Der junge All Verlag, der erst letztes Jahr gegründet worden ist, legt nun den zweiten und abschließenden Band der Serie Touna Mara vor. Und man konnte gespannt sein, denn der erste Band war ziemlich gelungen.
Immer noch wird auf zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt. Die eine spielt in der Steinzeit und schildert den Kampf, die Rache, der jungen Schamanin gegen die Wolfskrieger. In der Gegenwart versuchen Wissenschaftler die Mutationen zu erklären, welche Kinder zu Halbwesen aus Mensch und Wolf macht. Während eine der jungen Forscherinnen von einem Schamanen als Wiedergeburt der Steinzeitkämpferin erkannt wird, drohen Konflikte innerhalb der Forschergruppe die ganze Arbeit zu sabotieren. Und die Wolfsmenschen sind alles andere als freundlich.
Schon mit dem ersten Band begann Autor Patrick Galliano eine etwas waghalsige Reise, indem er die verschiedensten Elemente auf kleinem Raum vereinte und so eine Tour de Force durch Mythen, Legenden und Historie unternahm. Gekonnt umschiffte er alle esoterischen Klippen und flocht die verschiedensten Elemente ein. Schafft er dieses auch im zweiten Teil? Leider nicht ganz.
Wenn man bei der Metapher mit dem Schiff bleibt, so schlägt der Folgeband deutlich Leck am Riff der Esoterik, aber er versinkt immerhin nicht, sondern schafft es mit letzter Kraft in den Hafen. Dazu tragen Mario Milanos kraftvoll sinnliche Bilder bei, wobei gerade die Darstellungen der Frauen deutlich von niemand geringerem als Milo Manara beeinflusst sind. Die passend elliptische Erzählung des ersten Bandes mit dem regelmäßigen Wechsel der Erzählzeiten entwickelt hier leichte Kanten und läuft nicht mehr ganz so rund. Aber dennoch ist der Band spannend und kann immer noch interessante Aspekte anbieten.
So etwa in Bezug auf den Schamanismus, der natürlich schon oft behandelt worden ist, aber vor allem in Bezug auf die Wer-Menschen erfrischende Aspekte liefert. Am bekanntesten ist natürlich der Werwolf, der auch hier Pate stand, aber in anderen Kulturen gab es auch andere Mischungen zwischen Mensch und Tier. In Indien etwa den Wer-Tiger und in anderen Gegenden den Wer-Panther. Das ist manchmal kaum vom Schamanismus zu trennen, schließlich versuchten sich auch viele Völker bewusst die Kraft von Tieren zu Eigen zu machen, wie etwa die Indianer mit ihren Totems, vor allem aber die Wikinger mit ihren Berserkern. Im Rausch steigerten sich diese wilden Krieger in eine solche Wut, dass sie kaum zu halten waren. Sie kleideten sich im Kampf einzig in Bärenfell, um so deren Kraft und Wildheit zu bekommen.
Alles dies findet man auch in Touna Mara wieder, wobei es doch auf eine gewisse Weise enttäuschend ist, dass es einem außerirdischem Impuls zugeschrieben wird und nicht als eine frühe zivilisatorische Leistung. Entsprechend enttäuscht auch das Ende, da vieles nicht restlos aufgeklärt wird. Galliano überführt den Konflikt zwischen Ratio und Gefühl in die immer konfliktreiche Dualität männlich/weiblich und driftet damit deutlich in den esoterischen Bereich ab. Man könnte es so zusammen fassen: Mutter Erde kämpft gegen Vater Stern (der Monolith als dessen Abkömmling), wobei letzterer böse ist. Die Dualität wird hier nicht nur durch kämpferische bzw. friedliche Farben symbolisiert, sondern auch das Glatte der Frau gegen das Stachelige des Mannes gesetzt.
Ob unfreiwillig oder nicht: die Stacheln der bösen Seite des Steins erinnern doch gewissermaßen an einen Bart, der gegen die sanfte Haut der Frau gerichtet ist. Die Bezugnahmen auf 2001, mit einem monolithischen Stein, der die Evolution der Menschheit anregt, sind überdeutlich, aber was er eigentlich bezweckt, wird nicht ganz klar. Wie sich die Wolfsgruppen zusammenfinden und was sie eigentlich wollen wird ebenso im Vagen gelassen wie das Schicksal einiger Personen, was zu einem recht unbefriedigenden Ende führt.
Alles in allem hätte man aus Touna Mara einen sehr spannenden Wissenschaftskrimi im Sinne von Crichton machen und auf esoterische Aspekte verzichten können. Wobei letztere im ersten Band durchaus noch überzeugen konnten, solange sie in philosophische Bereiche hineinlangten. Für einen Abschluss eines kurzen Zweiteilers bleiben am Ende jedoch zu viele Fragen unbeantwortet.
Wertung:
Holprige Fortsetzung des gelungenen ersten Teils, die sich etwas zu sehr in esoterische Gefilde verirrt
Touna Mara 2 – Das Gold der Skythen
All Verlag, Mai 2012
Text: Patrick Galliano
Zeichnungen: Mario Milano
Übersetzung: Dr. Marcus Schweizer
Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 15,80 Euro
ISBN: 978-3-926970-10-7
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: All Verlag