vorgeschichte und füllt die Lücke zwischen dem ersten Film und der Fortsetzung aus. Die Hauptfigur ist ein großer, kräftiger Mutant namens Hades, der sich zum Anführer der schlagkräftigen Truppe entwickelt, die sich in den verlassenen Bergwerken versteckt. Erzählt wird aus seiner Perspektive, der Leser blickt dem Monster sozusagen direkt über die Schulter. Viel Neues hat die Geschichte nicht zu bieten. Wer die Filme kennt, wird sich schnell in dem Comic-Szenario zurechtfinden und wissen, wohin der Hase läuft. Spaß macht das Lesen trotzdem. Die beiden streitenden Parteien, die Mutanten und das Militär, begegnen sich nämlich nicht als jeweils homogene Gruppe, sondern sie sind auch untereinander zerstritten. Eine gewisse Orientierungslosigkeit ist die Folge, die Schuld bleibt an der Atombombe hängen. Die Story ist durchdrungen von Grausamkeiten auf beiden Seiten der Kriegslinie. Die Dialoge sind akzeptabel und das Artwork und die Aufmachung des Comics sehen prima aus. Sicherlich eines der hochwertigeren Fan-Produkte, dem man nicht nur die Begeisterung für den Film, sondern auch für Comics – und das ist hier wichtiger – anmerkt. cb

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JUNGLE TOWN
 Ehapa Comic Collection
Wer nur kurz in Jungle Town reinblättert, die quietschbunten Farben und die vermenschlichten Tierfiguren sieht, wähnt sich in Entenhausen und wartet darauf, dass gleich Kater Karlo oder Kommissar Hunter auftaucht. Doch der erste Eindruck täuscht: Tito Faraci und Giorgio Cavazzano, die seit Jahren für die italienischen Disney-Studios arbeiten und dort zahlreiche Geschichten für die Lustigen Taschenbücher produzierten, haben hier eine erwachsene Version von Entenhausen erschaffen. In Jungle Town gibt es das, was es in Entenhausen nicht geben darf. Menschen (bzw. Tiere) werden umgebracht, sie haben Sex und sie fluchen. Und obendrein existiert in der Stadt ein latenter Rassismus: Autor Faraci benutzt in seiner Story die verschiedenen Tierarten als Synonym für menschliche Rassen. In der Stadt leben Hasen und Schweine, Katzen und Hunde offiziell zwar friedlich zusammen, aber unter der Oberfläche gibt es schwere Spannungen. So haben es auch die Kinder von Adam (einem Hund) und Maria (einer Katze) nicht ganz leicht. Adam ist Kriminalkommissar und hat muss den Mord an einer Ratte (die am wenigsten respektierte Bevölkerungsschicht) aufklären, während er nebenbei auch noch mit familiären Problemen zu kämpfen hat.
Eine klassische Krimi-Story also, mit der Faraci den großen Noir-Klassikern nacheifern möchte. Doch Cavazzanos Zeichnungen und die knallige Kolorierung verhindern, dass wirklich ein düsteres Noir-Feeling aufkommt. Auch ist die eigentliche Krimihandlung ein wenig zu simpel, um wirklich spannend zu sein. Trotzdem ist Jungle Town als stilistisches Experiment hochinteressant zu lesen. Plot und Dialoge sind flott und unterhaltsam, und die Rassimus-Thematik, die sich durch die Geschichte zieht, sorgt für inhaltliche Tiefe. Lobenswert ist außerdem die hübsche Aufmachung, die auf 15 Bonusseiten reichlich Hintergrundinfos und Skizzen liefert. tk

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THE RED STAR 2: NOKGORKA
 Cross Cult
In den Trümmern von Nokgorka müssen die Gegner der invasorischen Roten Armee ums Überleben kämpfen. Unter ihnen das kriegsgeschulte Mädchen Makita, das sich zwischen Spähtrupps und tödlichen Maschinen durchschlagen muss. Aber Makita kennt die Umgebung wie ihre Westentasche und nutzt deshalb ihren Vorteil, um ihren Beitrag für den Widerstand zu leisten. Währenddessen begegnen wir der Zauberin Maya Antares aus dem ersten Band, die ihre zurückgelassene Freundin sucht. Und natürlich dauert es nicht lange, bis sich die beiden Hauptfiguren dieser Geschichte begegnen…
Wo Christian Gossett und sein Team im ersten Teil noch den großen Krieg aufwändig inszenierten, geht es hier mehr um einzelne Personen. Obwohl die Action wieder nicht zu kurz kommt, steht der moralische Aspekt im Vordergrund, nämlich dadurch, dass beide Kriegsparteien durch glaubwürdige Personen verkörpert werden. So bleibt Red Star sich stilistisch jederzeit treu, konzentriert sich aber vorrangig auf Einzelschicksale, die in enger Beziehung zur Haupthandlung stehen. Optisch beeindruckt die Ausgabe wiederholt mit dem gezielten Einsatz von 3D-Grafiken, die die Bleistiftzeichnungen großzügig unterstützen. The Red Star ist und bleibt unvergleichlich und liest sich flüssig. bv

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Bildquellen: comiccombo.de und die jeweiligen Verlage