Auch der Epsilon Verlag steigt in das Geschäft mit den Gesamtausgaben ein und legt Helldorado, in Frankreich in Form von drei Alben erschienen, direkt in einem schönen dicken Band vor. Durch den Preis sollte man sich hier nicht abschrecken lassen, denn beim Kauf dreier Einzelbände hätte man einiges mehr bezahlen müssen.
Und der Kauf lohnt sich, denn Helldorado ist zwar nichts für zarte Gemüter, aber ein Historiencomic, wie er sein sollte. Er erzählt zwar eine fiktive Geschichte, doch die Begebenheiten und Grausamkeiten spielten sich so ab, wie es hier in schonungsloser Offenheit geschildert wird. Dabei schwelgt der Band nicht in der Vergangenheit, um dort eine Geschichte zu erzählen, die ebenso gut in der Jetztzeit spielen könnte, sondern nutzt die Historie dazu, um unangenehme Parallelen zur Moderne herzustellen. So entstehen beängstigend aktuelle Bezüge zur Gegenwart oder zu noch nicht allzu lange zurück liegenden Ereignissen: Bei dem Völkermord an den Indios, um den es hier geht, erinnert manches an die Nazis und ihre Vernichtungsmethoden. Religiöser Fanatismus ist immer noch aktuell wie eh und je. Nicht nur im Islam, sondern auch in den USA scheint er immer stärker zu werden. Und auch biologische Kriegsführung ist kein Konstrukt der Moderne oder der kranken Geister von Pentagon-Strategen, um einen Krieg im Irak zu begründen.
Anhand der Eroberungszüge der Konquistadoren in Südamerika erzählt Jean David Morvan ein Abenteuer, das beide Sichtweisen – die der Eingeborenen und die der Eindringlinge – berücksichtigt. Mit gnadenloser Brutalität geht ein Trupp spanischer Soldaten auf einer südamerikanischen Insel vor, um den christlichen Glauben zu verbreiten und das Land unter die spanische Krone zu zwingen. Geschwächt von einer ansteckenden Seuche, versuchen die Indios an zwei Fronten gleichzeitig um ihr Überleben zu kämpfen. In diese Wirren werden drei junge Indios ineingezogen: zwei Ausgestoßene und die Tochter eines Hohepriesters, die von beiden Seiten nicht nur Gutes zu erwarten haben. Lobenswerterweise wird hier also kein „Kolonialabenteuer“ vorgelegt, welches die Eroberungslust spielerisch behandelt und den historischen Hintergrund nur als Leinwand benutzt. Es ist aber auch kein pädagogisches Lehrstück rein aus der Sicht der Eroberten, die in dieser Hinsicht in die Falle des „edlen Wilden“ fallen würden. Beide Seiten nehmen sich nichts, und dass die altamerikanischen Kulturen nicht gerade die freundlichsten waren, ist ja bekannt. Zynisch sind beide: Indios und Spanier. Der Gedanke des Miteinander-Lebens, indem man sich aneinander gewöhnt, mag etwas naiv sein, bekommt aber auch seine Quittung und wird als Illusion entlarvt.
Der Comic ist sehr spannend und actionreich, aber auch sehr blutig und dürfte zarte Gemüter ein um das andere Mal abschrecken. Starautor Morvan (Sillage, Spirou) geht hier in Zusammenarbeit mit Co-Autor Dragan (Die Gilde) in die vollen und zeigt zwar die übliche politische und soziale Dimension, die auch Sillage ausmacht, hält sich aber nicht zurück. Als Zeichner konnte der Argentinier Ignacio Noé gewonnen werden, der hier mal wieder abseits von (Comic-)Pornographie (oder deren Nähe), wie man sie aus seinen übrigen Epsilon-Veröffentlichungen kennt, graphisch überzeugt. Gerade die grausamen Szenen sind eindrucksvoll und lassen einen nicht los, wirken dabei aber nie verherrlichend. Der völlige Verzicht auf einen Off-Kommentar zeigt die Sprachlosigkeit angesichts der geschilderten Grausamkeiten an. Auch die „Flüge“, um die Handlungsorte miteinander zu verbinden, sind eine sehr gute Idee, da sie das Tempo erhöhen und jeden Ort an den anderen binden. So entsteht eine erzählerisch-graphische Einheit, die auch aufzeigt, dass die verfeindeten Völker unentrinnbar in der historischen Dimension verschmolzen sind.
Eine klare Kaufempfehlung.
Wertung:
Hart aber gut: die Eroberungszüge der Konquistadoren werden spannend, emotional, schonungslos und eindrucksvoll erzählt, ohne aktuelle Bezüge zu vergessen.
Helldorado
Epsilon, April 2012
Text: Jean David Morvan, Miroslav Dragan
Zeichnungen: Ignacio Noe
Übersetzung: Mark O. Fischer
144 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 30,00 Euro
ISBN: 978-3-86693-089-6
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Epsilon Verlag