Rezensionen

Scotland Yard

Cover Scotland YardIn dieser Ausgabe der Reihe „Splitter Double“ kann man die komplette Serie Scotland Yard lesen, denn in Frankreich war die spannende Geschichte nach zwei Alben schon abgeschlossen. Was einigermaßen bedauerlich ist, denn es gibt noch Potential für weitere Storylines. Hinter dem etwas schwammigen Titel könnte sich alles verbergen, aber das Cover macht schon deutlich, dass es düster werden wird. Doch hier gibt es weit mehr als nur einen weiteren Krimi, der sich des Settings des viktorianischen Zeitalters bedient.

Vielmehr liegt hier ein postmoderner Thriller vor, der sich vieler Zitate und Anspielungen bedient. Das kann man als rein intellektuelles Spiel sehen, wenn hier fiktive und reale Personen der damaligen Zeit auftreten. Insbesondere gibt es sehr viele Figuren, die später in Bram Stokers Roman Dracula vorkommen. So handelt es sich bei einem der hier gejagten Verbrecher um Renfield, den wahnsinnigen, insektenfressenden Diener Draculas, eine Straße heißt nach dem amerikanischen Jagdgefährten Morris und auch der Autor des Romans hat seinen eigenen Auftritt. Dr. Seward, neben Van Helsing die treibende Kraft auf der Vampirjagd, hat hier eine der Hauptrollen. Aber auch der Inspektor, der regelmäßig von Sherlock Holmes düpiert wird, Lestrade, hat hier seinen Auftritt und sogar der legendäre Elefantenmensch. Andere werden in den Dialogen erwähnt, wie etwa Jack the Ripper.

Seite aus Scotland YardAber die Verweise sind hier ausnahmsweise kein Selbstzweck, auch wenn es ein literarisch intellektuelles Vergnügen ist, die vielen Anspielungen zu entdecken und einzuordnen. Vielmehr gelingt es Scotland Yard, die Tradition mit der Moderne des Krimis zu verbinden und ein faszinierendes Bindeglied zwischen Krimi und Horror, oder auch zwischen Thriller und Gothic Novel zu schaffen. So steht der Comic ganz im Geiste des Viktorianismus, welcher ja vor allem durch den Spagat zwischen Fortschrittsgläubigkeit und Tradition lebt und fasziniert. Die hier gejagten Mörder sind wahnsinnige Psychopathen, die spätere Serienkiller und deren Wahn vorwegnehmen, wofür in der Historie ja schon Jack the Ripper stand.

Inspektor Gregson hat es nicht leicht unter seinem Vorgesetzten Lestrade und als ihm bei einem Gefangenentransport zwei wahnsinnige Serienmörder entkommen, wird er Teil einer kleinen Spezialeinheit, um die Flüchtigen zu fassen. Diese Reise führt ihn in Ebenen des Wahnsinns und des Blutes, denn um die Mörder fangen zu können, muss man ihr Handeln verstehen.

Autor Dobbs charakterisiert die Schurken und gibt Erklärungen für ihren Wahnsinn, was sie nicht minder unheimlich macht. Während die Handlung teilweise durchaus erwartbar abläuft und manchmal leider auch einige Sprünge vollzieht, sind es auch die wunderbaren, atmosphärischen Zeichnungen von Stéphane Perge, die weit mehr zu bieten haben als historisches Kolorit. Sie verbinden auch Gothic Horror mit den bildlichen Klischees der Epoche und modernem Expressionismus. Dann kippen die Panels kippen, alles läuft ineinander über, die Gesichter verzerren sich und Details bekommen mehr Bedeutung. Das bricht die gefällige naturalistische Ebene auf und zeigt den Wahnsinn hinter der Oberfläche. Sehr gut und sehr spannend.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Trotz mancher klischeehafter Storyelemente kann die Miniserie als postmoderner Thriller überzeugen.

 

Scotland Yard
Splitter Verlag, Dezember 2014
Autor: Dobbs
Zeichnungen: Stéphane Perger
Übersetzung: Swantje Baumgart
96 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-033-1
Leseprobe

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag