Rezensionen

Gus 1: Nathalie

 Gus und seine beiden Kumpanen Clem und Gratt sind rauhe Burschen des Wilden Westens. Sie überfallen Banken, Postkutschen und Eisenbahnen in Serie, ohne gefasst zu werden. Es lebt sich gut als Gangster. Wenn da nicht die Frauen wären, denn die drei sind echte Schwerenöter mit einer sehr romantischen Ader. Und so sind nicht sie es, die die Herzen der Damen brechen, sondern eher umgekehrt.

Das Album Gus versammelt eine lange und vier kürzere Episoden dieser sehr ungewöhnlichen und sehr charmanten Westernhelden. Die Gaunereien der drei dienen dabei meist nur als Aufhänger für Geschichten von unerwiderter Liebe, verhängnisvollen Affären und mehr oder weniger gelungenen Aufrissversuchen. Unter der rauhen Schale der Banditen steckt ein weiches, sentimentales Herz — Christophe Blain erzählt davon ohne jeden Kitsch, dafür mit viel Ironie und Humor. In „Isabella“, der abschließenden und vielleicht schönsten Geschichte des Albums, entdecken die Jungs sogar einen Sinn für Häuslichkeit und „schöner Wohnen“, während einer der drei als Familienvater zum Teilzeitverbrecher auf Pendlerbasis mutiert. Damit's nicht zu harmonisch wird, darf zwischendurch aber immer wieder mal jemand abgeknallt werden.

 Autor und Zeichner Christophe Blain gehört zu den Vertretern des jungen, eigenwilligen französischen Comics, die weniger Wert auf ausgefeilte, detailreiche Zeichnungen legen, dafür aber von einer unbändigen Lust am Erzählen angetrieben werden. Was dazu führt, dass diese Comicschaffenden einen extrem umfangreichen Output zustandebringen, parallel an zahlreichen Projekten für verschiedene Verlage arbeiten können und schon in jungen Jahren auf eine stattliche Liste von Veröffentlichungen kommen. Nicht nur darin ähnelt Christophe Blain seinem Kollegen Joann Sfar (mit dem er auch gemeinsam an diversen Donjon-Bänden arbeitet), auch stilistisch gibt es Gemeinsamkeiten. Ähnlich Wie Sfar begnügt sich Blain mit einem groben, skizzenhaften und sehr direkten Strich. Im Vergleich zu seiner Serie Isaac, der Pirat (ebenfalls bei Reprodukt) fallen die Bilder in Gus noch etwas roher aus, seine Figuren wirken auf den ersten Blick recht bizarr: Gus mit seiner Pinocchionase und Clem mit einer Frisur, die aussieht, als wüchsen zwei Füße auf seinem Kopf.

 Blain spielt hier oft und gerne mit grafischen Mitteln, die man eher aus Kindercomics kennt: Beim Nachdenken sieht man Zahnräder in Denkblasen, aus Geldsäcken kommen kleine Sprechblasen mit Dollarzeichen, und die Gedanken der verliebten Jungs sind in rosarote Wölkchen getaucht. Zu dieser Naivität passt auch die Kolorierung von Walther mit ihren flächigen und oft sehr grellen Farben. Mit scheinbar simplen Stilmitteln wie diesen erzeugt Blain eine ganz unmittelbare Nähe zu seinen Figuren, die man als Leser sofort ins Herz schließt.

Würde Woody Allen jemals einen Western drehen, das Ergebnis sähe wohl ähnlich aus. Ein witziger, kluger und sehr charmanter Comic, der zeigt, dass zwischen Lucky Luke und Blueberry noch jede Menge Platz für etwas schrägere Geschichten ist.

Gus 1: Nathalie
Reprodukt, Oktober 2007
Text und Zeichnungen: Christophe Blain
Softcover-Album, 80 Seiten; 15,00 Euro
ISBN 13: 978-3-938511-55-8

Ein höchst charmanter Wilwest-Spaß

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