Rezensionen

Pillen, Rusz & Ratten

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Cover Pillen, Rusz & RattenUlf Salzmann erzählt in seinem Webcomic Flausen regelmäßig kurze Episoden in vier Panels. Dass er auch andere Formate kann, zeigt er in seinem eben erschienenen Buch. Eine Gastrezension von Jan Dinter

So, der Ulf hat einen neuen Comic gemacht: Pillen, Rusz & Ratten, und ich muss sagen, da gefällt mir ja der Einsatz des „sz“ schon mal außerordentlich gut.

Nun hat aber der Till – noch dazu in aller Öffentlichkeit – den Comic nicht ganz so gut gefunden, sondern mehr so nur 75%ig gut, der Arsch. Weil jetzt natürlich ein bisschen Verunsicherung, von wegen, ist das wirklich so? Also fragt mich der Ulf, wie ich den Comic finde, da ich den ja auf dem Erlanger Comicsalon bei ihm am Stand gekauft hab, mit Zeichnung/Signatur von ihm drin, Button dazu und so ’n Hasensticker – top!

Ja, Ulf, was soll ich sagen … fangen wir mal vorne an. Cover. Da konnte ja die facebook-Gemeinde über zwei unterschiedliche Motive abstimmen und hat natürlich prompt das falsche ausgesucht, das, bei dem man beim ersten Hinschauen denkt: KZ. Aber gut, wenn’s die Leute so haben wollten, dann darf man da auch nicht dran rummäkeln. Ich weiß ja, dass dem Künstler, ebenso wie mir, das Höhlenmotiv lieber gewesen wäre, und das findet man dann ja auch noch in Innenteil unteren weiteren Zwischentiteln wieder.

Vorher aber noch Rückseite. Bietet nicht viel, nur eine ganz kurze Umschreibung der Comics, die mir etwas reißerisch, bzw. übertrieben dramatisch, ja vielleicht sogar lieblos hingerotzt erscheint. Sei’s drum, ist ja alles nicht der Comic an sich, also schau ich mal rein.

Oha! Da hat wohl jemand beim Layout nicht drauf geachtet, dass bei der Klebebindung der Bildabstand zum Seitenrand nach innen etwas größer sein sollte, damit man das Büchlein nicht so gewaltsam aufbiegen muss, um den Blick optimal über die Seite schweifen zu lassen. Aber wer bin ich, das anzukreiden, hab ich doch jüngst den gleichen Fehler (im übrigens sehr guten Comicgate Magazin 8) gemacht. Hör mal auf, um Aufmachung und Format zu schwadronieren, Dinter, wie ist denn jetzt der Comic?

Der ist sehr gut.

Seite aus Pillen, Rusz & RattenInhaltlich lässt sich das Ganze zusammenfassen als autobiografische Kurzgeschichten, in denen kindliche oder auch jugendliche Leichtigkeit des Erlebens in bewegende Tragik mündet. Da sie nun alle wahr sind, lässt sich über die Erzählungen als solche kaum urteilen, gehalten sind sie jedenfalls in einem angenehm persönlichen Ton, nicht nur in Hinblick darauf, das Gefühl zu bekommen, den Herrn Salzmann näher kennenzulernen, sondern auch, oder vielleicht sogar gerade weil er sehr ungezwungen von reellen Personen und deren Befinden erzählt, was manch einer als pietätlose Spekulation deuten könnte. Zu liebevoll erzählt Ulf jedoch, als dass man ihm solche Arglosigkeit unterstellen möchte. Zeichnerisch gibt es an Pillen, Rusz & Ratten kaum etwas zu rütteln, Ulf ist schließlich längst, wie es so schön heißt, „angekommen“. Ein markanter, eigener Strich in bewanderter Farbgebung, nicht zu bunt, nicht zu dezent und mit – Obacht, neu! – eigenem Handschrift-Font, der sich sehr angenehm liest.

Oft störe ich mich an zu statischem Seitenaufbau, wie in diesem Falle den ständigen drei mal drei gleich großen Bildern pro Seite, doch langweilige Monotonie wird hier äußerst zufriedenstellend, weil präzise wirkungsvoll eingesetzt, ausgeschaltet, indem alle drei, vier Seiten auch mal horizontal, mal vertikal eingebaute Bilder von doppelter Größe den Seitenaufbau lockern. Ganz toll fallen dabei auch eingestreute Bilder-Duos oder -Trios auf, durch die sich eine durchgehende Kulisse zieht.

Auch die beinahe ständige Gleichheit im Einzelbildaufbau weiß Ulf kunstgerecht zu durchbrechen. Meist zeigen diese Szene und dazugehörenden, beschreibenden Textkasten, der aber ab und an durch eine Sprechblase ersetzt wird, oder, und das ist richtig gut, Sprechblasen abdeckt. Zu sehen, dass eine Figur spricht, aber nicht lesen zu können, was sie sagt, und sich dahingehend auf den persönlichen Eindruck des Erzählers verlassen zu müssen, verleiht dem Leseerlebnis eine dezente und comiceigene Intimität, die die Grundintention dieses Comicbüchleins geradezu perfekt abrundet.

Einer meiner absoluten Favoriten unter den neuen Comics des diesjährigen Comicsalons, zu dem man nur sagen kann: Gerne mehr.

 

Pillen, Rusz und Ratten
Schwarzer Turm, Juni 2014
Text und Zeichnungen: Ulf Salzmann
64 Seiten, farbig, Softcover mit Klappenbroschur
Preis: 9,80 Euro
ISBN: 978-3934167711
Leseprobe

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Abbildungen: © Ulf Salzmann