Mind the Gap

MTG Folge 1: Previews 03/2004

Für alle diejenigen, die nicht wissen, was es mit dem Previews und dessen Versand Diamond Comics auf sich hat, denen sei gesagt, dass es nicht so aufwendig ist, wie es erscheint. Der Previews ist ein Katalog, den Ihr bei Eurem Comichändler einsehen oder kaufen könnt. Dieser Katalog zeigt Veröffentlichungen fast aller amerikanischen Comicverlage ungefähr drei Monate im voraus. Hierzu gehören nicht nur Comics, sondern auch Magazine, Spielzeug, T-Shirts oder alle anderen Produkte, die etwas mit Comics im Allgemeinen oder im Speziellen zu tun haben. Der Previews teilt sich mittlerweile in drei Teile auf: Der normale Katalog (Previews), ein Katalog nur für Marvel-Produkte (Marvel Previews) und ein Erwachsenenkatalog (Previews Adult).

Es kann sein, dass Euer Comichändler eine bestimmte Deadline festlegt, in der Ihr bestellen müsst. Leider gibt es auch oft Probleme mit dem Zoll oder mit Auslandssperren für bestimmte Artikel, so dass nicht immer alles ankommt. Aber bezahlen tut Ihr ja eh erst, wenn Ihr die Ware in der Hand haltet.

In der Rubrik „Read of the Month“ stelle ich meinen ganz persönlichen Liebling des Monats vor, danach kommen (wie auch im Katalog) zuerst die Highlights der vier großen Verlage, danach die Indies alphabetisch.
Dann wünsche ich Euch noch viel Spaß beim Schmökern!

READ OF THE MONTH:
Wenn der Previews schon mal mit dem „Manga Month“ einen Spezialmonat ausruft, dann kann ja mal gucken, was sie sich dabei gedacht haben. Zwei der japanischen Comics, die man sich dabei anschauen sollte, sind Duck Prince Book 1 von Ai Morinaga (CPM Manga) und Remote 1 GN von Seimaru Amagi und Tetsuya Koshiba (Tokyopop). Während der erste Comic das alte Motiv des hässlichen Entleins in die japanische Kultur übersetzt, setzt Remote die neue/alte Tradition japanischer Horrorcomics fort. Remote hat sogar, wie es in Japan oft üblich ist, schon den Weg zur TV-Serie gefunden. Die beiden Comics zeigen sowohl die graphische als auch die thematische Spannweite, die Comics aus Japan auf dem amerikanischen Markt einnehmen.

DARK HORSE:
Nach der erfolgreichen Cartoon-Network-Serie beginnt Dark Horse damit, seine Helden in Cartoonfiguren umzuwandeln. So berichten Haden Blackman und Ben Caldwell über die Abenteuer vom alten Ben Kenobi und seinen Jedi-Kollegen in Star Wars: Clone Wars Adventures Vol.1 TP.

Da hat Steve Niles nun endlich nach mehreren Versuchen bei Dark Horse einen Zeichner gefunden, der in Sachen Horror mithalten kann. Wer sich schon bei Kelly Jones‘ Batman-Zeichnungen gefürchtet hat, kann sich bei Last Train to Deadsville: A Cal McDonald Mystery #1 auf was gefasst machen.

Wenn man die festen Größen bei Dark Horse zur Seite nimmt und mit ihnen ein Projekt der etwas anderen Art startet, muss man sich nicht wundern, wenn mit The Dark Horse Book of Witchcraft HC ein Comic entspringt, der nicht ganz aus dieser Welt zu sein scheint. Vor allem Scott Morse (Barefoot Serpent) und Mike Mignola (Hellboy) geben der Magie ein zweites Gesicht.

DC COMICS:
Wer dachte, dass Seaguy ein Sidekick von Aquaman sei oder ein Alptraum aus dem Vertigo Imprint, der sollte mal genau hinschauen und lesen, dass Grant Morrison nach langer Zeit der Abstinenz von den Geschichten, die ihn bei Vertigo so berühmt gemacht haben, wieder da ist. In wieweit er seine Talente nach dem X-Men Run verbraucht hat, sehen wir in drei Monaten.

Wie unschwer auf dem Cover des Previews zu erkennen ist, hat DC mit Firestorm #1 schon wieder ein neues heißes Eisen im Feuer. Ähnlich wie bei den Ultimate-Titeln von Marvel versuchen Texter Dan Jolly (JSA: The Liberty Files) und Zeichner ChrisCross (Outsiders) einen alten Helden und Publikumsliebling in einen Teenager zu verwandeln. Der Protagonist erlebt also die alltäglichen Probleme eines Jugendlichen, plus Superheldenleben.

Bei Vertigo hat man sich scheinbar vorgenommen, zu jedem Jubiläum, und die kommen nicht so oft, Starzeichner und Eisner-Award-Gewinner Craig P. Russell zu holen, um den jeweiligen Comic zu illustrieren. Auch der 48seitige Lucifer #50, der wieder einmal alles zu beinhalten scheint, spielt hierbei keine Ausnahme.

MARVEL:
Alles neu macht der Mai. Diese relativ einfallslose Bauernregel scheint sich doch oft genug zu bewahrheiten. Zum Beispiel im Hause Marvel. Dort ist man der Meinung, dass die X-Men mal wieder einer Generalüberholung, namens X-Men: Reload, bedürfen. Deshalb schreibt Joss Whedon (Buffy) Astonishing X-Men #1. Damit seine Ideen auch den richtigen Adressaten finden, hat man sich Zeichner John Cassady (Planetary) geangelt.

“Und das X-Men Universum wird nie wieder dasselbe sein.“ So scheinen alle anderen X-Serien betitelt zu sein. Das heißt in anderen Worten, dass sich entweder das kreative Team ändert oder eine neue Story ansteht. Für eingefleischte Fans nichts neues, aber für alle anderen vielleicht ein guter Punkt zum Einsteigen. Einen ausführlichen Comicgate-Artikel zum Thema X-Men: Reload findet ihr hier.

IMAGE:
Simple Schwarz-Weiß-Zeichnungen, eine Geschichte, die interessant und graphisch solide ist und die dann nach nur 48 Seiten auch schon endet. Das ist man seit den Anfängen von Image nicht mehr gewöhnt. Bedanken darf man sich bei dem Künstler AZAD. In Sammy: A very Sammy Day GN beschreibt er die Ursprungsgeschichte des unglücklichsten Gauners aller Zeiten.

INDEPENDENT PUBLISHERS:
Dennis O’Neil, Peter David, Kurt Busiek und Max Allan Collins sind Namen, die eigentlich allen Lesern von Comics ein Begriff sein sollten. In dem 180 Seiten starken Comic-“Buch“ Comics Prose Volume 1 GN (About Comics)zeigen die insgesamt sechs Autoren, dass sie auch ohne ihre Kollegen am Zeichenpult in der Lage sind, eine Geschichte zu erzählen.

“Travel means going someplace.“ Mit diesem Spruch leiten Shannon Wheeler und seine Freunde die neue Ausgabe vom Too Much Coffee Man Magazine #20 ein, dessen Titelthema eigentlich die Reise sein sollte. Da man sich aber bei Adhesive Comics immer auf die besten Talente verlassen kann, wenn es um schwarzen Humor geht, bietet diese Ausgabe alles, was ansonsten auch bei TMCMM drin ist. Nur besser!

True Story Swear To God: 100 Stories TP. 100 Geschichten zum Preis von 10 Dollar. Bei so einem Angebot (von AiT/PlanetLar) kann doch eh keiner widerstehen, denkt sich Tom Beland und erzählt auf eine beeindruckende Weise die alltäglichen Geschichten, die sein Leben ausmachen.

Alternative Comics bringt doch gleich zwei Comics heraus, die man beide besprechen muss. Da lohnt es sich schon einmal, den Verlag namentlich zu erwähnen. Der erste Streich nennt sich Salmon Doubts GN, bei dem Fische aussehen wie Fische. Dennoch haben sie die Fähigkeit zu denken und zu sprechen. Verantwortlich dafür ist Adam Sacks, der graphisch und metaphorisch eine Welt erschafft, in der man Zeit hat, über die natürliche Selektion, auf dem Weg zum Laichen, nachzudenken. Den zweiten Streich versetzten uns Damon Hurd und Christopher Steiniger mit ihrem Comic The White Elephant GN. Der Comic inszeniert auf sehr sensible Weise ein Theaterstück als Comic, in dem Protagonist Gene sich in therapieähnlichen Stunden selbst zu heilen versucht.

Jeph Loeb und Michael Turner veröffentlichen Soulfire #0 (Aspen Comics). ´Nuff Said.

Dr. Blink: Superhero Shrink #0 ist Psychiater. Sein bekanntestes Werk hört auf den Namen „Chicken Soup for Super-Soul“. Wie der Spezialist für die Psyche von Superhelden arbeitet, zeigen Euch John Kovalic (Dork Tower) und Christopher Jones (Justice League Adventures) bei Dork Storm Press.

Obwohl man mehrere Künstler im Bereich der Comics kennt, deren Kinder eine ähnliche Lebensaufgabe suchen, arbeiten doch wenige von diesen als Teams zusammen. The Lizard of Oz GN (Fantagraphics) ist im engeren Sinne auch keine Kooperation, sondern die Weiterführung des Werks von Vaughn Bodé durch seinen Sohn Mark. Während der Vater das Charakterdesign und das Cover fertig stellte bevor er starb, kommt von Mark Bodé nicht nur die Geschichte, sondern auch ein Skizzenbuch. Vollendet wird der Comic durch eine Einleitung von Carlo McCormick, der nicht nur Einblick in das Leben der Bodés gibt, sondern auch in das Original von Frank Baum (Wizard of Oz).

Nach „RAW“ und „Drawn & Quarterly“ kann man mit Recht sagen, dass es wieder eine alternative Anthologie auf dem Markt gibt, die es sich anzuschauen lohnt. Blood Orange #1 (ebenfalls Fantagraphics)wird aller Voraussicht nach vierteljährlich erscheinen und Werke von Künstlern wie Rick Altergott, Mike Kupperman oder Rone Rege Jr., beinhalten.

Neben Dark Horse hat das Virus Steve Niles auch schon erfolgreich den IDW Publishing Verlag infiziert. Dort veröffentlicht der Autor von „30 Days of Night“ alles, was mit Horror zu tun hat. Die Story von Remains #1 spielt in Las Vegas und ähnelt dem Zombiestreifen „Dawn of the Dead“ von Romero. Die Zeichnungen und vor allem die Perspektiven, die Zeichner Kieron Dwyer wählt, unterstreichen das unbehagliche Gefühl, das Niles so hervorragend hervorruft.

Wer auf dem Berliner Comic Festival letztes Jahr schon die Gelegenheit hatte, das kleine Team von dem schottischen Verlag Metaphrog kennen zu lernen, bestellt Louis: Dreams Never Die GN bestimmt schon aus reiner Kollegialität. Für alle anderen sei gesagt, dass es sich um wunderschöne und offenherzige Erzählungen handelt, die diesmal von einer CD oder einer Vinyl begleitet werden.

Gewinner des Ignatz Awards und des Xeric Grants. Der Name dieses Comiczeichners wird nicht bei jedem die Glocken zu klingeln bringen. Das sollte er aber. Derek Kirk Kim, der Autor von Same Difference and other Stories GN (Top Shelf Productions), begann mit Internetcomics, bevor er den Durchbruch schaffte und nun seine Kurzgeschichten über die Quarter-life crisis schreibt.

BOOKS:
Auch bei den Büchern findet man, wenn man genau hinschaut, oft ein paar schöne Dinge. Zu diesen gehört auch Michel Gangés Freaky Flora: From A to Z HC (Gagné International Press). Der Künstler hinter „The Iron Giant“ legt seinen neuen Band aus seiner Reihe von verrückten Phantasien vor. Nicht nur ein Kinderbuch, sondern auch etwas, was man sich immer wieder gerne anschaut und sich nur wundern kann, woher man diese Idee wohl haben kann.

Immer wieder findet man auch schöne Sammlungen von Cartoon Strips in dieser Rubrik. Zu diesen gehört auch Patrick McDonnells Mutts Sunday Afternoon: A Mutts Treasury TP (Andrews McMeel Publishing). Die kleinen Anekdoten über Katze und Hund sind zwar schon ziemlich alt, dennoch schafft es McDonnell, ihnen immer wieder etwas Neues zu geben. Gerade Freunde der „Peanuts“ und „Calvin und Hobbes“ werden an diesem Band ihre Freude haben.

GAMES:
Mitunter verstecken sich im Previews auch kleine Überraschungen, die man nicht verpassen sollte. Pack of Flies zum Beispiel ist ein Kartenspiel, bei dem geblufft werden muss, um mit seiner Fliege die begehrten „Essensreste“ des Bauerhofes zu bekommen. Vorsicht vor Fliegenklatschen und Spinnweben!

ABKÜRZUNGEN:

GN: Graphic Novel
TPB/TP: Tradepaperback
SC: Softcover
HC: Hardcover
Vol.: Ausgabe
(…): Vorherige Titel des Künstlers